Gladbeck. Der Landrat des Kreises Recklinghausen bezieht Stellung. Er gibt Antworten zur Zukunft mit Corona, dem Ukraine-Krieg, Investitionen in Gladbeck.
Warum die Kreisverwaltung an der Maskenpflicht festhält, wo weitere Ukraine-Flüchtlinge untergebracht werden können, oder was er von der neuen Landesregierung erwartet, erläutert Landrat Bodo Klimpel (CDU) im Gespräch mit der Redaktion.
Herr Klimpel, im Kreishaus herrscht in der Eingangshalle und auf den Fluren Maskenpflicht. Ist diese Maßnahme noch angemessen?
Ja, denn zum einen stehen wir vor einem schwierigen Corona-Herbst, zum anderen wollen wir als Infektionsschutzbehörde mit gutem Beispiel vorangehen. Um Lockdowns und Schulschließungen vorzubeugen, ist die Maske ein wichtiges Mittel. Vor allem mit einer FFP2-Maske kann man sich selbst und andere vor einer Infektion schützen.
„Nach wie vor sterben Menschen an Corona“
In Ihren Worten schwingt eine Spur Pessimismus mit, der so gar nicht in die aktuelle Zeit passen will, in der fast alle Corona-Beschränkungen aufgehoben worden sind?
Die Inzidenzen sind immer noch hoch und geben noch nicht einmal das wirkliche Geschehen wieder. Denn viele Menschen, die sich infiziert haben, lassen keinen PCR-Test mehr machen und tauchen deshalb auch nicht in der Statistik auf. Experten vermuten, dass die Zahl der tatsächlichen Corona-Fälle um mindestens 50 Prozent höher ist. Wir nehmen das einfach so hin, weil die Krankheitsverläufe überwiegend harmlos sind. Aber nach wie vor sterben Menschen an Corona. Jeder Todesfall, den wir über unsere Pressestelle der Öffentlichkeit melden, macht mich betroffen.
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Rechnen Sie im Herbst mit größeren Einschränkungen, eventuell sogar mit einem Lockdown?
Größere Eingriffe in die persönliche Freiheit erwarte ich nicht. Der Staat kann die Menschen nicht zu Hause einsperren. Ich denke, dass es auf die Eigenverantwortung des Einzelnen ankommt, auch bei der Freizeitgestaltung. Dort, wo ich nicht hingehe, kann ich mich auch nicht anstecken.
„Personell haben wir im Gesundheitsamt deutlich aufgestockt“
Ist das Kreisgesundheitsamt für den Herbst gut aufgestellt?
Das Gesundheitsamt ist in der Lage, sich um die vulnerablen Gruppen zu kümmern, um eine Ausbreitung des Virus zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen zu verhindern. Auch personell haben wir deutlich aufgestockt. Aus dem Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst finanziert uns der Bund 40 zusätzliche Stellen. 30 davon konnten wir bereits besetzen. Trotzdem werden wir den Druck im Herbst spüren.
Ein anderes großes Thema ist der Ukraine-Krieg. Der Kreis hat die Sporthalle des Kuniberg-Berufskollegs in Recklinghausen mehrere Monate für den Schul- und Vereinssport stillgelegt und in eine Puffer-Unterkunft für Flüchtlinge umgewandelt. Die ist aber nie gebraucht worden. Eine Fehleinschätzung des Kreises?
Die Städte haben uns signalisiert, dass ihre Sammelunterkünfte voll werden. Deshalb haben wir zusätzliche Auffangmöglichkeiten geschaffen, um ein Stück weit vor der Lage zu sein. Dass wir sie nicht gebraucht haben, ist eine gute Nachricht. Dass die Halle vorübergehend nicht zur Verfügung stand, ist im Berufskolleg und bei den Vereinen auf großes Verständnis gestoßen.
„Grundsätzlich ist der Öffentliche Personennahverkehr noch eine große Baustelle“
Seit kurzem gibt es eine neue Landesregierung. Was erwarten Sie von Schwarz-Grün im Hinblick auf Kreis und Städte?
Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag eindeutig dazu bekannt, eine Lösung für die Altschulden der Kommunen zu finden. Ich hoffe, dass das jetzt etwas wird. Denn wir sprechen schon seit vielen Jahren über dieses Thema. Auch erwarte ich einen Schub für den Vestischen Klimapakt. Wir wollen zum Beispiel in Photovoltaik-Anlagen auf kreiseigenen Gebäuden investieren, Radwege ausbauen und den öffentlichen Nahverkehr stärken – Stichwort Mobilitätswende. Auch hier setzen wir auf Unterstützung des Landes. Grundsätzlich ist der Öffentliche Personennahverkehr noch eine große Baustelle. Auch der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ist gefordert, für mehr Attraktivität zu sorgen, indem er zum Beispiel die Bahnverbindungen aus den ländlichen Räumen in die Städte stärkt. Ich halte es in diesem Zusammenhang für einen Skandal, dass der Bahnhof Sinsen in Marl nicht mehr vom Regionalexpress angefahren wird. Mit Bundesmitteln sind an diesem Standort Park&Ride-Flächen geschaffen worden, auf denen jetzt das Unkraut schießt.
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Die Kreishaus-Sanierung, die im nächsten Jahr beginnen soll, ist mit 101,5 Millionen Euro veranschlagt. Wie teuer wird es denn nun wirklich?
Unstrittig ist, dass die Baupreise im Moment in die Höhe schießen. Wir arbeiten aktuell an den Ausschreibungen. Seriöse Prognosen halte ich in dieser Situation nicht für möglich. Aber Preissteigerungen von vier Prozent im Jahr sind denkbar. Das gilt im Übrigen auch für andere Investitionsprojekte. Wir wollen im laufenden Jahr noch fünf Millionen Euro in den Bau von Straßen und Brücken und zehn Millionen Euro in deren Instandhaltung und Unterhaltung investieren. Auch die Berufskollegs in Dorsten und Gladbeck sollen für 6,5 Millionen Euro saniert werden. Arbeit gibt es genug. Wir könnten auf der Stelle fünf Tiefbau- und fünf Hochbauingenieure einstellen – wenn wir sie denn auf dem Markt bekommen würden.