Gladbeck. Die Mosaikschule ist erste Projektschule in Gladbeck für das Brotzeit-Projekt von Schauspielerin Uschi Glas. Nach dem Start sind alle begeistert.
Noch bevor die erste Brotschnitte aufgelegt, Käse oder Wurst aufgepickt werden können, ist ein lautes Klirren zu hören. Vor lauter Aufregung ist einem der gespannt vor dem Buffet wartenden Erstklässler der Teller aus den Fingern geflutscht und auf dem Boden zerschellt. „Ist nicht schlimm, es sind ja noch viele Teller da“, wird der bedröppelte i-Dotz vom Helferteam beruhigt. Nachdem das Malheur aufgefegt ist, kann dann die „Brotzeit“ starten. So heißt das von Schauspielerin Uschi Glas initiierte Projekt, das jetzt mit der Mosaikschule an der ersten Grundschule in Gladbeck gestartet ist. Jeden Morgen wird vor Schulbeginn ein für alle Kinder offenes und kostenfreies Frühstücksbuffet aufgetischt. „Wir sind total begeistert“, sagt Schulleiterin Ute Kirsten nach der ersten Brotzeit-Woche, „und wir können weiteren Grundschulenin Gladbeck nur empfehlen, auch in das Projekt einzusteigen.“
Lesen Sie auch:
- Tierwohl. Hund aus dem Gladbecker Problemhaus Steinstraße gerettet
- Verkehrssicherheit. Bußgelder: Wie Verkehrssünder Gladbecks Stadtkasse füllen
- Innenstadt. Leerstände in Gladbecks City: Wo der Neustart schwierig ist
- Gute Nachricht. Leukämie: Lebensretter für Max (6) aus Gladbeck gefunden
- Umwelt. Jovyplatz Gladbeck: Sieben alte Robinien werden bald gefällt
Denn Brotzeit bringe gleich mehrere Vorteile. Kein Kind müsse mehr hungrig in den Unterricht kommen, und ein satter Bauch sorge dann dafür, „dass die Kinder sich besser konzentrieren können und leistungsfähiger im Unterricht sind“. Laut Brotzeit besagen Studien, dass etwa jedes fünfte Kind in Deutschland, also 20 Prozent, hungrig zur Schule kommt. An ihrer Mosaikschule schätzt Ute Kirsten „den Anteil auf 15 Prozent“. Sie sagt, dass das Frühstücksbuffet-Angebot für die Kinder „auch eine verlässliche Anlauf- und Aufenthaltsmöglichkeit vor Schulbeginn“ sei. An jedem Schultag öffnet dafür bereits um 7.15 Uhr bis zum Unterrichtsbeginn die Schulmensa.
Eine erleichterte Mutter habe ihr gesagt, ergänzt dazu Anne-Christiane Gordes, „jetzt weiß ich mein Kind gut aufgehoben und komme endlich pünktlich zur Arbeit“. Die auch für Gladbeck zuständige Brotzeit-Projektleiterin Förderregion Nördliches Ruhrgebiet unterstreicht, dass das Angebot zwar besonders Familien mit geringem Einkommen, Eltern mit belastendem Schichtdienst oder überforderte Alleinerziehende unterstützen möchte, „das Frühstücksbuffet aber allen Kindern der Schule offen steht“.
Der Verein stellt eine Erstausstattung an Elektrogeräten und Geschirr zur Verfügung
Die beteiligten Schulen, beziehungsweise Schulträger, müssen lediglich ein ausreichendes Raumangebot und eine Lagermöglichkeit zur Verfügung stellen. Das Brotzeit-Team bringt den Projektschulen ein erprobtes Konzept quasi als Rundum-Sorglos-Paket mit. Der Verein wirbt ehrenamtliche Helfer ab 55 Jahren, bevorzugt Ruheständler, die im Umfeld der beteiligten Schulen wohnen und sich um die Zubereitung und Ausgabe des Frühstücks kümmern. Sie erhalten für ihr Engagement einen kleinen Stundenlohn als Aufwandsentschädigung. Der 2009 von Schauspielerin Uschi Glas in München gegründete Verein stellt zudem über Spenden eine Erstausstattung an Elektrogeräten (Tiefkühler, Kühlschrank) für die Lagerung der Lebensmittel und Geschirr für die Ausgabe des Frühstücks kostenlos zur Verfügung. Die Lebensmittel können aus einem Warenkorb online geordert werden, den der Kooperationspartner Lidl als Großspender bereit stellt und ohne Kosten für die Schulen liefert. Schulleitung wie Kollegium haben eine geringe Belastung, da nur alle 14 Tage bestellt und einmal pro Monat eine Abrechnung erfasst werden muss. Das Schulministerium NRW stellt für Brotzeit Mittel bereit.
