Gladbeck. Im Kriminalitätsbericht 2020 sticht Gladbeck mit einigen Ausreißern heraus. Zwar sanken Einbruchszahlen, doch andere stiegen. Das ist der Grund.
In Corona-Zeiten gibt es immer wieder Negativ-Schlagzeilen. Doch das Polizeipräsidium Recklinghausen überbringt am Montag für seinen Zuständigkeitsbereich mal positive Nachrichten: Die Zahl der Straftaten ist erneut – wie in den Vorjahren – gesunken. Sie liegt auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 40 Jahren. Die Zahlen bei Einbrüchen sind beispielsweise zurückgegangen. Doch in Gladbeck stellt sich die Situation anders dar.
Insgesamt wurden im Jahr 2020 behördenweit 46.499 Straftaten registriert – einschließlich 3398 Versuchen. Das sind 1470 Straftaten (minus 3,06 Prozent) weniger als im Vorjahr. Mehr als jedes zweite Delikt – nämlich 24.804 – und damit 53,34 Prozent – wurde aufgeklärt. Damit liegt das Präsidium Recklinghausen über dem Landesschnitt von 52,8 Prozent – „das siebte Jahr in Folge“, so Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen. Sie sagt: „Weniger Straftaten bedeuten ein Mehr an Sicherheit. Auch wenn die Corona-Pandemie mit all den damit einhergehenden Einschränkungen sicherlich die Kriminalitätsentwicklung beeinflusst hat – der Rückgang an Straftaten ist bereits seit vielen Jahren feststellbar. So haben wir seit 2011 rund 16.000 Straftaten weniger.“
Gladbeck: Die Statistik weist einen Anstieg der Straftaten um 382 im Vorjahresvergleich aus
Für den gesamten Zuständigkeitsbereich liegt die Kriminalitätshäufigkeitszahl – also Straftaten pro 100.000 Einwohner – laut aktuellem Bericht bei 6355 und ist damit geringer als im Jahr 2019 (6547). Diese Kennziffer gilt als Indikator für die Gefährdung der Bürger, die sich aus der Kriminalität ergibt. Im Gegensatz zu dem genannten Rückgang, der auch landesweit zutrifft, schaut die Situation in Gladbeck anders aus. Dort kletterte die Kriminalitätshäufigkeitszahl von 5582 auf 6093. Die Statistik weist einen Anstieg der Straftaten um 382 im Vorjahresvergleich aus – und damit insgesamt 4607 bei einer Aufklärungsquote von fast 45 Prozent.
Diebstahldelikte wirken sich augenfällig negativ auf die Statistik aus
Wie kann das sein? Der Leitende Kriminaldirektor Jürgen Häusler rückt die Zahlen zurecht: „Wir hatten im Jahr 2019 ein auffallend niedriges Niveau in Gladbeck, das hat uns alle überrascht. Aber irgendwann ist der Knickpunkt erreicht, an dem die Zahlen auch mal wieder hochgehen.“
Auch interessant
Auffällig sei der Bereich „Diebstahldelikt“ – mit einem Plus von 106 Fällen ein deutlicher Anstieg. Das wirke sich massiv auf die Statistik aus. So sind für Gladbeck insgesamt 1882 solcher Taten erfasst. Im Vorjahr waren es noch 1776. Eklatant seien insbesondere die Taschendiebstähle, die von 111 (2019) auf 192 kletterten. Diese Entwicklung lasse sich auf die Corona-Situation zurückführen, sagt Häusler: „Die Täter haben sich von Volksfesten wegorientiert zu Geschäften. Das ist ein behördenweites Phänomen.“ Ebenfalls augenfällig ist das Plus in der Rubrik Sachbeschädigung von Kraftfahrzeugen (von 210 auf 287 Fälle). Häusler erläutert: „Wenn wir es da mit einer Serie zu tun haben, steigen die Fallzahlen.“ Man denke beispielsweise an die Jugendlichen, die aus Langeweile zündelten (siehe Info-Box).
Auch interessant
Positive, weil abnehmende Zahlen gibt’s auch zu vermelden. Da stechen vor allem die Einbruchsdelikte ins Auge, die den niedrigsten Wert der vergangenen zehn Jahre erreichen. Wurden 2019 noch 124 Fälle erfasst, sind es im darauf folgenden Jahr nur noch 98. Häusler: „Sie sind um fast 21 Prozent gesunken.“ Die Erklärung liegt auf der Hand: Wenn die Menschen in Corona-Zeiten daheim bleiben, halten Einbrecher lieber Abstand. Polizeipräsidentin Zurhausen weist darauf hin, dass im gesamten Zuständigkeitsbereich der Behörde fast jeder zweite Einbruch im Versuchsstadium stecken geblieben sei. „Die Zahl der Einbrüche geht schon seit Jahren zurück, die Corona-Pandemie hat das noch einmal beschleunigt“, so der Leitende Kriminaldirektor.
Fälle, die 2020 Schlagzeilen machten
Anfang Januar 2020 warf ein 15-Jähriger in Gladbeck ein etwa ein Kilogramm schweres Betonteil vom Dach des leerstehenden Hochhauses an der Schwechater Straße – eine 45-Jährige und ihr neunjähriger Sohn wurden nur knapp verfehlt. Ein Jugendrichter ordnete wegen Verdachts des versuchten Mordes die einstweilige Unterbringung in einem Heim an. Der Täter wurde zu einer Jugendstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt.
Jugendliche waren es auch, die für eine Brandserie – etwa zwölf Delikte – verantwortlich waren. In Brauck und Zweckel hatten die Täter Altkleidercontainer und Abfallbehälter angezündet. In einem Fall entstanden Schäden an einem Kindergarten und einem Auto. Geschätzter Gesamtsachschaden: rund 80.000 Euro. Ermittlungen der Kriminalpolizei führten schließlich zu zwei Schülern im Alter von 14 und 15 Jahren. Die geständigen Jugendlichen gaben als Motiv Langeweile an.
Tödlich endete im März ein Streit unter Senioren. Eine 73-Jährige starb, ihr 81-jähriger Lebenspartner wurde leicht verletzt. Der Körper des Opfers wies diverse Stichverletzungen auf. Gegen den 81-Jährigen erging Haftbefehl wegen Totschlags. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die geringe Aufklärungsquote von knapp zehn Prozent bei Wohnungseinbrüchen (bei sämtlichen Einbruchsdelikten sogar nur knapp drei Prozent) nennt Häusler gering. Erklärung: „Wenn es sich möglicherweise um viele Einzeldelikte handelt, haben wir kein Packende.“ Handelt es sich hingegen um eine Serie und die Polizei fasst die Täter, wirkt sich das mit einem Mal positiv auf die Statistik aus.
+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Gladbeck verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++
Andere Delikte kommen in Pandemie-Zeiten gravierend zum Tragen. Cybercrime-Delikte, Betrug mit Corona-Soforthilfe und -Subvention wären da zu nennen, aber auch Anrufe von Tätern, die Impfstoffe am Telefon anbieten. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Betrüger sich als infizierte Angehörige ausgeben, um Geld bei ihren Opfern zu erschleichen. Aber auch „falsche Polizisten“ konnten kreisweit Beute machen. Deswegen warnt die Behörde noch einmal ausdrücklich vor solchen Maschen.