Gladbeck. Das Amtsgericht beschäftigt sich mit einem kniffligen Fall der mutmaßlichen Vergewaltigung. Welche Rolle Sexpraktiken und Gehörlosigkeit spielen.

Einvernehmlicher Geschlechtsverkehr oder Vergewaltigung? Was am 3. Oktober 2021 abends auf dem Parkplatz in Gladbeck-Wittringen im Auto des Angeklagten passierte, versucht das Schöffengericht am Amtsgericht jetzt zu klären. Keine einfache Aufgabe, wie sich am ersten Verhandlungstag herausstellte, denn Aussage steht gegen Aussage. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 35 Jahre alten C. vor, eine junge Frau, trotz ihrer Gegenwehr, gewürgt und gewaltsam zum Sex gezwungen zu haben.

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Fest steht: Sie hatten sich im Sommer 2021 über Instagram kennengelernt. In ihren Chats ging es nach übereinstimmender Aussage erst um alltägliche, dann aber auch um sexuelle Themen und Praktiken. Auch anzügliche Fotos wurden ausgetauscht. Beim ersten Treffen, ebenfalls auf besagtem Parkplatz, habe man geredet und Musik gehört, sonst nichts, sagte die Frau als Zeugin. Anders beim zweiten Mal. Sie besuchten ein Restaurant in Bottrop, fuhren dann nach Gladbeck. Schon auf dem Weg habe sie ihn im Genitalbereich berührt, ließ der Angeklagte durch seine Verteidigerin erklären. Alles, was dann passierte, sei einvernehmlich gewesen.

Gladbeck: Konnte der mutmaßliche Täter das „Nein“ der Frau hören?

Danach hätte beide noch eine Zigarette geraucht, und er habe sie nach Hause gefahren. Sie hätten sich geküsst, sagte sie. „Mehr wollte ich an diesem Abend nicht, und zwar nicht, weil ich generell abgeneigt war, sondern weil ich meine Periode hatte. Das habe ich ihm vor dem Treffen unmissverständlich mitgeteilt. Am Wochenende darauf wollte ich bei ihm schlafen.“ Als er sie trotzdem im Auto anfasste und immer heftiger bedrängte, habe sie mehrmals „nein“ gesagt und immer wieder versucht, ihn zurück zu stoßen.„Am Ende habe ich aufgegeben, mich nicht mehr gewehrt, sondern es über mich ergehen lassen.“

Es gibt ein besonderes Problem bei diesem Fall: C. ist seit seiner Kindheit fast taub, kann nur mit Hilfe von Implantaten hören, und die waren an jenem Abend zur Reparatur. Sie musste schreiben, was sie ihm sagen wollte. Es könnte also durchaus sein, dass er ihre verbale Ablehnung nicht wahrgenommen hat. „Auch wenn er nicht verstanden hat, was ich gesagt habe, meine eindeutige Gestik hätte er verstehen müssen“, so die Frau. „Nach dem Chatverlauf zwischen beiden könnte es aber durchaus auch sein, dass ihre Abwehr Bestandteil des Geschlechtsverkehrs war“, gab die Verteidigerin zu bedenken. Noch in derselben Nacht erstattete die junge Frau auf Anraten ihrer Freundin Anzeige gegen den 35-Jährigen. Weil die Polizistin, mit der sie sprach, am ersten Verhandlungstag nicht aus Zeugin erscheinen konnte und auch die Freundin noch gehört werden soll, wurde die Verhandlung unterbrochen.