Gladbeck. Welche Folgen hat Corona für Kinder? Gladbeck befragt nun Viertklässler nach ihren Erfahrungen. Danach soll es dann konkrete Hilfen geben.
Psychische Auffälligkeiten, Schwierigkeiten in der Schule und körperliche Leiden wie Übergewicht haben auch in Gladbecker Grundschulklassen als Folgen der Coronapandemie zugenommen. Stadtverwaltung wie Lokalpolitik sind sich einig, dort Unterstützung leisten zu wollen. Dazu sollen Grundschulkinder jetzt als Experten selbst zu Wort kommen, was Corona mit ihnen gemacht hat. Dazu wird das Instrument UWE für eine Befragung angewandt, um Handlungsoptionen herauszukristallisieren und sinnvoll Hilfe leisten zu können.
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Nadine Müller, Sachgebietsleiterin Kommunale Bildungsprozesse, erläuterte im Schulausschuss weitere Einzelheiten zum Projekt. UWE steht für Umwelt, Wohlbefinden und Entwicklung und ist ein Instrument für die Schul- und Stadtentwicklung. Kern des UWE-Prozesses ist eine stadtweite Befragung von rund 790 Kindern der vierten Klassen in Gladbeck über Online-Fragebögen. UWE fragt die Kinder, wie es ihnen geht – in der Schule, der Nachbarschaft, ihrer Familie und ihrem Freundeskreis – und nimmt sie damit als Experten für ihre Lebenswelt ernst.
Fünf Themenbereiche gibt es. Zunächst Aspekte der „sozialen und emotionalen Entwicklung“ (Selbstwert, Glück, Empathie, Sozialverhalten, Traurigkeit, Sorgen), zudem „Beziehungen“ (zu Erwachsenen und zu Gleichaltrigen daheim in Schule und Nachbarschaft). In weiteren Bereichen geht es um „Schulerfahrungen“ (Schulklima, Zugehörigkeitsgefühl, Zukunftsplanung, Druck und Diskriminierung), „Körperliche Gesundheit und Wohlbefinden“ (Körperwahrnehmung, Ernährungs- und Schlafgewohnheiten) sowie um das „Freizeitverhalten“ der Befragten (Sport, Musik, Kunst, Zeit für Hausaufgaben, Fernsehen, Videospiele).
UWE ist ein Monitoring-Instrument, das am Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (Zefir) der Ruhruni in Bochum entwickelt und wissenschaftlich begleitet sowie anonymisiert ausgewertet wird. Die Ergebnisse werden mit weiteren Informationen zu den Schulen und Quartieren in einen Zusammenhang gebracht und den beteiligten Kommunen berichtet. Die konkrete Perspektive der Kinder kann dann sinnvoll eingebunden werden, um vor Ort Strategien zu entwickeln, damit ihre Lebens- und Bildungssituation weiter verbessert werden kann. Der Verein „Familiengerechte Kommune“ führt UWE aus und begleitet durch den ganzen Prozess, das Projekt wird finanziell von der Bertelsmann-Stiftung als Drittmittelgeber unterstützt.
Jede beteiligte Grundschule führt einen eigenen Workshop zu UWE durch
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Nadine Müller stellte das weitere mögliche Vorgehen im kommenden Jahr dar. Nach der Befragungsrunde werden die Gladbecker UWE-Ergebnisse im nächsten Schritt ausgewertet und mit wissenschaftlicher Unterstützung als Schul- und Stadtberichtet aufbereitet. Ganz wichtig sei dann auch die Einordnung der Ergebnisse mit den beteiligten Schulen. „Jede Schule bekommt einen eigenen Workshop.“ Im zweiten Schritt sollen dann konkrete Programme mit den Schulen besprochen werden, unter Einbeziehung weiterer lokaler Akteure vor Ort. „UWE wäre die Stimme der Kinder für Sozialraumplanung und zielgerichtetere Werkstattarbeit um Präventionsmaßnahmen orientiert an den Bedarfen der Kinder zu entwickeln“, so Müller. Dazu soll es dann im kommenden Jahr auch ein großes UWE-Netzwerktreffen im Rahmen einer Bildungskonferenz geben, auf der sich Schulen und kommunale Akteure des Gladbecker Bündnisses für Familien austauschen, darunter etwa Schulverwaltung, Bildungsbüro, Integrationszentrum oder Jugendamt.
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Gladbeck hat eine große Bandbreite an sozial-ökonomischen Herausforderungen, die viele Kinder und Jugendliche im familiären Kontext meistern müssen. Sowohl Kinderarmut, Migrationshintergrund, ausländische Staatsbürgerschaft, Neuzuwanderung, geringer Bildungsstatus bzw. Leistungsbezüge der Eltern sind im Vergleich zum NRW- und deutschlandweiten Durchschnitt signifikant erhöht. Die Coronapandemie hat in besonderem Maße dazu beigetragen, dass Kinder und Jugendliche zusätzliche Verluste in ihrer sozialen, emotionalen und körperlichen Entwicklung erleiden mussten. Besonders stark betroffen sind Kinder und Jugendliche aus sozial-ökonomisch schwachen Elternhäusern.
Die Finanzierung des einjährigen Projektes ist bereits gesichert
Das Projekt UWE ist auf einen Zeitraum von einem Jahr ausgerichtet, der Schulausschuss stimmte der Durchführung 2023 einstimmig zu. Die Projektkosten betragen 46.543,49 Euro. Der Haupt-, Finanz-und Digitalausschuss hat die benötigten Mittel aus dem Fonds „Gladbecker Bündnis für Familie – Erziehung, Bildung, Zukunft“ freigegeben.