Gladbeck. Hilfe bei Behördengängen, Kita-Beratung, Jobsuche: Das Büro im Hochhaus Steinstraße bietet den Bewohnern Hilfe. So wird das Angebot angenommen.
Ende September 2022 hat das städtische Büro im Problemhochhaus Steinstraße 72 seine Tür geöffnet. Seitdem ist die Zweieinhalbzimmer-Wohnung, die die Stadt Gladbeck gekauft und renoviert hat, Anlaufstelle vor allem für die Bewohner des Hochhauses. Sie kommen überwiegend aus Osteuropa, finden in der kleinen Wohnung in der neunten Etage seitdem Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die ihnen Hilfe, Orientierung und Beratung bieten wollen. Im Gespräch mit der WAZ-Lokalredaktion berichtet das Team, was sich seit dem Start des Angebotes getan hat.
Zu Anfang ist Danair Veselinow regelmäßig um das Hochhaus herumgegangen, das im kleinen Stadtteil Butendorf so viele Probleme bereitet. Er hat die Kinder aus dem Haus angesprochen, sie auf das neue Angebot in der neunten Etage aufmerksam gemacht. Dass Veselinov sich mit vielen Bewohnern in deren Muttersprache verständigen kann, ist dabei sehr hilfreich.
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Mit kleinen Schritten eine Verbesserung erreichen in Gladbecks Problemhochhaus
Und die Jungen und Mädchen aus dem Hochhaus, sie kamen und kommen tatsächlich in die kleine Wohnung der Stadt, um dort zu spielen und sich bei den Hausaufgaben helfen zu lassen. „Und mit den Kindern erschienen dann auch die Eltern“, so Danair Veselinow von der rebeq (Beratung, Bildung, Arbeit). Das sagt er nicht ohne einen gewissen Stolz, denn es sind die kleinen Schritte, die in dem Problemhochhaus zum Erfolg, zur Verbesserung der Situation für alle führen.
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Um die 320 Beratungen, erklärt Stadtsprecher David Hennig, haben seit Büroeröffnung in der städtischen Wohnungen stattgefunden. Mit ihrem hellen Laminatboden, den frisch gestrichenen Wänden und der neuen Möblierung stechen die 65 Quadratmeter fast schon leuchtend aus dem schmuddeligen, heruntergekommenen großen Rest des Hochhauses hervor. Allein auf der neunten Etage stehen drei Einkaufswagen in Aufzugnähe, daneben ein altes braunes Sofa. Die Tür des Aufzugs lässt sich nur schwer öffnen. Richtig gern betritt man die schmutzige Kabine nicht. Den Eingangsbereich des Hauses – die Tür steht wohl immer offen – auch nicht.
Mundpropaganda im Hochhaus gibt es bereits für das Beratungsbüro der Stadt Gladbeck
Doch immerhin: Vor der städtischen Wohnung warten an diesem klirrekalten aber sonnigen Tag bereits drei Frauen. Zwei haben Behördenschreiben in der Hand. „Mittlerweile ist es so, dass die Mieter sich auch untereinander auf das Büro aufmerksam machen, wenn jemand Hilfe benötigt“, sagt Mathias Stratmann, der für den Verein RE/init das Projekt NetVest an der Steinstraße leitet. Der Experte ist überzeugt: Diese Art der Mundpropaganda ist die beste Werbung überhaupt! Dass diese Form der sozialen Hilfestellung enorm wichtig ist, steht für Stratmann fest. „Wir haben hier Kinder sitzen gehabt, die schon lange in Deutschland zur Schule gehen und trotzdem kaum ein Wort Deutsch sprechen. Das darf nicht sein.“
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Das Beratungsangebot, dass die Stadtverwaltung gemeinsam mit Partnern wie RE/init, rebeq, den Falken und weiteren Vereinen und Organisationen bietet, ist dementsprechend umfangreich. Wer wann mit welchem Angebot vor Ort ist, wird in einem Stundenplan festgehalten. Doch auch wenn der richtige Ansprechpartner gerade nicht im Haus ist – es wird niemand weggeschickt, der an der Tür klingelt. Weil das Team sich freut über jeden, der den Kontakt sucht.
Nachbarn beschweren sich seit Jahren über Lärm, Müll und vieles mehr
Was das Büro alles bietet
Im Beratungs- und Informationsbüro der Stadt Gladbeck im Hochhaus Steinstraße 72 sind vertreten: das Amt für Soziales und Wohnen, die VHS, die Falken, das kommunale Integrationsmanagement (KIM), das Landesprojekt Süd-Ost-Europa, die rebeq, der Verein RE/init, das Jobcenter sowie das Amt für Bildung und Erziehung. Zudem gibt es ein Kita-Einstiegsangebot.
Auch der KOD ist regelmäßig vor Ort. Allerdings sind die Teams meistens im und am Haus unterwegs und deshalb nicht im Büro, um mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen – über Probleme wie Lärm, Müll, Parken und Hundehaltung beispielsweise.
Auch die Anwohner sind nach wie vor eingeladen, das städtische Büro in der neunten Etage aufzusuchen.
Rat und Hilfe gibt es für fast alle Lebensbereiche und in vielen Sprachen. Unterstützung für die Menschen, die noch nicht wirklich in ihrer neuen Heimat Deutschland angekommen sind, sich vielleicht auch nicht immer alle an die hier geltenden Regeln und Gesetze halten. Da sind Konflikte vorprogrammiert. Auch mit den Nachbarn des Problemhochhauses, die sich seit etlichen Jahren über Lärm, Müll und vieles mehr beschweren.
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„Natürlich werden wir die Probleme hier nicht von heute auf morgen lösen können. Aber das Büro zu eröffnen, war genau richtig. Wir sind auf einem guten Weg“, betont Anja Venhoff vom städtischen Amt für Migration und Zusammenleben. Dass neben der Gladbecker Verwaltung noch Beratungsangebote von weiteren Stellen an der Steinstraße 72 mit ins Boot geholt werden konnten, ist für sie eine echte Bereicherung. „So profitieren wir hier auch von den Erfahrungen, die vielleicht schon in anderen Kommunen mit ähnlichen Projekten gemacht wurden.“ In fast jeder Stadt gebe es schließlich mindestens ein solches Problemhaus.
Alle zu erreichen mit dem Beratungsangebot – das ist kaum möglich
Und auch das ist ihr wichtig: „An der Steinstraße 72 fliegen nicht täglich Müll und Möbel aus den Fenstern. Natürlich ist es schon vorgekommen, aber es ist nicht die Regel.“ Und keiner aus dem Büro-Team habe bislang im Haus eine ablehnende oder sogar feindliche Haltung zu spüren bekommen. Das zu betonen, liegt Venhoff am Herzen. Klar werde man niemals alle erreichen, aber das sei ja überall so. Genau in dem Moment klopft es an der Haustür und eine junge Frau huscht in das kleine Beratungszimmer links von der Küche. Auch sie hat ein Schreiben vom Amt dabei.