Gladbeck. Jeder sechste Beschäftigte hat das Gastgewerbe im vergangenen Jahr im Kreis Recklinghausen verlassen. Gewerkschaft NGG fordert ein Umdenken.

Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Hotels und Gaststätten im Kreis Recklinghausen eine dramatische Abwanderung von Fachkräften. Innerhalb des vergangenen Jahres haben im Kreis rund 1500 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt – das ist jeder sechste Beschäftigte der Branche, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf jüngste Zahlen der Arbeitsagentur mitteilt.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte das Hotel- und Gaststättengewerbe im Kreis Recklinghausen zum Jahreswechsel 7017 Menschen. Genau ein Jahr zuvor – vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – waren es noch 8477. Damit haben innerhalb von zwölf Monaten 17 Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen. Angesichts weiterer Lockdowns bis in den Mai hinein dürfte sich der Personal-Schwund bis heute nochmals zugespitzt haben, befürchtet Martin Mura, Geschäftsführer der NGG-Region Ruhrgebiet. Für die Lage macht der Gewerkschafter insbesondere die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich.

Auch interessant

NGG: Die Unternehmen müssen jetzt umdenken

„Schon vor Corona stand das Gastgewerbe nicht gerade für rosige Arbeitsbedingungen. Unbezahlte Überstunden, ein rauer Umgangston und eine hohe Abbruchquote unter Azubis sind nur einige strukturelle Probleme. Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, kritisiert Mura.

Wer künftig Fachleute gewinnen wolle, müsse umdenken und sich zu armutsfesten Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen. Dazu seien Tarifverträge unverzichtbar, unterstreicht Mura. Gastronomen, die das Mittagessen so günstig anböten, dass sie davon das Personal nicht mehr bezahlen könnten, machten ohnehin grundsätzlich etwas falsch. „Viele Gäste sind durchaus bereit, ein paar Cent mehr für die Tasse Kaffee zu bezahlen – gerade jetzt, wo den Menschen bewusst geworden ist, dass der Besuch im Stammlokal ein entscheidendes Stück Lebensqualität ist“, so Mura.

Die Gewerkschaft NGG verweist zudem auf Finanzhilfen des Staates für angeschlagene Betriebe. So können sich Hotels und Gaststätten im Rahmen der Überbrückungshilfen in diesem Monat bis zu 60 Prozent der Personalkosten bezuschussen lassen, wenn sie Angestellte aus der Kurzarbeit zurückholen (Restart-Prämie).