Gladbeck. Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche soll aufgehoben werden. Beratungsstellen in Gladbeck halten das für richtig – aus diesen Gründen.
Frauen aus Gladbeck, die eine Abtreibung vornehmen möchten, werden in ihrer Heimatstadt keinen Arzt finden, der das übernimmt. Dafür müssen sie einen Arzt in einer Nachbarstadt aufsuchen. Und auch die dürfen nicht dafür werben. Doch das soll sich bald ändern. Der umstrittene Paragraf 219a, der die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ verbietet, soll nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgehoben werden. Mit der geplanten Abschaffung des Werbeverbots sind in Gladbeck viele Hoffnungen verbunden.
Barbara Hildebrand-Vohl, Geschäftsführerin und Beraterin bei Donum Vitae („Geschenk des Lebens“) mit Sitz im Kreativamt, erhofft sich, dass Medizinern, die einen Schwangerschaftsabbruch anbieten, nun der Druck genommen wird. „Sie werden zum Teil ja sogar angefeindet.“ Und sie hofft, dass sich nun auch mehrere Ärzte für dieses Angebot entscheiden. Das Problem: „Die Anforderungen sind sehr hoch, es müssen etwa Narkosen für den Eingriff vorgehalten werden. Gleichzeitig wird den Ärzten zu wenig dafür gezahlt.“ Außerdem gebe es eine ethische Komponente. „Es ist die Frage, ob man als Mediziner ein Leben beenden möchte oder helfen möchte, Leben auf die Welt zu bringen“, so Hildebrand-Vohl.
Lesen Sie auch:
- Ukraine-Krieg. Gladbeck: Freizeitangebote für Flüchtlingskinder geplant
- Start-Up. Junges Ehepaar gründet Cocktail-Lieferdienst für Gladbeck
- Pandemie. Gladbecker Ärztesprecher sieht Corona-Lockerungen kritisch
- Lost Places. So luxuriös lebte es sich in der Villa Küster in Gladbeck
- Razzia. Razzia gegen Clans: Durchsuchungen auch in Gladbeck
Mitarbeiterinnen in Beratungsstellen in Gladbeck: Paragraf 218 muss aus Strafgesetzbuch raus
Katarzyna Beuth, Leiterin der Schwangeren(konflikt)beratungsstelle von Pro Familia in der Gladbecker Innenstadt, findet den Vorstoß der Politik „total richtig“. Doch der Schritt geht Hildebrand-Vohl und Beuth längst nicht weit genug. Sie sind sich einig: „Der Paragraf 218 muss aus dem Strafgesetzbuch entfernt werden.“ Laut diesem ist der Abbruch zwar bis zur zwölften Schwangerschaftswoche in Deutschland straffrei, aber immer noch illegal.
Die Abschaffung des Werbeverbots könnte dazu führen, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht länger stigmatisiert wird. „Was macht es für einen Eindruck, wenn sich schon die Ärzte verstecken müssen, die einen Abbruch anbieten“, fragt Beuth. Und sie sieht einen weiteren wichtigen Punkt. Bisher werde es den Frauen verweigert, sich vor einer Entscheidung umfassend zu informieren. Gerade in Zeiten sozialer Medien wollten sich viele erstmal auf den Homepages der Mediziner informieren. „Es ist wichtig, dass es zuverlässige, fachliche Informationen sind, die von einem Arzt kommen.“ Denn um eine Entscheidung treffen zu können, sei es wichtig, informiert zu sein. „Mit der Entscheidung leben die Frauen ein ganzes Leben. Sie sollte daher nicht aus einem moralischen Druck heraus erfolgen“, sagt Beuth.
Kontakt zu den Beratungsstellen
Wer sich bei Donum Vitae, Schwangerschaftsberatung für Gladbeck, Gelsenkirchen und Bottrop, beraten lassen möchte, muss zuvor einen Termin vereinbaren unter 0209/170 27 30, Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 8 bis 14.30 Uhr, freitags 8 bis 12 Uhr, info@donumvitae-bot-ge-gla.de. Pro Familia berät nach einer telefonischen Terminvereinbarung unter 02043/25132. Öffnungszeiten: montags und donnerstags von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr sowie dienstags von 14 bis 18 Uhr.Im Kreis Recklinghausen gibt es einen Verhütungsmittelfond, der Gelder für einkommensschwache Bürger bereitstellt. Weitere Informationen dazu gibt es bei den Beratungsstellen.
Für Schwangerschaftsabbrüche müssen Frauen aus Gladbeck etwa nach Essen oder Marl fahren
Frauen oder Paare, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken, suchen in der Regel zunächst einen Gynäkologen auf. „Es gibt immer ein Vorgespräch beim Arzt, dann kommen sie in eine Beratungsstelle“, erläutert Beuth. Sie weiß: „Manche Frauen kommen mit Unsicherheiten, andere sind völlig entschlossen.“ Die Beratungsstellen händigen auch eine Liste mit Ärzten aus, die einen Abbruch vornehmen. Die Frauen wählen einen der Mediziner aus. „Einige entscheiden sich für einen, der dem Wohnort am nächsten ist, andere für einen, der weit weg ist, um beispielsweise nicht einer Nachbarin zu begegnen.“ Im Moment gebe es im Umkreis zehn Ärzte, die Abbrüche anbieten. Darunter in Gelsenkirchen, Essen, Marl und Recklinghausen.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Wer über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenkt, hat dafür ganz unterschiedliche Gründe. „Oft sind es Frauen, die ungewollt schwanger sind, weil sie nicht so viel Geld haben, und das wenige Geld lieber sparen, als es für die Pille auszugeben“, berichtet Hildebrand-Vohl. Es gibt aber auch jene, die in langjähriger Partnerschaft leben, gerade das Studium beendet haben und die langersehnte Festanstellung nicht gleich wieder aufgeben möchten. Die Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Schwangere und deren Angehörige sagt: „Wir haben viel zu tun.“