Gladbeck. Musikzimmer, ein Wohnbereich mit Kamin und Wintergarten, ein Raum für den Chauffeur: Die Villa Küster hat viel Komfort zu bieten. Ein Rundgang.
Ein verlassener Ort, auf Englisch Lost Place, war das imposante rote Backsteinhaus mit den dunklen Holzfensterläden eigentlich nie. Jedenfalls nie für lange Zeit. Allerdings: Ein Heim für eine Familie ist die Villa Küster in Gladbeck auf der anderen Seite auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr. So umgibt das alte Haus dann doch irgendwie das Flair eines schon lange aufgegebenen Ortes. Und viele werden sich fragen, wie sieht es wohl in der Villa aus? Und wie war es, in einem so großen, luxuriösen Haus zu leben?
Erbauen ließ das Haus an der Buerschen Straße in Gladbeck Anfang der 50er-Jahre Dr. Hermann Küster
Erbauen ließ das Haus an der Buerschen Straße 35 Anfang der 50er-Jahre Dr. Hermann Küster für sich und seine Familie. Küster war der Spross einer erfolgreichen Gladbecker Unternehmer-Dynastie. Holz – wichtiges Baumaterial im Bergbau – hatte die Küsters reich gemacht. Sie besaßen eine Holzhandlung, ein Sägewerk, und einige Zeit gehörte sogar ein mittelständisches Bankhaus zum Firmenimperium. Vor 150 Jahren begann die Geschichte des Unternehmens. Kurz und gut: Die Küsters gehörten einst zu den reichsten Familien in Gladbeck – und davon zeugt auch heute noch die alte Villa, eigentlich „Haus Küster“ genannt.
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Die Küsters haben Wert gelegt auf ein stilvolles Ambiente
Architekt des Hauses war der Gladbecker Regierungsbaumeister W. Ewers. Schon die geschwungene Auffahrt zum Gebäude sowie das parkähnliche Grundstück mit dem alten Baumbestand lassen ahnen – hier ist nicht gespart worden. Der Eindruck verstärkt sich noch, sobald die schwere Eingangstür sich öffnet. Helle Travertinböden im mit Windfang, Diele und Garderobe gestalteten Eingangsbereich, Mosaikparkett in den Wohnräumen im Erdgeschoss, massive Holzverkleidungen und mit Schnitzereien versehene Wandschränke in den Zimmern und Fluren, der große, mit Kacheln eingefasste Kamin und dann noch die leicht geschwungene Holztreppe ins obere Stockwerk… Man merkt: Die Küsters haben Wert gelegt auf ein stilvolles Ambiente.
Ach ja, und natürlich gehört zum Anwesen auch eine beheizbare Garage mit direkter Verbindung zum Küchentrakt. Sehr praktisch, wenn man viele Einkäufe zu schleppen hatte. Auch an den Chauffeur der Familie wurde beim Bau des Hauses gedacht. Er verfügte über einen eigenen Raum gleich neben der Küche. Das Hauspersonal schlief in einer schmalen Kammer, dem sogenannten „Mädchenzimmer“, im ausgebauten Spitzboden der Villa. Eine enge Holzstiege führt nach oben in diesen Teil des Hauses. Wer sie hochsteigt, lässt das edle Ambiente hinter sich.
Über ein Musikzimmer verfügt die Villa Küster ebenfalls
Bei allem Luxus wirkt die Villa jedoch nicht übertrieben protzig. Man kann sich gut vorstellen, dass hier einmal Kinder gespielt haben, die Familie lauschige gemeinsame Abende am Kamin verbracht hat. Das Wohnzimmer mündet in einen Wintergarten, von dem aus man einen wunderbaren Blick in den Garten hat, der heute nahtlos in den Park des Vinzenzheims übergeht. Die Mahlzeiten nahmen die Küsters in ihrem Speisezimmer ein. Über ein Musikzimmer verfügt die Villa ebenfalls, die schönen Künste waren Hermann und Ellen Küster nämlich eine Herzensangelegenheit.
Das edle Ambiente setzt sich in der ersten Etage nahtlos fort. Im Hauptschlafzimmer fällt sofort der geräumige Wandschrank ins Auge. Wer wohl mehr Kleidung besessen hat? Der Hausherr? Oder doch wohl eher Gattin Ellen? Ein französischer Balkon am Schlafzimmer bot dem Paar die Möglichkeit, gleich nach dem Aufstehen dort kurz herauszutreten und schon einmal das Wetter zu prüfen, bevor es dann an die Kleiderwahl ging. Auch das Hauptbadezimmer bietet viel Raum und war garantiert auch mit jedem erdenklichen Komfort der damaligen Zeit ausgestattet. Allerdings ist es nicht mehr im Originalzustand erhalten.
Lange Zeit hat die Awo Gladbeck die Villa als Tagespflegeeinrichtung für Senioren genutzt
Nachdem die Stadt Gladbeck das Haus Küster 1989 gekauft hatte, zog dort nämlich kurze Zeit später als Mieter die Awo mit einer Tagespflege für Senioren ein. Aus diesem Grund erfolgten einige behindertengerechte Umbauten, beispielsweise in den Badezimmern. Auch der trutzige, gläserne Aufzug, groß genug für einen Rollstuhl, ist ein Relikt aus dieser Zeit. Architektonisch betrachtet sind diese Einbauten jetzt, wo die Awo die Villa schon seit einiger Zeit nicht mehr nutzt, kein Gewinn. Vielmehr wirken sie ziemlich fehl am Platz inmitten all’ der Pracht aus vergangener Zeit.
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Gladbecker Villa Küster
Allerdings sind sie schon bald vielleicht wieder von großem Nutzen. In wenigen Tagen sollen nämlich Geflüchtete aus der Ukraine in die Villa einziehen. Die Stadt richtet das Haus gerade als Unterkunft her. Hier könnten dann auch Menschen mit Behinderung eine sichere Bleibe finden. Auf jeden Fall ist es nicht unwahrscheinlich, dass bald wieder Kinder in der Villa Küster spielen. Jungen und Mädchen, die mit ihren Müttern vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflohen sind – und die eine sichere Zuflucht auf Zeit in Gladbeck mehr als verdient haben!