Gladbeck. Der erste Altweiber-Karneval in Gladbeck seit Jahren: Grund zur Freude. Wie beim Umzug durch die Innenstadt und beim Rathaussturm gefeiert wurde.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Rathaussturm. Am Donnerstag, Altweiber also, sammeln sich die Wittringer Ritter am Oberhof. Samt befreundeter Jecken. Die Luft knistert. Für Prinz Volker I. und Prinzessin Tine I., für die Mitglieder des einzigen Gladbecker Karnevalsvereins steht sozusagen etwas auf dem Spiel. Eine schwere Last liegt auf den uniformierten Schultern: Das erste „richtige“ Altweiber seit Corona und Krieg.

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Sollte es Sorgen gegeben haben, den Gladbeckern sei in den vergangenen Jahren die Lust am Karneval vergangen: Sie waren unbegründet. Als sich der kleine Zug in Bewegung setzt, den wirklich ausgezeichneten Musikzug Essen-Frohnhausen im Rücken, hält das Leben in der Gladbecker City einen Moment inne. Passanten, Geschäftsleute, Kindergartenkinder, zusammengepfercht in übergroßen Bollerwagen. Was sie eint: strahlende Augen. Als hätte der Karnevalszug das Leben in die Innenstadt zurückgebracht.

Die Magie am Rande des Gladbecker Karnevalszugs

Denn was am Rande des Zuges passiert, wärmt selbst einem eingefleischten Karnevalsmuffel das eisige Herz. Kinder, die das erste Mal Karneval erleben und denen wortwörtlich der Mund offensteht. Der Vater, der seinen klitzekleinen Sohn in die Gruppe der Cheerleader-Funkemariechen trägt und ihn mittanzen lässt. Die Zeugen Jehovas, die es mit Ekstase ja nicht so haben. Und sich ihren Rollator mit den Sektenheftchen schnappen und verduften, als der Karnevalszug auf den Markt zusteuert.

So viel Frohsinn. Ungekünstelt. Da sollte der Zug eigentlich gar nicht zu Ende gehen. Muss er aber. Denn die Wittringer Ritter und ihre Vasallen haben ein Ziel, das Rathaus. Das ist schon zu einer amtlichen Festung aufgerüstet worden, ganz so einfach sollen es Prinzessin Tine und die anderen Frauen ja nicht haben. Bürgermeisterin Bettina Weist thront hoch oben auf dem Balkon. Verkleidet als Burgfräulein, passenderweise.

„Manitou“ bricht den Widerstand am Gladbecker Rathaus

Bevor die Verhandlung um den Schlüssel zum Rathaus losgeht, muss das Burgfräulein noch etwas loswerden. „Wir können mal wieder richtig feiern.“ Nagel auf den Kopf getroffen. Das kollektive Durchatmen nach entbehrungsreichen Jahren, es wird vor dem Gladbecker Rathaus zur wohlig-sanften Brise.

Manitou sei Dank. Mit dieser Hebebühne konnte die Gladbecker Karnevalsprinzessin Tine I. (rechts) Bürgermeisterin Bettina Weist überzeugen, das Rathaus den Narren zu überlassen.
Manitou sei Dank. Mit dieser Hebebühne konnte die Gladbecker Karnevalsprinzessin Tine I. (rechts) Bürgermeisterin Bettina Weist überzeugen, das Rathaus den Narren zu überlassen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Aber ans Eingemachte: Weist gibt ihr Bestes, will die Streitmacht der Wittringer Ritter und der freien Gladbecker Karnevalisten mit Konfetti zurücktreiben, mit Federn. Funktioniert nur bedingt. Also plündert sie die Schatzkammer, doch selbst Gold und Juwelen bringen Prinzessin Tines Entschlossenheit nicht ins Wanken. Den Gnadenstoß versetzt ihr der „Manitou“. Groß und rot. Eine Hebebühne mit Teleskoparm, bereit, die Prinzessin über das Rathaustor zu heben. Burgfräulein Bettina gibt klein bei, bevor der Manitou Ernst machen muss.

Karneval wider den Krieg

Das Rathaus steht weit offen, und nach einer wahren Orden-Orgie dürfen die Karnevalisten dann auch rein. Drinnen quetschen sich die Jecken dicht an dicht. Keine Angst vor Corona mehr? „Ist mir jetzt ehrlich gesagt egal“, brüllt Gerti über das Gejaule von „Brings“ aus den Boxen. Und der Krieg? „Wenigstens für ein paar Stunden nicht daran denken. Das ist schön.“

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Bettina Weist jedenfalls genießt das erste „richtige“ Altweiber ihrer Amtszeit. Ein kleiner Discofox hier, ein Selfie da. „Ich war ziemlich aufgeregt“, sagt sie. Die Aufregung ist einem breiten Lächeln gewichen. „Die Leute freuen sich, wieder feiern zu können. Und das wiederum freut mich.“