Gladbeck. Auch wenn objektiv kein Grund besteht, fühlen sich Menschen in Gladbeck an manchen Orten unsicher. Das hat manchmal konkrete Gründe.

Zahlen, Daten, Statistiken sind das eine. Das persönliche Empfinden steht oft auf einem anderen Blatt. Da klaffen beide Seiten oftmals auseinander. Das Thema „Angsträume“ ist so ein Beispiel für diese Diskrepanz. Und wenn es jetzt wieder später hell wird und früher die Dunkelheit eintritt, weil die Winterzeit (siehe Info-Box) eingeläutet wird, ist es da: Das ungute Bauchgefühl an einigen Orten in Gladbeck.

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Die Unterführung am Goetheplatz ist so eine Stelle, die manche Menschen zu gewissen Tageszeiten gerne meiden, ebenso der Schürenkamptunnel. Und Friedhofsparkplätze sind auch nicht – gerade in der Dämmerung – unbedingt Lieblingsorte. Das gilt ebenfalls für den Rathauspark oder die Freizeitanlage Wittringen.

Die Polizei fragt: „Wo fühlt man sich unsicher?“

Die Empfindung kann diffus oder sogar unbegründet sein. Andreas Wilming-Weber, Leiter der Pressestelle im Polizeipräsidium Recklinghausen, sagt: „Aus unserer Sicht sticht in Gladbeck, objektiv gesehen, kein Bereich heraus. Aber wir wissen auch, dass für viele Menschen eine Situation subjektiv ganz anders ausschaut. Diese Ängste nehmen wir sehr ernst.“ Die Polizei interessiere sich für die Antworten auf die Frage: „Wo fühlt man sich unsicher?“

Beschmierte Wände, schmuddelige Atmosphäre und Schummerlicht: Ein Gang durch den Schürenkamptunnel empfinden viele Fußgänger als unangenehm.
Beschmierte Wände, schmuddelige Atmosphäre und Schummerlicht: Ein Gang durch den Schürenkamptunnel empfinden viele Fußgänger als unangenehm. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Manche Knackpunkte tauchen laut Wilming-Weber regelmäßig auf: „Es sind immer die gleichen Orte wie Parkhäuser, Bahnhofsgegenden, Unterführungen und dunkle Ecken – das ist nicht nur in Gladbeck so.“ Was tun, wenn eine Stelle nicht geheuer ist? Man muss sich nicht als vermeintlicher Angsthase genieren, sondern sollte Bedenken der Polizei mitteilen. Wilming-Weber: „Unsere Empfehlung: Nehmen Sie mit den Bezirksbeamten Kontakt auf!“ Die Polizei könne zwar nicht jeden Wunsch nach mehr Präsenz nachkommen, doch „Hinweise sind für uns wichtige Gradmesser“. Anna Rau, Geschäftsführerin des Deutsch-Europäischen Forums für Urbane Sicherheit (DEFUS): „Obwohl wir uns in Deutschland auf einem ganz hohen Sicherheitslevel bewegen, hat die gefühlte Sicherheit abgenommen.“

Die Unterführung Goetheplatz wirkt alles andere als einladend.
Die Unterführung Goetheplatz wirkt alles andere als einladend. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Dabei spiele eine zentrale Rolle, was Ängste oder ein mulmiges Gefühl auslöse, sagt Wilming-Weber. „Es kann sich um Vorfälle handeln, die zurückliegen“, weiß der Polizeisprecher. Eine tatsächliche Ursache habe es also einmal gegeben, so dass sich Menschen fernhalten. Wilming-Weber führt als Beispiel den Skaterpark an, in dem es im Sommer wiederholt zu Übergriffen gekommen ist. In enger Abstimmung mit dem Kommunalen Ordnungsdienst habe die Polizei auf dem Areal verstärkt Präsenz gezeigt. „Jetzt ist es dort wieder ruhig, doch solche Ereignisse können im Bewusstsein der Bürger nachwirken“, stellt Wilming-Weber fest.

