Gladbeck. Heim-Träger in Gladbeck sehen Lockerungs-Pläne mit Skepsis. Vor allem mehr Besucher stoßen auf Kritik. „Wir haben schlimme Zeiten hinter uns.“
Rainer Knubben redet Klartext: „Das ist angesichts der steigenden Infektionszahlen unverantwortlich.“ Der Vorstand des Caritas-Verbandes Gladbeck versteht nicht, warum NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann die Corona-Vorschriften in den Senioreneinrichtungen ausgerechnet jetzt lockern will: weniger Tests der Bewohner und Mitarbeiter, weniger Maskenpflicht, gemeinsam singen, turnen, basteln – alles soll wieder erlaubt sein. Und vor allem: Jeder Bewohner soll bis zu fünf Besucher (plus Kinder unter 14 Jahren) gleichzeitig empfangen dürfen. Rainer Knubben: „Das hätte ich sogar abgelehnt, als die Infektionszahlen noch rückläufig waren.“
Zwar sei die Impfquote im St. Altfrid- und Johannes-van-Acken-Haus erfreulich hoch, aber: „Es kommen neue Bewohner und Menschen in die Kurzzeitpflege, die noch nicht geimpft sind. Einige Bewohner waren infiziert und bekommen die erste Impfung in etwa sechs Monaten, weil nicht klar ist, wie lange sie nach der Erkrankung geschützt sind.“ Rund 80 Prozent der Mitarbeiter seien geimpft, einige hätten sich aber erst später dazu entschlossen, sollten in Kürze an der Reihe sein. Der aktuelle Stopp der Astrazeneca-Impfungen könnte das verzögern.
Caritas-Chef Rainer Knubben: „Wir sind noch nicht über den Berg“
Einige Bewohner und Angehörige fänden Laumanns Pläne „prima“, die Mehrzahl aber bliebe lieber vorsichtig: „Wir hatten in unseren Häusern Schwerkranke und Corona-Tote. Wer das miterlebt hat, klatscht diesen Plänen keinen Beifall. Der Minister hat zwar Recht: Die Todeszahlen sind deutlich gesunken, aber wir sind noch nicht über den Berg.“
Eine infizierte Bewohnerin im Eduard-Michelis-Haus
Im Eduard-Michelis-Haus gibt es aktuell eine infizierte Bewohnerin. Sie kam mit negativem Testergebnis aus dem Krankenhaus, der vorsorgliche Test im Seniorenheim fiel positiv aus. Mechtild Eckholt: „Keiner weiß, wo sie sich infiziert hat. Sie ist isoliert, aber glücklicherweise nicht schwersterkrankt.“
Für die Einrichtungsleiterin spricht dieser Fall eine deutliche Sprache: Vorsicht bei weiteren Lockerungen.
Wie es bei steigenden Besucherzahlen mit den Testungen klappen soll, ist dem Caritasvorstand ein Rätsel. Schon jetzt müsse dafür Personal aus der Pflege abgezogen werden, „weil die vollmundigen Versprechungen, die Bundeswehr könnte unterstützen, nicht eingehalten wurden, und die Hilfsdienste das auch nicht schaffen“. Um die Bewohner auch in Zukunft möglichst gut schützen zu können, hat Rainer Knubben eine dringende Bitte: „Besuche auch bei Lockerungen mit Augenmaß.“
Das Risiko von Infektionen steigt bei mehr Besuchern
Nicole Krause ist Einrichtungsleiterin im Wohnpark Luisenhof. „Einerseits wäre es natürlich schön, wenn wir wieder mehr öffnen könnten, andererseits halte ich das Risiko von Infektionen für viel zu hoch, wenn deutlich mehr Besucher kommen und keine Masken mehr tragen müssen. Wir hatten bisher nur einen kleinen Corona-Ausbruch, eben weil wir FFP2-Masken tragen.“ Wie sie mehr Testungen organisieren soll, weiß Nicole Krause auch noch nicht. „Ich teste oft selber, um das Pflegepersonal zu entlasten.“ Fünf Besucher gleichzeitig hält sie für deutlich zu hoch: „Ich verstehe nicht, warum Friseure einen Kunden auf zehn Quadratmetern bedienen dürfen, und bei uns ein 15 Quadratmeter großes Zimmer für so viele Menschen ausreichen soll.“ Zwei Besucher pro Bewohner vormittags, zwei nachmittags, draußen dürfen es vier sein.
Das gilt aktuell im Eduard-Michelis-Haus, und daran möchte Einrichtungsleiterin Mechtild Eckholt möglichst auch nichts ändern. „Unsere wichtigste Aufgabe ist es, unsere Bewohner zu schützen.“ Deshalb geht sie über das hinaus, was vorgeschrieben ist. Jeder, der das Haus betritt, Personal, Besucher, Handwerker, Therapeuten, Seelsorger, ob geimpft oder nicht, wird getestet, und zwar täglich. Im Gegenzug ermöglicht Mechtild Eckholt den Bewohnern möglichst große Freiheiten: „Wir haben Karneval gefeiert, beim Tanztee geschwoft, auch Gottesdienste finden wieder statt. Und jetzt fangen wir auch wieder an zu singen – alles natürlich ohne Besucher.“ Die von Minister Laumann angekündigten Lockerungen sieht auch Mechtild Eckholt kritisch. „Wir haben schlimme Zeiten hinter uns. Am Jahresende habe ich mir gewünscht, dass ich nie wieder so viel Angst um unsere Bewohner und Mitarbeiter haben muss. Aber die Unsicherheit hört einfach nicht auf. Wir wissen nie, was uns morgen erwartet. Das hat eine verrückt machende Wirkung.“