Gladbeck. Die Impfpriorisierung wird ab Juni in NRW aufgehoben. Jeder kann sich dann impfen lassen. Was das für Impfwillige und Praxen in Gladbeck heißt.
Die Impfpriorisierung wird ab dem 7. Juni aufgehoben. Was bedeutet das in der Praxis für Impfwillige aus Gladbeck? Wie sieht es mit der Immunisierung von Kindern und Jugendlichen aus? Mediziner geben Antworten.
Nach der Aufhebung der Impf-Reihenfolge sollen Haus- und Betriebsärzte sowie Impfzentren die Piks setzen. Dabei sind zwei Hürden absehbar. Eine ist der große Andrang von Impfwilligen. Dr. Gregor Nagel, Sprecher des Ärztenetzes in Gladbeck und Mediziner im Hausarztzentrum Butendorf, berichtet: „Wir haben jetzt schon eine Flut von Anfragen wegen einer Terminvereinbarung. Aber erst jüngst sind weitere Priorisierungsgruppen freigeben worden, die noch geimpft werden, beispielsweise Patienten in ihrer Häuslichkeit oder bestimmte Berufsgruppen.“
Gladbeck: Noch immer erhalten Arztpraxen nicht die erforderlichen Mengen an Impfstoff
Womit sich die nächste Hürde aufbaut: „Was für alle Praxen schwierig wird, sind die Impfstofflieferungen.“ Denn noch immer kommen nicht die Mengen an, die bestellt und benötigt werden. Nur kurzfristig werde über den Umfang einer Lieferung informiert. Doch aufgrund bisheriger Erfahrungen lasse sich immerhin ein Mittelwert errechnen.
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Ein rares Gut gilt es zu verteilen: „Wir haben ewig lange Listen mit Namen von Impfwilligen. Manche Praxen führen sie handschriftlich, andere computertechnisch.“ Aber wie auch immer: „Wir müssen herumtelefonieren, wenn eine Restspritze bleibt.“ Denn längst nicht alle auf den Wartelisten sind erreichbar. Manche haben sich die ersehnte Spritze schon an anderer Stelle, zum Beispiel bei einem Facharzt, geholt: „Ich höre auch von Kolleginnen und Kollegen, dass sich Patienten mehrere Termine gesichert haben – je nachdem, wo Kapazitäten bestehen.“ Nachdem auch die Beschränkung der Einzugsbereiche für die Impfzentren gefallen ist, haben Impfwillige hier ebenfalls die freie Wahl.
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Die Arztpraxen versuchen für sich Wege zu finden, um das große Interesse zu managen: Manche haben zusätzliche Rufnummern eingerichtet, andere nutzen das Internet. „Patienten führen zu Recht Klage, dass telefonisch kein Durchkommen ist, weil die Telefonleitungen überlastet sind“, so Nagel, „der ,normale’ Betrieb wird behindert.“ Ein Wirtschaftsunternehmen könnte sich vielleicht ein Callcenter einrichten, das sei für Gladbecker Arztpraxen aber derzeit nicht drin.
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Aufgrund des Ungleichgewichts von Impfstoff und Nachfrage müssten Mediziner auch innerhalb der Warteliste priorisieren. Was sich abzeichne: „Die Zahl der Astrazeneca-Verweigerer wird geringer.“ Die Skepsis gegenüber diesem Impfstoff sei aufgeweicht worden. Ein weiterer Aspekt könnte in Patienten-Köpfen stecken: Die Zeitspanne zur Zweitimpfung ist relativ dehnbar. „Sechs und zwölf Wochen Abstand sind bei Astra vorgesehen. Wir kennen es aus Studien, dass der Effekt der Antikörperlage schlechter wird, wenn wenig Zeit zwischen den Impfungen liegt; aber wer in den Urlaub fahren will, nimmt das in Kauf“, sagt Nagel. Im Rahmen des Zulässigen zähle der Patientenwille.
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Der Mediziner: „Wir erwarten, dass die Impfstoffmengen zunehmen, dadurch wird ein Problem einfacher.“ Es bleibe jedoch der enorme logistische Aufwand, auch ohne Wartelisten: Einwilligungsbögen, Impfdokumentation, Impfpass etc. – manche Praxen haben laut Nagel ihr medizinisches Fachpersonal, das „bis zum Anschlag“ arbeite, aufgestockt.
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Mediziner Carsten Rothert aus der Kinder- und Jugendarztpraxis Grube & Partner bestätigt die Ausführungen Nagels: „Wir merken es am Telefon, dass die Nachfrage sehr groß ist.“ Er erläutert: „Wir impfen bereits Mädchen und Jungen mit chronischen Krankheiten wie Asthma und Diabetes.“ Rothert stellt klar: „Wir hoffen, Anfang Juni alle Kranken über 16 Jahre geimpft zu haben.“
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Der Arzt sieht ebenfalls in geringen Liefermengen eine Erschwernis: „Wir machen klar, dass es sich bei uns ausschließlich um den Impfstoff von Biontech handelt. Die niedrigen Mengen sind das Nadelöhr.“ Wenn pro Arzt und Woche zwei Flaschen – aus denen jeweils sechs Dosen gezogen werden können – zur Verfügung stehen, gehen viele Interessenten erst einmal leer aus.
Stammpatienten werden nach ärztlicher Expertise geimpft
Dabei berücksichtige diese Praxis nur Stammpatienten. Sie werden nach medizinischer Expertise geimpft. „Das Pooling der Patienten ist sehr aufwendig“, sagt Rothert. Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zu wirtschaftlichen Interessen. Er erläutert: „Wir melden uns, wenn wir einen Impfplatz, gekoppelt mit einem Nachimpftermin, vergeben können.“ Eines sollte auch klar sein: „Wir legen aus medizinischer Sicht Wert auf die Einhaltung von sechs Wochen zwischen den beiden Impfungen. Eine Verkürzung dieser Zeitspanne gibt es nicht.“
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Zur Perspektive, auch Zehn- bis Zwölfjährige zu impfen, macht der Arzt deutlich: „In Kitas und Grundschulen sind so gut wie keine Übertragungen durch Aerosole von Kind zu Kind vorgekommen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Grippe um eine Tröpfchen-Infektion. Kinder übertragen sie zehnmal so viel wie Erwachsene.“ Schlussfolgerung: „Zurzeit sind unsere Jugendlichen ganz wichtig. Wir impfen uns dann durch zu den Jüngeren.“