Gladbeck. Zwei weitere Grundschulen in Gladbeck unterrichten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Darum gibt es Kritik – auch aus der Politik.
Weitere Grundschulen in Gladbeck sind jetzt offiziell Schulen des gemeinsamen Lernens. Kinder mit und ohne Behinderung lernen dort gemeinsam in einer Klasse. Dies betrifft Schülerinnen und Schüler mit Lern- und Entwicklungsstörungen (Förderschwerpunkte Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung), die jetzt auch an der Lambertischule in Stadtmitte und an der Pestalozzischule in Zweckel aufgenommen werden.
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Dies sei bei fehlendem Fachpersonal und Klassen mit hoher Schülerzahl und besonderen Schulerproblematiken eine Herausforderung, heißt es in Stellungnahmen der Grundschulen für den Schulausschuss. Mitglieder des Schulausschusses übten in seiner jüngsten Sitzung wiederum deutliche Kritik am Vorgehen der Unteren Schulaufsichtsbehörde des Kreises Recklinghausen.
Ausschuss sollte im Nachhinein beschließen, was schon gilt
Denn der Ausschuss sollte im Nachhinein dem zustimmen, was das Schulamt bereits zum Beginn der Sommerferien beschlossen hatte. Dass die Lokalpolitik vorab keine Gelegenheit zur Beratung hatten sorgte für Kritik – und auch die Schulgremien (Eltern/ Lehrer) an den betroffen Grundschulen waren vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Rektorin Mathilde Austermann schreibt in ihrer Stellungnahme, dass die Pestalozzischule faktisch schon seit einigen Jahren Ort des gemeinsamen Lernens sei – wie im Grunde alle Gladbecker Grundschulen. Da „zuerst einmal alle Kinder angemeldet und in der Regel auch in die Schuleingangsklassen aufgenommen werden“. Erst im Laufe der Grundschulzeit würden die Unterstützungsbedarfe für Lern- und Entwicklungsstörungen festgestellt. Hinzu kämen weitere Herausforderungen, denn zu den Kindern mit Förderbedarf „kommen viele Kinder, die aufgrund ihrer familiären, oft sehr herausfordernden Situationen, ein hohes Maß an Zuwendung und Förderung benötigen“, so der weitere Bericht der Rektorin, die als Beispiele Gewalterfahrungen, Erfahrungen mit kranken oder getrennten Eltern, Fluchterfahrungen, nichtdeutsche Familiensprache oder Traumaerfahrungen nennt.
Sprecherin der Grundschulen schildert komplexe Arbeitsbedingungen
Komplexe Anforderungen, die Lamberti-Rektorin Cäcilia Nagel in gleicher Weise für ihr Team sieht. Mathilde Austermann macht in ihrer Stellungnahme weiter deutlich, dass den Schulen Fachpersonal fehlt und personelle Entlastung und bessere Rahmenbedingungen nötig sind, damit ein erfolgreiches Lernen für alle Schüler gewährleistet werden könne. Dies unterstrich die Sprecherin der Grundschulen, Rektorin Ute Kirsten (Mosaikschule), im Schulausschuss, die die schwierigen Bedingungen der praktischen Schularbeit schilderte.
Austermann fordert indes Unterstützung von Politik sowie Entscheidungsträgern und nennt als Erwartung, dass das gemeinsame Lernen durch zusätzliche sonderpädagogische Lehrkräfte, weitere personelle Entlastung in den Klassen mit Kindern mit erhöhtem sonderpädagogischen Förderbedarf und generell kleineren Eingangsklassen mit höchstens 20 Kindern unterstützt wird. Zudem sei eine Stundenentlastung der Lehrkräfte für Gespräche mit Eltern, Therapeuten, Ärzten, Diagnostikern und für die Dokumentation bei zwei oder mehr Kindern mit besonderem Förderbedarf in der Klasse ebenso wünschenswert wie eine ausreichende räumliche und technische Ausstattung.
Rektorin spricht von einem personellen Dilemma
Weitere Angebote an Mosaik- und Wittringer Schule
Das Schulamt beabsichtigt künftig an der Mosaikschule und an der Wittringer Schule ein weiteres Angebot für den Förderschwerpunkt „körperliche und motorische Entwicklung“ vorzuhalten, da beide Schulen barrierefrei ausgerichtet sind. An beiden Standorten werden bereits Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet, ebenso an der Südparkschule in Brauck.
Auf der Grundlage des „Ersten Gesetzes zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen“ bietet die zuständige Schulaufsicht den Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf mindestens eine geeignete allgemeine Schule an – wobei dies nicht immer die gewünschte Schule sein kann. Die Eltern können aber auch weiterhin die Förderschule für ihr Kind wählen.
Nagel spricht gegenüber der WAZ von einem personellen Dilemma: „Wie haben die freien Stellen, Sonderpädagogen sind aber einfach nicht zu bekommen, da belastete Grundschulen im Ballungsgebiet nicht so attraktiv sind wie ländlichere Primarschulen.“ Sie habe ihre freie Sonderpädagogen-Stelle schon acht Mal ausgeschrieben „und jedes Mal keine einzige Bewerbung erhalten“. Dies hat das Schulamt durchaus im Fokus und sagt selbst, angesichts des derzeitigen Mangels an entsprechend ausgebildeten Lehrkräften sei das gemeinsame Lernen nur schrittweise erreichbar. Die Aufsichtsbehörde sieht die Voraussetzungen an den genannten Schulen gleichwohl als erfüllt.
Der Schulausschuss lehnte eine Beschlussfassung zunächst ab und vertagte diese auf die nächste Sitzung, die in der Pestalozzischule stattfinden soll. Dazu eingeladen werden auch Vertreter der Unteren Schulaufsicht, um darzustellen, wie gute Rahmenbedingungen zum gemeinsamen Lernen geschaffen werden können, und um eine Erklärung zu bitten, warum keine Gelegenheit zur Beratung im Vorfeld gegeben worden ist.