Gladbeck. Das Leben von jungen Menschen hat sich in der Corona-Pandemie stark verändert. Kinder und Jugendliche aus Gladbeck berichten von ihrem Alltag.

Kinder- und Jugendpsychologen und auch der Gladbecker Arzt Carsten Rothert berichten, dass die Corona-Beschränkungen junge Menschen belasten und stressen können. Die WAZ sprach mit Mitgliedern des Gladbecker Jugendrates darüber, wie die Corona-Pandemie ihr Leben verändert hat.

Sarah Kimmeskamp, Kinder- und Jugendbeauftragte der Stadt, hat an den weiterführenden Schulen gewählte Jugendvertreter angesprochen, ob sie der WAZ ihren Corona-Alltag schildern wollen. Letztlich mit dabei sind Veit (13), Dakota (14, beide achte Klasse Riesener Gymnasium), Marina (20, studiert Lehramt Sek. II) und Mats (13, Heisenberg-Gymnasium).

Der direkte Kontakt zu Freunden und Kommilitonen fehlt

Fröhliche Polonaise zum Abschluss der Konferenz der AG Mädchen unter dem Titel „Girls for future“ im Café 3Eck. Sein Hauptquartier in der Stadtmitte kann der Jugendrat zurzeit coronabedingt nicht nutzen.
Fröhliche Polonaise zum Abschluss der Konferenz der AG Mädchen unter dem Titel „Girls for future“ im Café 3Eck. Sein Hauptquartier in der Stadtmitte kann der Jugendrat zurzeit coronabedingt nicht nutzen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Marina erzählt, dass sie „seit einem Jahr Uni via Homeoffice macht“. Das zwanglose Campusleben, ihre gesellschaftlichen Aktivitäten, der direkte Kontakt zu Kommilitonen und Freunden fehlen ihr. „Losere Kontakte schlafen ein und man fragt sich, ob man das je noch mal hinbekommt, dass es wieder so wird wie vor Corona.“ Im Heimstudium sei ein Tag wie der andere. „Man wird träger, hat durch die Isolation vermeintlich den ganzen Tag Zeit und schiebt so gerne auch mal Aufgaben weiter, die man ja später erledigen kann.“ Das viele Stubenhocken habe bei ihr auch gesundheitliche Auswirkungen, „ich habe extremste Rückenschmerzen, die ich nicht loswerde“. Die Isolation führe langsam zum Lagerkoller. Sie halte sich aber strikt an die Distanzvorschriften und Schutzregeln, sagt Marina. Denn aufgrund eines Coronaverdachtes im familiären Umfeld habe sie schon mal fünf Tage in die Quarantäne gemusst und „allein an die Wohnung gefesselt zu sein“, das brauche sie nicht noch mal.

Den Distanzunterricht in der Schule findet Veit „mal blöd, mal gut“, je nachdem wie es gelingt, den Unterrichtsstoff online zu vermitteln. Er empfindet es als Vorteil, Zuhause etwas freier zu sein, sich selbst den Tag mit Lernen und Pausen einteilen zu können. Klar sei es doof, die Schulfreunde nicht real sehen zu können, „aber immerhin kann man sich online zum Reden treffen“. In seiner Klasse hätten gefühlt 98 Prozent einen Laptop oder PC, so dass es auch da mit der Technik gut funktioniere. Zudem wohnten viele Klassenkameraden in der Nachbarschaft, „die man so ab und zu mal treffen kann“.

Auch interessant

Instabiles Internet wird zum Angstfaktor vor Klausuren

Vor der Pandemie eher genutzt für Spielespaß und Unterhaltung, ist das Internet in der Corona-Pandemie quasi zur wichtigen virenfreien Lebensader in Sachen Unterricht und privater Kommunikation geworden. Wenn die Verbindung denn funktioniert und in der Qualität ausreichend stabil ist. Sie könne bei Online-Klausuren zum Angst- und zusätzlichen Stressfaktor werden, oder Ausschlussfaktor sein, wie bei Azubi Justin (19), der es nicht schafft, sich in die Videokonferenz mit der WAZ einzuwählen. Auch Sarah Kimmeskamp hat Probleme, ihre Stimme kommt nur verzerrt an. Sie informiert so schriftlich im Chat, dass der Jugendrat durchgehend Kontakt über den Messengerdienst WhatsApp hält und jeden Dienstag AG-Treffen via Video-Konferenz stattfinden.

Junge Gladbecker reden in der Politik mit

Den Gladbecker Jugendrat gibt es seit 2006. Er besteht aus 62 direkt gewählten Mitgliedern und tagt unter normalen Umständen viermal im Jahr im Ratssaal unter Vorsitz der Bürgermeisterin. Die Mitglieder beraten über Themen, die sie zuvor in Arbeitsgruppen entwickelt haben. Sie bringen die Ergebnisse der Jugendratsitzungen dann in die Ausschüssen und den Rat der Stadt Gladbeck ein.

Die Wahlen zum Jugendrat finden einmal im Jahr an den weiterführenden Schulen und den Jugendeinrichtungen statt. Im Grunde kann sich jeder Gladbecker im Alter zwischen 10 und 21 Jahren wählen lassen. Weitere Informationen über den Jugendrat gibt es auf der Internetseite des Jugendrates www.jugendrat-gladbeck.de und bei Sarah Kimmeskamp im Rathaus Tel. 99 25 38.

Mats sagt, er sieht seine Freunde „fast nur noch digital“. Auch sein Tennisclub habe wegen Corona zugemacht, das merke er an seiner fehlenden körperlichen Fitness und durch das viele Starren auf den Computerbildschirm würden „oft die Augen brennen“. Einen direkten Lagerkoller habe er noch nicht, „ich fühle mich eingeschränkt, aber nicht eingesperrt“, denn man könne ja noch raus. Die Corona-Pandemie sei eine „echt beschissene Zeit, aber auch eine Erfahrung, von der man lernt“. Denn aufgrund eines schweren Coronafalls in der Familie, wisse er jetzt „die Gesundheit mehr zu schätzen“.

Die Pandemie führt im Privaten zu mehr Isolation

Mittlerweile komme sie mit der Corona-Situation besser klar als beim ersten Lockdown, sagt Dakota. Klar, wenn die Technik bei Lehrern oder Mitschülern nicht funktioniere, nerve das beim Distanzunterricht und sei „zusätzlich anstrengend“. Sie habe sich das Ziel gesetzt ihre Noten zu verbessern, und das klappe mit zusätzlich erledigten Aufgaben gut, so dass sie mittlerweile mehr Motivation habe. Ja, die Pandemie führe auch im Privaten zu mehr Isolation. Mal eben mit Freunden durch die Stadt bummeln zu gehen, „das ist nicht drin“. Und der Kontakt zu den Großeltern fehle. Sie halte schweren Herzens Distanz: „Denn ich möchte auf keinen Fall schuld sein, dass jemand aus meiner Familie wegen mir an Corona erkrankt“.

+++ Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Gladbeck. +++

Durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit hänge man mehr Zuhause rum, könne auch nicht so Dampf gegenüber den Schulfreunden oder Freunden ablassen, wenn daheim etwas nerve. Dadurch gerate man mit den Eltern jetzt häufiger mal wegen Nichtigkeiten aneinander. Aber es sei ja jetzt für alle wichtig, noch etwas diszipliniert durch- und zusammen zu halten, „damit der Lockdown so schnell wie möglich endet“.