Gladbeck. Die Caritas Gladbeck investiert in die digitale Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen. Wie das funktioniert und welche Pläne es noch gibt.

Die Digitalisierung der Arbeitsplätze hat in den Caritaswerkstätten an der Mühlenstraße in Gladbeck Einzug gehalten – zumindest im Berufsbildungsbereich (BBB) für die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen. Dort kommt seit einem halben Jahr ein computergestütztes Assistenzsystem zum Erlernen der Arbeitsschritte zum Einsatz. „Wir haben damit bislang sehr gute Erfahrungen gemacht“, zieht Werkstattleiter Oliver Grimm eine erste Bilanz.

Das System sei eine große Hilfe für die Teilnehmer, so Grimm, aber auch für die sie begleitenden hauptamtlichen Kräfte. Peu à peu möchte er die Digitalisierung ausweiten, etwa in die Montage oder den Verpackungsbereich – was aber angesichts hoher Investitionskosten für die Caritaswerkstätten nicht so einfach sei. „Wenn Menschen daran ausgebildet werden, sollten sie danach auch an ihrem festen Arbeitsplatz mit dem System arbeiten können.“ Alles andere wäre ein Rückschritt.

Für das erste IT-Assistenzsystem zahlte die Caritas Gladbeck 40.000 Euro

Vanessa Koselowski ist im Textilbereich an einem rollstuhlgerechten Arbeitsplatz beschäftigt und fertigt Schürzen für den Gastronomiebereich.
Vanessa Koselowski ist im Textilbereich an einem rollstuhlgerechten Arbeitsplatz beschäftigt und fertigt Schürzen für den Gastronomiebereich. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

An dem derzeit einzigen digitalen Ausbildungsarbeitsplatz (Ausstattungskosten 40.000 Euro) können zwölf Menschen mit Behinderungen aus dem gesamten BBB ausgebildet werden. Das Assistenzsystem vermittle präziser und damit in besserer Qualität Wissen, so Markus Schnellert, der in den Werkstätten für den Berufsbildungsbereich verantwortlich zeichnet. Die digitale Unterstützung sei eine Hilfestellung neuer Form, gebe den Teilnehmern eine größere Sicherheit beim Arbeiten und stärke ihre Persönlichkeit.

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Letzten Endes führe es auch zu einer höheren Produktionssicherheit und damit zu besserer Produktqualität, betont Hagen Krawiec, technischer Leiter der Caritaswerkstätten. Das System komme aus der Industrie, wo ähnliche Assistenzsysteme etwa im Automobilbau eingesetzt würden, und sei für den Einsatz in Werkstätten für Menschen mit Handicaps „heruntergebrochen“ worden. Es zeige den Nutzern durch Lichtsensoren die nächsten Arbeitsschritte an und erläutere diese sogar mit Hilfe kleiner Einspielvideos direkt auf dem Arbeitstisch.

Werkstattchef Oliver Grimm: „Das ist der neue Weg in Ausbildung und Produktion, der ist gut, und das müssen wir einfach machen.“ Das sei allerdings angesichts der Krisen nicht so einfach, schließlich müsse die Caritaswerkstätten derartige Investitionen aus eigener Kraft stemmen. „Das müssen die Betriebsergebnisse hergeben.“

Die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise bereiten Sorgen

Daniel Schwan arbeitet im Metallbereich der Werkstätten an einer Zerspanungsmaschine.
Daniel Schwan arbeitet im Metallbereich der Werkstätten an einer Zerspanungsmaschine. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Die Spielräume seien durch die Corona-Pandemie und neuerdings durch den Ukraine-Krieg sowie die Energiekrise allerdings enger geworden, betont auch Krawiec. In der Hochphase der Pandemie habe man alles daran setzen müssen, Auftraggeber nicht zu verlieren. In dem zweimonatigen Betretungsverbots der Werkstätten für die Beschäftigten mit Handicap haben die hauptamtlichen Kräfte die Produktion aufrecht gehalten, um keine Aufträge unerfüllt zu lassen. Mitarbeiter wurden daheim mit einfachen Tätigkeiten versorgt, die sie in Heimarbeit erledigten. „Jetzt hat sich die Lage wieder eingespielt, auch wenn noch nicht ganz die gewohnte Normalität zurückgekehrt ist“, so der technische Leiter.

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Allerdings machen sich nun Beschaffungsprobleme und Materialknappheit in Folge des Ukraine-Krieges vor allem im Metall- und Holzbereich bemerkbar und stören die Produktion. „Inzwischen schlagen Ausfälle bei den Lieferketten voll durch.“ Und letztlich die Energiekrise: „Bei uns haben sich die Stromkosten schon verdreifacht“, berichtet Krawiec, „wir decken unseren Bedarf inzwischen zu Tagespreisen am Spotmarkt.“ Beim Thema Gas sieht es ein wenig anders aus. Krawiec: „An der Mühlenstraße heizen wir mit Fernwärme, allerdings wird die Kontext-Werkstatt an der Haldenstraße mit Gas geheizt.“ Werkstattleiter Grimm: „Wir sind stolz auf unsere Beschäftigten, mit und ohne Handicap, die bislang mit all den Widrigkeiten umzugehen wissen.“

Arbeit für 320 Menschen mit Handicaps

Der Caritasverband ist Träger von zwei Werkstatt-Standorten für Menschen mit Handicaps. An der Mühlenstraße arbeiten in der Hauptwerkstatt auf 9000 Quadratmeter Produktionsfläche 250 Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Sie sind in zwölf Handwerksbereichen tätig. In der Kontext-Werkstatt an der Haldenstraße sind 80 Mitarbeiter mit psychischen Beeinträchtigungen tätig.

Dazu kommen 70 hauptberufliche Caritas-Mitarbeiter, die sich um Menschen an den Arbeitsplätzen als Gruppenleiter, Bildungsbegleiter oder im sozialen Dienst kümmern. Sie werden von einigen Freiwilligendienstleistern unterstützt. „Davon könnten wir noch einige mehr gebrauchen“, bittet Werkstattleiter Oliver Grimm Interessenten, sich zu bewerben.