Gladbeck. Demenzkranke und ihre Angehörigen haben sehr unter dem Lockdown gelitten. Jetzt gibt es wieder Hilfsangebote. Warum Gespräche so wichtig sind.

Beate Werther und ihr Mann waren jahrzehntelang berufstätig. „Wir haben uns auf ein wunderbares Leben als Rentner gefreut“, erzählt sie. Doch es kam ganz anders. 2018 erhielt ihr Mann die schreckliche Diagnose: Frontalhirndemenz. Seither geht es mit dem 69-Jährigen bergab, immer schneller. Kinder hat das Ehepaar nicht, auch keine anderen Verwandten. Bei der Pflege und Betreuung ist Beate Werther auf sich allein gestellt.

An eine Demenz-Erkrankung bei ihrem Mann hatte die Gladbeckerin anfangs gar nicht gedacht

Veränderungen hatte sie bei ihrem Mann schon früher bemerkt: „Er hörte mir nicht mehr zu, war abweisend, vergaß vieles, wurde oft aggressiv. An eine Erkrankung habe ich nicht gedacht. Ich wollte mich von ihm trennen.“ Zu ihrem großen Glück bekam sie Kontakt zu Gabriele Buchholz, Stabsstelle Netzwerkarbeit beim Caritasverband Gladbeck. Gleich im ersten Beratungsgespräch wurde der Fachfrau klar: Der 69-Jährige leidet wahrscheinlich an Demenz. Die Diagnose brachte bald Gewissheit.

Seit dieser Zeit nimmt Beate Werther regelmäßig an einem der beiden Gesprächskreise Demenz des Caritasverbandes teil. Einmal monatlich treffen sich Angehörige von demenziell Erkrankten im Seniorenzentrum Johannes-van Acken-Haus, um sich alles von der Seele zu reden, was sie bedrückt, um die Erfahrungen der anderen Betroffenen zu hören, um zu spüren, dass sie nicht allein sind mit ihrem Schicksal – und um einfach mal zwei Stunden etwas nur für sich zu tun. „In der Gruppe kann ich weinen, lachen, alles sagen, was ich möchte“, beschreibt Beate Werther die Atmosphäre. Die Erkrankten können während dieser Zeit im van-Acken-Haus betreut werden.

Im Lockdown sind viele an ihre Grenzen gestoßen

Die Diplom-Sozialpädagogin Marie Schulte im Walde leitet die Gesprächskreise seit mehr als zehn Jahren. In der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Zwangspause haben sie und Gabriele Buchholz besonders intensiv erfahren, wie wichtig die Gruppen für die Angehörigen sind: „Unsere Telefone standen kaum still. Die Menschen konnten noch weniger mit den kranken Angehörigen unternehmen als ohnehin, standen oft ganz allein da. Da sind nicht wenige an ihre Grenzen gestoßen. Für alle Menschen war es einsamer während der Lockdowns, für demenziell Erkrankte und ihre Angehörigen hat sich dieses Gefühl potenziert.“

Statt in den Gesprächskreisen kümmerte sich Marie Schulte im Walde bei Hausbesuchen um die pflegenden Angehörigen. „Einerseits bekommt man dabei einen Blick auf die häusliche Situation, andererseits können die Angehörigen im Beisein der Kranken nicht so frei sprechen“, hat sie bei ihren mehr als 50 Hausbesuchen erfahren. „Es war wichtig, die Angehörigen nicht allein zu lassen, aber die Gesprächskreise bedeuten ihnen mehr.“ Und die starten jetzt wieder.

Zwei kleine Gruppen treffen sich wieder im Johannes-van-Acken-Haus

Finanziert von der Barmer

Die Gesprächskreise für Angehörige demenziell Erkrankter werden von der auch für Gladbeck zuständigen Barmer Bottrop finanziert. Die Teilnahme ist für Versicherte aller Krankenkassen kostenlos.

Gabriele Buchholz spricht Michael Ridderskamp von der Barmer einen besonderen Dank aus: „Innerhalb eines Tages hat er ganz unbürokratisch ermöglicht, dass auch unsere Hausbesuche bezahlt werden.“ Wer sich den Gesprächskreisen anschließen möchte, muss sich bei Gabriele Buchholz unter Tel. 02043 373454 anmelden.

Am kommenden Samstag, 10 Juli, treffen sich erstmals nach monatelanger Zwangspause zwei Kleingruppen mit jeweils sechs Teilnehmern, die geimpft, getestet oder genesen sind, im Johannes-van-Acken-Haus. „Das sind erst einmal die dringendsten Fälle. Wie es weitergeht, wissen wir noch nicht genau“, sagt Gabriele Buchholz. Sie betont, dass viele pflegende Angehörige bei den Beratungsgesprächen, die sie führt, und in den Gesprächskreisen erst erfahren, welche Entlastungsmöglichkeiten es gibt: „Das beginnt bei der Medikamentengabe, reicht über häusliche Pflege, stationäre Kurzzeitpflege und Tagespflegegruppen bis hin zu Kuren für pflegende Angehörige.“ Beate Werther ist erst einmal froh, dass die Gesprächskreise am Samstag wieder starten. „Ich habe in dieser Gruppe schon so viel gelernt, und ich fühle mich dort verstanden und aufgefangen.“

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