Weitere Frühstückshelfer werden gesucht
Um das Team an der Mosaikschule zu stärken und zu entlasten, werden weitere Frühstückshelferinnen oder -helfer gesucht, die das Frühstücksangebot im Ehrenamt mit betreuen möchten. Eine weitere Gladbecker Grundschule hat zudem Interesse bekundet, das Projekt einzuführen. Der Zeitrahmen für die Helfer beträgt zwei Einsätze von je drei Stunden pro Woche. Sie werden im Rahmen der Übungsleiterpauschale entschädigt
In der Brotzeit-Förderregion nördliches Ruhrgebiet sind aktuell 13 Grundschulen in Gladbeck, Gelsenkirchen, Recklinghausen, Herne und Herten beteiligt. Drei weitere sollen dieses Frühjahr starten. Deutschlandweit versorgt Brotzeit knapp 14.000 Kinder an 304 Schulen jeden Morgen mit einem Frühstück. Bewerbungen und weitere Informationen für interessierte Gladbecker Schulen sind über Anne-Christiane Gordes, Telefon (E-Mail: gordes@brotzeit.schule), möglich.
Für Alexander und seine Freunde aus der Robbenklasse ist das alles Nebensache. Der Sechsjährige kehrt gerade mit seinem Teller zum Tisch zurück und sagt mit breitem Lächeln: „Man kann sich alles selber aussuchen und das essen, was man möchte.“ Diverse Brotsorten, Butter, Marmelade, Nutella, Geflügel-Wurst, Käse, Cornflakes, Äpfel, Gurken, Säfte und Joghurt stehen bereit. Batül überlegt, was sie besonders mag. „Mir gefällt alles“, sagt die Siebenjährige. Am schönsten sei es aber, „jetzt am Morgen immer gemeinsam mit den Schulfreundinnen frühstücken zu können“. Zuhause frühstücke sie nicht so viel, sagt Esma, „aber hier schmeckt einfach alles so lecker“, schwärmt die Sechsjährige. Und auch der Kakao sei prima. Den gibt es an der Getränkestation, wo sich die Kinder auch Tee, Apfel- oder Orangensaft einschütten können.
Im Sinne der Nachhaltigkeit soll kein unnötiger Essensabfall entstehen
Die ehrenamtlichen Frühstücksengel helfen, wenn nötig, beim Auflegen, animieren auch, mal etwas Unbekanntes zu probieren. Heute wurden zum Beispiel kleine Knäckebrothäppchen mit Frischkäse bereit gestellt. „Ich wollte im Ruhestand etwas Sinnvolles machen und der Gesellschaft etwas zurückgeben, weil es mir gut geht“, sagt Helferin Ilse. Jetzt am Morgen für die Schulkinder dazusein, das mache ihr Freude. „Und die Kinder lernen auch hier etwas“, ergänzt Helferin Margret: „Sich hinten anzustellen, Geduld zu haben, bis man drankommt und nur so viel auf den Teller zu packen, wie man aufessen kann, weil man ja wiederkommen kann, bis jeder satt ist, und wir im Sinne der Nachhaltigkeit keinen unnötigen Abfall produzieren möchten.“
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Ihr schönster Lohn sei die Dankbarkeit der Kinder, sind sich die Helferinnen einig: „Gestern haben sie sogar ein Lied für uns gesungen“. Und der anfängliche Schrecken nach dem Teller-Unfall ist auch beim i-Dötzchen verflogen, das sich in zweiter Runde am Buffet den Teller füllt. Man kann das Malheur ja auch positiv für das Brotzeit-Projekt werten, denn Scherben sollen ja bekanntlich Glück bringen.