Gelsenkirchen. . Für türkischstämmige Senioren mit Demenz ist es in Deutschland nicht immer einfach. Oft beherrschen sie die Sprache nur kaum bis gar nicht. Dagegen möchte die Awo in Gelsenkirchen vorgehen: Sie hat türkischstämmige Frauen zu interkulturellen Alltagsbegleitern für demenzkranke Menschen ausgebildet.

Die 15 türkischstämmigen Frauen – allesamt herausgeputzt in den Arbeiterwohlfahrt-Farben Rot, Schwarz und Weiß – denen Awo-Geschäftsführerin Gudrun Wischnewski ihre Zertifikate überreicht, sind stolz wie Oskar. Sie haben vom 1. April bis zum 23. Mai an einer Schulung zum interkulturellen Alltagsbegleiter für dementiell erkrankte Menschen teilgenommen. Ein ziemlich komplizierter „Titel“. Sie sollen fortan Betroffene und deren Familien im Alltag beim Kampf gegen das Vergessen (Demenz) unterstützen. Als besonderes Extra sind sie interkulturell – auf deutsch und auf türkisch – ausgebildet worden.

In der 60-stündigen Fortbildung waren die Inhalte weit gestreut: Von medizinischen Aspekten über gesetzliche Grundlagen und Hospitationen in Einrichtungen der Altenhilfe war alles dabei. Die Frauen mit türkischen Wurzeln haben aber nicht nur die Betreuung und Beschäftigung mit dementiell Erkrankten gelernt. Ein Schwerpunkt sei „vor allem darauf gelegt worden, kulturelle Aspekte zu behandeln“, erklärt Kursleiterin Bedia Torun.

Oftmals noch ein Tabuthema

Denn: Krankheit sei in Familien mit Migrationshintergrund oftmals immer noch ein Tabuthema. Demenz betrifft vor allem das Kurzzeitgedächtnis sowie das Denkvermögen, Sprache und Motorik. Gerade für die ersten Migrantengenerationen könne Demenz ein Problem darstellen, weil das sowieso überschaubare Deutschvokabular nach und nach vergessen werde und Betroffene zur Muttersprache zurückkehren würden. Deswegen werde eben auch bilingual geschult, erklärt Torun. Gerade Fachbegriffe seien selbst den Muttersprachlern nicht bekannt und müssten erlernt werden.

Ein weiteres Ziel des Kurses: die Migrantinnen für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. „Viele Frauen haben so viele verborgene Ressourcen, egal ob verschleiert oder nicht. Das hat man bei der Schulung wieder gesehen“, erklärt Hüriyet Yilmaz, Projektleitung bei der „Schalker Nachbarschaft“. Dieses Projekt sei deswegen schon drei Jahre lang im Stadtteil aktiv, um arbeitslose Frauen zu motivieren.

Betroffene Familien beraten und ihnen helfen

Die Zertifikantinnen können künftig betroffene Familien beraten und ihnen helfen. „Die Nachfrage nach bilingualen Begleitern ist in Gelsenkirchen auf jeden Fall hoch“, erklärt Torun. Und auch die Teilnehmerinnen geben sich optimistisch: „Es geht ja weiter, das war nur der Einstieg“, ertönt irgendwo im Stimmengewirr von einer Teilnehmerin.