Gelsenkirchen.
Wolfgang und Iris Liffers sind Fußballfans. Ihr Herz hängt an Schalke 04 – und das schon seit 30 Jahren. Die beiden (er Angestellter in Dortmund, sie Sozialpädagogin an der Gesamtschule Ückendorf) haben eine Dauerkarte und reisen zu Auswärtsspielen der Knappen. Allerdings: Sie sehen gar nichts oder nur wenig davon, was unten auf dem grünen Rasen passiert, denn Wolfgang Liffers ist seit seinem dritten Lebensjahr blind und seine Ehefrau sehbehindert.
Trotzdem können die beiden mitreden, diskutieren auch Tage später noch, ob der Schiedsrichter den Elfer hätte geben müssen und der Stürmer besser ausgewechselt worden wäre. Zwar bietet die Arena den Service, dass blinde oder sehbehinderte Stadionbesucher das Spiel über Funkkopfhörer mithören können. Doch diesen Service nutzen die Liffers nicht. Das habe er ausprobiert, so der 51-Jährige, „aber da bekomme ich zu wenig mit vom Spiel. Dann könnte ich zu Hause bleiben und Radio hören.“
Zwischenrufe sind nicht ungewöhnlich
„Mannomann“, schallt es zwei Reihen weiter aus dem Block der Arena, „immer dasselbe, der kriegt wieder nichts auf die Kette.“ Solche Zwischenrufe sind nicht weiter ungewöhnlich, aber es sind genau die Reaktionen von Stadionbesuchern, aus denen Wolfgang und Iris Liffers ihre Informationen über den Spielverlauf ziehen. Wenn ein Angriff läuft, eine Ecke gegeben wird oder jüngst der Polizeieinsatz in der Nordkurve.
Das „Riesenpfeifkonzert“ (Liffers) während des Spiels gegen den griechischen Club PAOK Saloniki konnte das Ehepaar, das auf der Gegengerade sitzt, zunächst nicht einordnen. Sie informierten sich tags darauf und Wolfgang Liffers ist auch vier Wochen später überzeugt: „Die Polizei reagierte völlig unangemessen.“ Was den Schalker Fan enttäuscht, ist, dass „sich alle rückhaltlos hinter die Polizei stellen, selbst der Innenminister. Die Polizei hat immer Recht und macht alles richtig. Egal, was passiert.“
Es gab schon Situationen, da war Wolfgang Liffers im Stadion besser informiert als seine Sitznachbarn. Beim UEFA-Cup Hinspiel am 7. Mai 1997 im Parkstadion hatte er ein Transistorradio dabei. Das entscheidende Tor zum 1:0 ging zwei Sekunden eher über den Äther als es auf der Stadionleinwand zu sehen war. Wolfgang Liffers sprang hoch, rief „Toooor“ – und alle um ihn herum jubelten mit. Die Sitznachbarn hatten sich an ihm orientiert.
Atmosphäre im Stadion
Es sind sowohl die Atmosphäre im Stadion, als auch „das Mittendrin zu sein“, das den Gelsenkirchener (gebürtig vom Niederrhein) begeistern. „Ich bin einfach Schalke-Fan, die Blindheit spielt keine Rolle mehr, weil in dieser Zeit alles ausgeblendet ist.“ Problematisch sei manchmal die Heimfahrt nach dem Spiel. Beim Einsteigen in die Straßenbahn hat Iris Liffers schon zweimal die Brille verloren.
Für das heutige Bundesligaspiel gegen Bayern tippt Wolfgang Liffers ein 2:0 – für Schalke. Was sonst. In der Tippgemeinschaft setzt er immer auf einen Schalke-Sieg.
100.000 Fans auf Schalke