Gladbeck. Schülerinnen und Schüler weiterführender Gladbecker Schulen haben sich mit den Schicksalen ehemaliger jüdische Mitbürger beschäftigt.

Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 ist seit 1996 in der Bundesrepublik ein gesetzlich verankerter Gedenktag und wird seit 2005 international begangen. Das Gladbecker Bündnis für Courage erinnerte mit Gladbecker SchülerInnen und der Gastrednerin Dr. Kathrin Pieren, Leiterin des jüdischen Museums Westfalen in Dorsten, an die durch die Nazis entrechteten, gequälten und ermordeten Menschen.

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Die Gedenkfeier fand in der Aula der Waldorfschule Gladbeck statt. Marie und Sophie Schmidt (Klavier) und Anna Nehm (Klarinette) begleiteten die Veranstaltung musikalisch. Roger Kreft vom Gladbecker Bündnis für Courage moderierte das Gedenken. Er betonte, wie wichtig es sei ein Zeichen gegen den Nationalsozialismus zu setzen. Er warnte vor Verharmlosung und Ignoranz „Das Gedenken an Auschwitz verpflichtet uns alle,“ sagte er.

Es ist auch heute wichtig, den Feinden der Demokratie entgegen zu treten

In der Aula der Waldorfschule in Gladbeck fand die Holocaust-Gedenkveranstaltung statt.
In der Aula der Waldorfschule in Gladbeck fand die Holocaust-Gedenkveranstaltung statt. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Bürgermeisterin Bettina Weist verwies auf die Gladbecker Erklärung, als von der Stadtgesellschaft erarbeitetes Integrationskonzept, wie Menschen in Gladbeck zusammenleben wollen. Sie erklärte, wie wichtig es sei, den Feinden der Demokratie entgegenzutreten. Das Gedenken an den Holocaust sei ein Nachdenken mit Orientierung für die Zukunft. Dr. Kathrin Pieren, Leiterin des Jüdischen Museum in Dorsten las in ihrer Gedenkrede aus den Erinnerungen von Günter Katzenstein, der nach der Pogromnacht 14 Lager überlebt hatte. Er hatte 1966 in einem Brief einem Jugendfreund in Düsseldorf geantwortet. „Nur eines möchte ich Dich bitten mir nicht zu schreiben und das ist: Wir konnten nichts machen oder wir haben nichts davon gewusst.“

Die Gastrednerin mahnte, dass auch heute oft noch von der Gesellschaft weggeschaut würde. Sie nannte als Beispiel Kim de l’Horizon, genderfluide nichtbinäre Person und Preisträgerin des Deutschen Buchpreises mit ihrem Roman Blutbuch. Die mehrfach wegen ihrer sexuellen Orientierung bedroht worden sei. Und unter den Rezessionen seines Romans auf der Homepage eines großen Internethandels, seien bis heute Hassbotschaften zu lesen. Die Museumsleiterin erklärte weiter, dass erst jetzt im Bundestag der wegen ihrer sexuellen Orientierung durch die NS-Verfolgten gedacht wurde und mahnte: „Sorgen sie dafür, dass sich alle Menschen frei und sorglos bewegen können. Wehren Sie sich, wenn Sie Zeugen von Unrecht werden.“

Schülerinnen und Schüler lassen die Geschichte von Rolf Abrahamsohn „nicht sterben“

Dr. Kathrin Pieren (jüd. Museum Westfalen) kritisierte ihrer Gedenkrede, dass die Gesellschaft auch heute noch oft wegschaut, wenn Minderheiten diskriminiert werden.
Dr. Kathrin Pieren (jüd. Museum Westfalen) kritisierte ihrer Gedenkrede, dass die Gesellschaft auch heute noch oft wegschaut, wenn Minderheiten diskriminiert werden. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Unter dem Motto „Jetzt ist es an uns diese Geschichte nicht sterben zu lassen,“ erinnerten SchülerInnen des Ratsgymnasiums in einem bewegenden Bildvortrag an Rolf Abrahamsohn, der Ende 2021 mit 96 Jahren starb und als Holocaust-Überlebender auch Gladbecker Schülern von seinem Schicksal berichtet hatte. Der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Marl wurde aus dem Elternhaus vertrieben. Als einziger aus seiner Familie überlebte er Zwangsarbeit, Deportation und KZ. Er kehrte dennoch nach Marl zurück. Bis zu seinem Tod 2021 berichtete er über seine Erfahrungen und war aktiv in der christlich jüdischen Verständigung. SchülerInnen der Waldorfschule rezitierten Augenzeugenberichte aus Auschwitz. Dabei wurde bewusst, wie sadistisch und grausam die NS-Schergen gehandelt hatten und welche unheilbaren Trauma dies auch bei den Überlebenden ausgelöst hat. Eine Überlebende berichtet, dass sie nicht mehr den Geruch von Bratwurst ertragen könne, weil er sie an verbranntes Menschenfleisch erinnere.

SchülerInnen des Heisenberggymnasiums erzählten von den Eindrücken einer Fahrt nach Buchenwald. Anhand von selbst ausgesuchten Fotos erklärten sie, was sie besonders berührt und betroffen gemacht hatte. Die Grausamkeit der Peiniger und die Leiden der Opfer wurden durch die Fotos gezeigt. So zeigt eins von ihnen die Eisenbahnrampe an der die Häftlinge wie Vieh aus den Güterzügen herausgetrieben wurden. Kreft bedauerte im Anschluss an die bewegende Veranstaltung, dass nicht mehr Mitglieder des Rats und der Parteien Gladbecks den Weg zur Gedenkveranstaltung gefunden hatten.

Sechs weiterführende Schulen beteiligten sich an der Reinigung der Stolpersteine

Schülerinnen und Schüler der Klasse 9D des Riesener-Gymnasiums waren in der Fußgängerzone unterwegs, um die Stolpersteine zu reinigen. die an die Schicksale hier einst lebender jüdische Mitbürger erinnern, und um Rosen im Gedenken niederzulegen.
Schülerinnen und Schüler der Klasse 9D des Riesener-Gymnasiums waren in der Fußgängerzone unterwegs, um die Stolpersteine zu reinigen. die an die Schicksale hier einst lebender jüdische Mitbürger erinnern, und um Rosen im Gedenken niederzulegen. © WAZ | Esser

Anlässlich des Gedenktages hatten sich auch sechs weiterführende Schulen, Einzelpersonen und der Verein Denk Dran an der Reinigung der 118 Stolpersteine beteiligt, die im Stadtgebiet zur Erinnerung an hier einst lebende jüdische Mitbürger vor ihren damaligen Wohnhausstandorten verlegt wurden. Die Beteiligten erinnerten in kurzen Vorträgen an die Schicksale. Bürgermeisterin Bettina Weist begleitete Schülern und Schülerinnen der Erich-Fried-Schule.