Gladbeck. Die Tafel in Gladbeck ist derzeit geschlossen. Zwei Schicksalsschläge haben dem Verein die Rechtsgrundlage entzogen. So geht es nun weiter.

Das schwere Eisengitter am Eingang der Gladbecker Tafel e.V. an der Bülser Straße ist hinabgelassen und verriegelt. Die sonst dreimal pro Woche stattfindende Warenausgabe an insgesamt 1300 bedürftige Gladbeckerinnen und Gladbecker ist eingestellt. Hintergrund sind zwei Schicksalsschläge, die dem Verein derzeit die rechtliche Grundlage für eine Weiterarbeit entzogen haben.

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Die letzte Ausgabe erfolgte vergangenen Freitag. Wer nun den Tafelladen aufsuchen möchte, wird über eine kurze Notiz, die ins Schaufenster geklebt wurde, informiert: „Die Gladbecker Tafel e.V. muss leider auf Grund der Todesfälle im Vorstand schließen. Das Team der Tafel Gladbeck.“ Konkret ereilte den Verein zunächst der Tod ihres langjährigen Vorsitzenden Dietmar Tervooren, der plötzlich und unerwartet am 9. Juli starb. Die Trauerarbeit war noch nicht abgeschlossen, als dann keine zwei Wochen später auch die 2. Vorsitzende, Gisela Schmidt (79), am 22. Juli starb.

Mit einem Hilferuf an den Landesverband gewandt

Dietmar Tervooren führte lange Jahre als Vorsitzendender die Geschäfte der Tafel in Gladbeck.
Dietmar Tervooren führte lange Jahre als Vorsitzendender die Geschäfte der Tafel in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Das Team um die Lebensgefährtin von Dietmar Tervooren hatte die Geschäfte zunächst weiter geführt, sich dann mit einem Hilferuf an den Landesverband der Tafelläden NRW gewandt. So schwer es im Sinne der bedürftigen Menschen auch sei, man habe der Gladbecker Tafel zunächst empfohlen, den Betrieb bis auf Weiteres zu schließen, so Evi Kannemann vom Landesvorstand, „um die Angelegenheiten in Ruhe zu ordnen und die Grundlagen für einen Fortbetrieb wieder sicher zu stellen“. Denn der Verein sei mit dem Tod der Vorsitzenden „nicht handlungsfähig und keine Mitglieder rechtlich befugt, die Geschäfte zu führen“. Die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes war mehrfach nach Gladbeck gefahren, um zu beraten. Sie spricht selbst von einer kuriosen Situation, die in ähnlicher Form bislang noch nie an den Landesverband herangetragen worden sei.

Gisela Schmidt, langjährige stellvertretende Vorsitzende der Gladbecker Tafel.
Gisela Schmidt, langjährige stellvertretende Vorsitzende der Gladbecker Tafel. © WAZ FotoPool | VON STAEGMANN, Lutz

Ein rechtliches Vakuum sei entstanden, da nur das Duo Tervooren und Schmidt als Vorstand ins Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichtes Gelsenkirchen eingetragen und somit berechtigt waren, „die Geschäfte des Gladbecker Tafelvereins zu führen“. Dies gilt auch für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, um einen neuen Vorstand zu wählen. Kannemann gehe davon aus, dass das Vereinsregister in Gelsenkirchen jetzt unterstützend tätig werden müsse, „um überhaupt einen Notvorstand gründen zu können“. Bis das geschehen sei, bestünde ja vielleicht die Möglichkeit, Bedürftige, die bislang von der Tafel versorgt wurden, „über Tafeln aus benachbarten Städten mit zu versorgen“. Hartwig Szymiczek, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Tafel mit Hauptsitz am Nordring in Buer, erklärt dazu auf Anfrage der WAZ grundsätzliche Bereitschaft. „Wir müssten das intern und mit den anderen Tafelvereinen besprechen, was möglich ist und wie wir mit der Situation umgehen. Mit eventuell überörtlicher Koordination des Landesverbandes.“

Über das Vereinsregister kann ein Notvorstand bestellt werden

Sonst vernichtete Lebensmittel werden verteilt

Seit dem Jahr 2005 versorgt die Gladbecker Tafel e.V. bedürftige Bürger und Menschen in besonderen Notlagen mit gespendeten Lebensmitteln. In Deutschland leben über elf Millionen Menschen in Einkommensarmut. Vielen von ihnen bleiben nur etwas mehr als vier Euro pro Tag für ihre tägliche Verpflegung. Frisches Obst und Gemüse, Milch und Fleisch werden zu Luxusgütern, die sie sich selten leisten können.

Gleichzeitig fallen täglich in Supermärkten, Hotels und Restaurants, Wochenmärkten etc. Lebensmittel an, die - obwohl qualitativ einwandfrei - im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet werden. Die Tafeln bemühen sich hier um einen Ausgleich: Sie sammeln diese Lebensmittel, die sonst vernichtet würden, und verteilen sie an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen - unentgeltlich oder gegen einen geringen Kostenbeitrag.

Zu den rechtlichen Möglichkeiten weiß der langjährige als Notar tätige Gladbecker Jurist Heinz-Theo Meyer auf Anfrage Rat: „Wenn laut der Vereinssatzung niemand mehr da ist, der berechtigt ist, eine wirksame Mitgliederversammlung einzuberufen, dann kann über das Vereinsregister in Gelsenkirchen ein Notvorstand bestellt werden.“ Eine wie beim Tafelverein geschilderte Situation habe er in seiner aktiven Zeit nicht erlebt, „es ist aber durchaus mal vorgekommen, dass ein kompletter Vorstand zusammen zurückgetreten ist, so dass auch ein Notvorstand gebildet werden musste“. Dies könne nun auch beim Gladbecker Tafel e.V. geschehen. „Mit Mitgliedern des Vereins, die bereit sind, das Amt des Notvorstandes zu übernehmen. Mit dem Zweck, dann einen neuen Vorstand zu wählen“, so Meyer.