Weit und breit ist kein Mensch zu sehen: Vereinsamte Wege im Nordpark, gesäumt von Gebüsch, können Unsicherheitsgefühle auslösen.
Weit und breit ist kein Mensch zu sehen: Vereinsamte Wege im Nordpark, gesäumt von Gebüsch, können Unsicherheitsgefühle auslösen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Beschmierte Wände, Uringestank, schummriges Licht, Müll – all das kann Menschen signalisieren, dass ein Raum verwahrlost ist. Und das wiederum, so Soziologe Tim Lukas, verstärke den Eindruck: „Wenn mir hier etwas passiert, dann ist niemand da, der mir helfen kann.“

Wie Städte mit Angsträumen umgehen sollten- Forscher im Video-Interview

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    Polizeisprecher Wilming-Weber zeigt Verständnis für Vorbehalte und Ängste: „Am Bahnhof sitzen Leute auf einer Sitzbank und frönen dem Alkohol. Da ist es einem unwohl, vorbeizugehen. Oder anderswo drücken sich Gestalten herum, die verdächtig erscheinen. Um solche Orte macht man einen großen Bogen.“ Der Experte unterstreicht: „Angst soll nicht dazu führen, bestimmte Bereiche zu meiden!“

    Andreas Wilming-Weber, Leiter der Pressestelle im Polizeipräsidium Recklinghausen, hat Verständnis für Ängste und Vorbehalte.  
    Andreas Wilming-Weber, Leiter der Pressestelle im Polizeipräsidium Recklinghausen, hat Verständnis für Ängste und Vorbehalte.   © Polizei Recklinghausen

    Ein Problem stellen aus Polizeisicht soziale Netzwerke dar, in denen „Informationen weitergegeben werden, die nicht den Tatsachen entsprechen“. Wilming-Weber sagt: „Durch Fakenews werden Ängste geschürt.“ Er rät: „Man sollte gucken: Woher kommen die verbreiteten Informationen? Im Zweifelsfalle lieber bei der Polizei nachfragen.“

    Umstellung auf Winterzeit

    Die Uhren werden am 31. Oktober in Deutschland, wie in den meisten Staaten der Europäischen Union, auf Winterzeit – auch Normalzeit genannt – umgestellt. Das bedeutet: In der Nacht von Samstag auf Sonntag, Punkt 3 Uhr, werden die Zeiger zurückgedreht auf 2 Uhr.

    Die Umstellung auf die Sommerzeit wurde im Jahre 1980 eingeführt. Dadurch sollte die Bevölkerung das Tageslicht besser nutzen und Energie sparen können. Konsequenzen: Die Zeitveränderungen beeinträchtigen den Schlafrhythmus, so Kritiker. Wer sich an die langen Sommerabende gewöhnt hat, muss ab Oktober mit früherer Dunkelheit klarkommen.

    Um einen Angstraum aus der Welt zu schaffen, „reicht es manchmal aus, einen schummrigen Ort auszuleuchten“. Dazu sagt Stadtsprecherin Christiane Schmidt: „Wir arbeiten, wo es geht, auch mit Licht. Der Rathausplatz beispielsweise ist mit Bewegungsmeldern ausgestattet, das ist gleichzeitig effektiv und sparsam.“ Der Kommunale Ordnungsdienst gehe Beschwerden nach. Zuletzt habe die Stadtverwaltung wiederholt auf Hinweise einzelne Laternen aufgestellt, beispielsweise an einem Verbindungsweg zwischen Hermann- und Mühlenstraße. Ziel der Stadtplanung sei, möglichst belebte und einsehbare Plätze zu schaffen: „Das gilt auch für Neubaugebiete.“

    Über manche Orte gibt es häufiger Bürgerbeschwerden

    Christiane Schmidt räumt ein: „Wir haben Orte im Stadtgebiet, über die es öfter Beschwerden gibt, beispielsweise die Tunnel und Unterführungen am Schürenkamp und Goetheplatz. Hier geht es aber häufig eher um Verunreinigungen und Lärm.“ Nirgendwo gebe es „tatsächlich einen Angstraum, an dem verstärkt Kriminalität oder Gefährdung“ auftreten. Schmidt versichert: „Ich beispielsweise habe in Gladbeck noch nirgendwo Angst empfunden, andere vermutlich schon. Das ist also ein sehr subjektives Empfinden.“

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