Gladbeck. In einem Gladbecker Wohngebiet streiten Nachbarn. In einem Garten würden zu viele Tiere gehalten, die Hähne seien zu laut. Das sagen Behörden.

Gackernde Hühner, krähende Hähne und würzige Landluft mag man im Urlaub als entspannendes Idyll empfinden. Daheim im Alltag können Tierlärm und Fäkaliengerüche aber den nachbarschaftlichen Frieden auch in Gladbeck erheblich belasten. Ein aktueller Zwist im Stadtsüden rückt die Frage ins Licht: Welche Tierhaltung ist in einem reinen Wohngebiet überhaupt erlaubt?

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Nachbarn haben sich mit einem Schreiben an die WAZ gewand. Ein Mitbewohner in der Siedlung „quäle“ sie mit seine Tierbestand. Morgens um sechs Uhr würden die Hähne krähen. Das Aufkommen von Ungeziefer wie Fliegen und Ratten habe im Umfeld der Bestallungen zugenommen. Den Tierbestand schätze man dreistellig ein. Nach Informationen der WAZ werden auf dem Gartengrundstück Rassegeflügel, Rassekaninchen und Rassetauben gehalten. Über eine Satellitenansicht sind gut die rückliegenden Gärten der Nachbarn zu sehen, die vom Karree der Wohnbebauung umschlossen werden. Inmitten der Rasenflächen ist zudem deutlich die große, erdige Haltungsfläche zu erkennen, auf der die Hähne krähen.

Die Stadtverwaltung bestätigt Kontrollen und Gespräche

Werden Hühner und Hähne in einem reinen Wohngebiet gehalten, sollten sie eine bestimmte Anzahl nicht überschreiten (Symbolbild).
Werden Hühner und Hähne in einem reinen Wohngebiet gehalten, sollten sie eine bestimmte Anzahl nicht überschreiten (Symbolbild). © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Die genervten Beschwerdeführer sagen, sie hätten das Ordnungsamt eingeschaltet, ohne einen langfristigen Erfolg. Die Stadtverwaltung bestätigt Kontrollen und Gespräche, geht auf den Fall aus Datenschutzgründen aber nicht konkret ein. Grundsätzlich sei es so, sagt Pressesprecher David Hennig, dass „Kleintierhaltung, die den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung nicht sprengt, zulässig ist“. Für die Kleintierhaltung sei die Baunutzungsverordnung maßgeblich, „die aber leider keine exakte Tierzahl oder sonstige Größenmaßstäbe als Höchstmaß angibt“. Die Bauaufsicht müsse sich so stets am Einzelfall orientieren.

Bei der Einzelfallbetrachtung seien dann „eine Vielzahl von Kriterien und Fragen zu berücksichtigen“, sagt Hennig weiter. Er listet auf: Handelt es sich um ein reines oder ein allgemeines Wohngebiet? Wie groß ist das Grundstück, wie die Abstände zu Nachbarn? Findet die Tierhaltung im Wohnhaus, einem Zwinger, einer Voliere, einem Stall oder im Freien statt? Um welche Tierart handelt es sich? Und auch hier seien weitere Untergliederungen möglich oder nötig. Etwa, ob es sich sich um Hühner oder Hähne handele, letztere seien ja in der Lautstärke oft problematischer. Auch bei regional üblichen oder traditionellen Haltungsformen seien etwas großzügigere Maßstäbe anzulegen. „In Bergarbeitersiedlungen zum Beispiel bezogen auf die Taubenhaltung“, so Hennig, der zu Fragen zur Tierhaltung auf das zuständige Kreisveterinäramt verweist.

Das Kreisveterinäramt kümmert sich um den Tierschutz und das Tierwohl

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Die Zuständigkeit bestätigt die Pressesprecherin der Kreisverwaltung, Lena Heimers. Dabei gehe es in erster Linie aber um das Tierwohl. Somit indirekt auch um die Anzahl der Tiere, wenn zum Beispiel bestimmte Mindest-Stallungsgrößen je gehaltenem Exemplar einer Art vorgeschrieben seien. „Das Veterinäramt prüft ob diese Vorgaben, etwa bezogen auf die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, eingehalten werden. Zum Beispiel, ob für die gehaltene Anzahl der Tiere die Stallgröße ausreicht“, so Heimers.

Katzen und Hunde beliebteste Haustiere

Die beliebtesten Haustiere in Deutschland sind Katzen (16,7 Millionen in 2021) und Hunde (10,3 Mio). In einem Wohngebiet mit Einfamilien- und Reihenhäusern sowie Gärten gehört eine Katze mit Freilauf zur Lebensführung, sagt der Verband Wohneigentum. So muss ein Eigentümer die Katze seines Nachbarn grundsätzlich auf seinem Grundstück dulden. Vom Katzenbesitzer kann indes Schadenersatz verlangen werden, wenn dessen Katze beispielsweise den Singvogel in der Außenvoliere auf dem Gewissen hat.

