Gladbeck. Kinder ab zwölf können nun im Impfzentrum immunisiert werden. So weit sind die Planungen im Kreis, und das sagt ein Kinderarzt aus Gladbeck dazu.

Bei der Impfung von Kindern und Jugendlichen gibt es viele Unsicherheiten. Jetzt hat das Land mitgeteilt, dass die Impfzentren auch Kinder ab bereits zwölf Jahren impfen dürfen. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt es für diese Altersgruppe jedoch noch nicht. Und auch der Kinderarzt Stefan Kusserow aus Gladbeck bleibt skeptisch.

Im Impfzentrum des Kreises Recklinghausen wird die Impfung der Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren ab der kommenden Woche möglich sein. Immunisiert werden können 12- bis 15-Jährige dann immer mittwochs und samstags zwischen 14 und 18.30 Uhr. „In dieser Zeit werden wir die entsprechenden Mediziner vor Ort haben, die die Gespräche mit den jungen Menschen und ihren Eltern führen“, so Dr. Hermann Geldmann, medizinischer Leiter des Impfzentrums, der sich nach der Ankündigung des Landes umgehend um den Einsatz von Kinder- und Jugendärzten in seinem Ärzteteam gekümmert hat.

Den Wunsch nach einer Impfung gibt es auch mit Blick auf den Schulbeginn

Die Nachfrage bei der Kreisverwaltung ist schon länger da. „Uns haben in den vergangenen Wochen, seitdem die Zulassung des Biontech-Impfstoffs ab zwölf Jahren erfolgt ist, viele Anfragen von Eltern, aber auch von Jugendlichen erreicht. Der Wunsch nach Impfung ist besonders mit Blick auf die Situation in den Schulen groß. Einigen Kindern und Jugendlichen geht es außerdem darum, dass sie mit einer Impfung ihre Familien und Freunde schützen möchten“, so Peter Wernitz, organisatorischer Leiter des Impfzentrums.

Das ist die aktuelle Empfehlung der Stiko

Damit das eigene Kind geimpft werden kann, muss die Einwilligung aller Sorgeberechtigter vorliegen. Für das Aufklärungsgespräch sollte etwas mehr Zeit mitgebracht werden, damit entsprechend der Empfehlung der ständigen Impfkommission eine ausführliche medizinische Beratung sichergestellt ist, so die Kreisverwaltung. Die Impfung im Impfzentrum ist ohne vorherige Terminvereinbarung möglich.

Derzeit empfiehlt die Stiko die Impfung gegen das Coronavirus für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren nur bei bestimmten Vorerkrankungen wie Adipositas, Herzleiden oder chronischen Lungenerkrankungen. Oder bei einem regelmäßigen Kontakt zu Menschen mit einem erhöhtem Risiko schwerer Krankheitsverläufe, die selbst nicht geimpft werden können. Alle anderen Kinder und Jugendliche können nach ärztlicher Aufklärung und individueller Risikoakzeptanz eine Impfung erhalten.

Kinderarzt Stefan Kusserow ist bei der Impfung von Kindern deutlich zurückhaltender. „Ich halte mich an die Vorgaben der Stiko“, so der Kinderarzt mit Sitz am Marktplatz. Das heißt: Er impft nur Kinder unter 16 mit entsprechenden Vorerkrankungen. Zwar gebe es viele Nachfragen von Eltern, aber: „Sie fragen mich um meine Meinung und orientieren sich dann an meinem Rat.“ Der Grund für seine Skepsis: Es bestehe ein Restrisiko einer Komplikation, da die Datenlage viel zu gering sei, also der Impfstoff bisher an viel zu wenigen Kindern getestet wurde. Die Reaktion der Eltern sei verständnisvoll, sie warten lieber noch etwas ab. „Ich sage den Müttern und Vätern immer, dass ich bei allen Impfungen mehr weiß als sie. Da kann ich auf jahrelange Erfahrungen zurückblicken. Bei der Corona-Impfung aber weiß ich genauso viel wie sie auch.“ Das gebe ihm kein gutes Gefühl, und daher warte er lieber noch eine größere Datenlage ab.

Zunächst findet immer ein Aufklärungsgespräch statt

Das sieht auch Hausarzt Dr. Gregor Nagel, Mediziner im Hausarztzentrum Butendorf und Sprecher des Gladbecker Ärztenetzes, so. „Bei Kindern unter 16 ohne Vorerkrankungen würden wir uns zurückhalten.“ Daher findet bei einem Impfwunsch zunächst immer ein Aufklärungsgespräch statt, indem die Mediziner prüfen, ob es eine Vorerkrankung gibt, die die Impfung sinnvoll macht. Ab 16 Jahren werden Jugendliche in Nagels Praxis regulär geimpft. Die Nachfrage sei aber eher verhalten.

Kinderarzt Stefan Kusserow hofft, dass es möglich ist, dass die Stiko bald einen Impfstoff auch für Kinder freigeben kann. Denn: Die Delta-Mutante ist weiter auf dem Vormarsch, zudem steht bald wieder der Schulbeginn an. „Es gab auch in Gladbeck viele infizierte Schüler“, weiß der Mediziner. Daher ist er überzeugt: „Wir müssen weiter auf Sicherheit achten und etwa die Masken tragen.“ Im Herbst, so glaubt er, müsse beim Thema Präsenzunterricht aufgrund steigender Infektionszahlen ohnehin wieder zurückgerudert werden.

Dr. Stefan Kusserow, hier in seiner Praxis am Markt in Gladbeck, impft Kinder unter 16 nur, wenn sie Vorerkrankungen haben.
Dr. Stefan Kusserow, hier in seiner Praxis am Markt in Gladbeck, impft Kinder unter 16 nur, wenn sie Vorerkrankungen haben. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Kinderarzt: Die Öffnung in den Impfzentren erhöht den Druck auf die Eltern

Bei den über 16-Jährigen habe er schon einige geimpft, „aber nicht sehr viele“. Aufgrund des lange Zeit nur gering verfügbaren Impfstoffs habe er damit aber auch spät begonnen.

Dass die Impfzentren nun auch Jungen und Mädchen ab zwölf Jahren impfen dürfen, findet der Kinderarzt nicht angebracht. Das erhöhe den Druck auf Eltern, „nur, damit nach den Sommerferien der Präsenzunterricht stattfinden kann.“