Gelsenkirchen. Das Solotheaterstück über die Volkskrankheit Demenz und ihre Folgen feiert gelungene Premiere in der Bleckkirche in Gelsenkirchen. Der Schauspieler Markus Kiefer glänzt in der Doppelrolle als Sohn und in der der erkrankten Mutter.
1981, die Themen Demenz und Pflege im Alter sind nicht allgegenwärtig, der niederländische Schauspieler Joop Admiraal schreibt darüber ein Theaterstück abseits des Mainstream. Auch die Bleckkirche war ihrer Zeit voraus als sie Ende der 1990er-Jahre das Stück „Du bist meine Mutter“ aufführte. Jetzt, Jahre und Debatten später, brachten Regisseur André Wülfing und Schauspieler Markus Kiefer das Solostück eindrucksvoll zurück auf die Bühne der Bleckkirche.
„Damals spielten Demenzerkrankungen in den Medien keine große Rolle“, erinnert sich Thomas Schöps, der das Kulturprogramm in der Bleckkirche seit 1996 verantwortet. Dass das Interesse in den vergangenen Jahren enorm gestiegen ist, zeigte der am Samstag mit 80 Besuchern nahezu ausverkaufte Kirchraum. Auch am Sonntag wurde das Stück noch einmal gezeigt. „Es wirft einen behutsamen, aber mit Humor gepflegten Blick auf die Situation von Betroffenen und deren Angehörige“, verriet Schöps zur Begrüßung.
In große Fußstapfen getreten
Die Gelsenkirchener Markus Kiefer und André Wülfing traten dabei in große Fußstapfen. Admiraals Stück ist nämlich mehrfach preisgekrönt, für die Verfilmung gab es sogar den Pulitzer- und für die deutsche Fassung den Adolf-Grimme-Preis. Das Besondere des Stücks: Die Rolle des Sohnes, der die Mutter im Pflegeheim besucht, wird synchron vom selben Schauspieler übernommen, der die an Demenz erkrankte Mutter spielt. Dieser Spagat gelang Markus Kiefer beeindruckend gut. Nach seiner Ankunft als Sohn im Pflegeheim verwandelte er sich auch optisch nach und nach in eine alte, gebrechliche Frau . Begleitet wurde Kiefer von Caspar van Meel am Kontrabass. Der Niederländer verstärkte mit seinem Instrument nicht nur die teils lustigen, aber auch skurrilen und bedrückenden Szenen, sondern er war darüber hinaus als „unsichtbarer“ Assistent im Einsatz, wenn Markus Kiefer seine Kostüme wechselte.
Mit verstellter, hoher Stimme mimt Kiefer die Mutter, die immer wieder von verstorbenen Verwandten erzählt und in der Vergangenheit lebt. Der Zuschauer erlebt Dialoge, die für Angehörige von Demenzkranken so oder so alltäglich sind. Die Mutter vergisst den Beruf des Sohnes, fragt sich, wo sie gerade ist oder kann sich an Besuch nicht mehr erinnern. Die Verschlechterung des Zustandes nach einem Sturz mündet in der Frage: „Wer sind sie überhaupt?“. Die Antwort des Sohns ist zugleich der Titel des Stücks: „Du bist meine Mutter.“
Erfolgreicher Schauspieler in Amsterdam
Inhalt und Personen haben autobiografische Züge. Der Sohn ist erfolgreicher Schauspieler in Amsterdam und nimmt die sonntäglichen Besuche bei der Mutter später als Vorlage für ein Theaterstück. „Du hast das Stück für mich geschrieben“, sagt der Sohn am Ende zu seiner Mutter. So viel Produktivität hätte man der Dame anfangs nie zugetraut. Trotz der vielen negativen Symptome schaffte die Aufführungen auch Positives herauszustreichen: Sohn und Mutter finden zu einander und sprechen über Dinge, die sie sonst wohl nie auszusprechen gewagt hätten. Für Wülfing, Kiefer und van Meel gab es langanhaltenden, kräftigen Applaus.