Gelegentliches Hundegebell in der Nachbarschaft gelte als gemeinverträglich. Fest stehe aber, so der Verband Wohneigentum weiter, dass Hundebesitzer dafür Sorge tragen müssen, dass ihre bellenden Vierbeiner während der üblichen Ruhezeiten (13 bis 15 Uhr und zur Nachtzeit von 22 bis 7 Uhr) im Haus gehalten werden. Da Hundekot im Vorgarten auch eine Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 BGB darstellt, können Hausbesitzer die Beseitigung und künftige Unterlassung verlangen.

Auch, wie der Zustand der Tiere hinsichtlich Ernährung und Allgemeinzustand ist, könne kontrolliert werden. Inwieweit bestimmte Arten wo und wie gehalten werden dürfen, sei an anderer Stelle zu klären, etwa über das Bauamt (Auflagen Bebauungsplan) oder das Ordnungsamt der Stadt.

Auch wenn Pressesprecher Hennig auf die Einzelfallklärung verweist, gibt es freilich viele ähnlich gelagerte Fälle wie den Gladbecker Nachbarschaftsstreit, zu denen bereits Richter geurteilt haben. Sie können den Gladbecker Aufsichtsbehörden und auch Tierfreunden als Richtschnur dienen. Der Verein „Pro Vieh“ sagt, dass es „vor allem zur Belästigung durch krähende Hähne in Wohngebieten eine Fülle gerichtlicher Entscheidungen gibt“. Teilweise seien regelrecht Stundenpläne festgelegt worden, „wann ein Hahn krähen darf, und wann er für die Nachbarn unhörbar, also im schalldicht isolierten Stall, einzusperren ist“. Als Faustregel gelte: In der Zeit von 19 Uhr am Abend bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr solle besser kein Weckruf erschallen. Das Oberverwaltungsgericht NRW hat dazu einen Entscheid des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf bestätigt (Aktenzeichen 10 A 2220/02). In einem reinen Wohngebiet wurde es demnach einem Halter untersagt, Rassegeflügel mit vier Hähnen zu halten. Denn dies überschreite nach Art und Umfang das Maß dessen, was in einem reinen Wohngebiet allgemein üblich sei und bewirke Belästigungen und Störungen, die in dem Baugebiet unzumutbar seien.

Gerichtsurteile legen schon fest, welche Tierhaltung im Wohngebiet verboten ist

Die Hängebauchschweine Eber „Bilbao“ (Bild) und Sau „Mubi“ lebten seit fünf Jahren im Garten ihrer Halterin in Recklinghausen, bis Beschwerden von Nachbarn und ein Richterspruch der Haltung im Wohngebiet eine Ende machten.
Die Hängebauchschweine Eber „Bilbao“ (Bild) und Sau „Mubi“ lebten seit fünf Jahren im Garten ihrer Halterin in Recklinghausen, bis Beschwerden von Nachbarn und ein Richterspruch der Haltung im Wohngebiet eine Ende machten. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Pro Vieh verweist aber auch auf Gerichtsurteile, wonach das Halten von sieben Hennen und einem Hahn in einem reinen Wohngebiet ohne Bedenken möglich ist. Anlagen für die Kleintierhaltung seien in einem reinen Wohngebiet jederzeit zulässig, wenn das Gebot der Rücksichtnahme beachtet werde, „also die Ausmaße der Tierhaltung nicht überzogen sind“. Zu einer Höchstzahl, bezogen auf das Geflügel, nennen die Tierfreunde auch richterliche Entscheidungen. So gelte eine Hühnerschar von 20 Hennen und einem Hahn vor Gericht noch als angemessen (OVG Rheinland-Pfalz Az. 8 B 11048/06). Das Halten von größeren Tieren wie Schafe, Ziegen oder Esel, sagt der Verband Wohneigentum, sei im heimischen Garten allerdings an besondere Auflagen gebunden, „die sich in der Regel im reinen Wohngebiet nur schwer erfüllen lassen“.

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Dass es hierzu durchaus große Tierliebe auch vor Ort gibt, berichtet Lena Heimers. Der Kreis erhalte zum Beispiel „im Jahr allein sieben bis acht Anfragen von Privatleuten, die auf ihrem Grundstück ein Mini-Pig oder Hängebauchschwein halten möchten. Wir verweisen dann darauf, dass die Anzahl der gehaltenen Schweine (wie auch Geflügel, Gehegewild, Ziegen, Schafe, Pferde oder Bienen) jährlich der Tierseuchenkasse gemeldet werden muss.“ Zur Haltung von Schweinen in einem Wohngebiet in Recklinghausen habe es Ende des Vorjahres auch einen Richterspruch gegeben. Das Oberverwaltungsgericht NRW bestätigte den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, dass zwei Hängebauchschweine nicht im Garten eines Wohngrundstücks gehalten werden dürfen (Az. 10 B 1092/22). Nachbarn hatten sich über eine erhöhte Geruchsbelästigung beschwert. Der Beschluss ist unanfechtbar.