Gelsenkirchen. NRW-Innenminister Jäger wirft Schalke schwere Versäumnisse in Sachen Sicherheit vor und fordert den Bundesligisten zum sofortigen Handeln auf: “Es kann nicht sein, dass Schalke sich nur um die Logengäste kümmert und die Kurve sich selbst überlässt“ Der Verein verfüge “nicht über ausreichendes Sicherheitspersonal“.
Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, hat am Donnerstag für einigen Wirbel gesorgt. Der SPD-Politiker will die Polizei aus dem Stadion des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 zurückziehen. Im Interview erhebt Jäger schwere Vorwürfe gegen den Verein und erklärt, warum seine Entscheidung keinen Einfluss auf die Arbeit in anderen Stadien hat.
Herr Minister Jäger, die Polizei will sich aus dem Stadion von Schalke 04 zurückziehen. Mit welcher Begründung?
Ralf Jäger: "Ich gehe mit meinem Sohn am Samstag selbst ins Stadion, und ich fühle mich da sicher. Und dass ich mich da sicher fühlen kann, wie alle anderen Zuschauer auch, das liegt daran, dass wir eine außerordentlich gute Zusammenarbeit und Kooperation mit den Vereinen der ersten, zweiten und dritten Liga haben. Dafür stellen wir 30 Prozent unserer Einsatzkräfte zur Verfügung. Das ist gegenüber dem steuerzahlenden Bürger zu rechtfertigen, wenn es eine echte Zusammenarbeit und Kooperation gibt. Und das gibt es zurzeit auf Schalke nicht, da sind Vertrauen und Kooperationsbereitschaft sehr gestört, nicht erst seit dem 21. August."
Polizei stürmt Schalke-Kurve
Wieder einmal ist nach den Vorfällen auf Schalke die Fan-Gruppe der Ultras in die Kritik geraten
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Jäger: "Auch davor und danach haben und hatten wir erhebliche Probleme mit Teilen der Ultra-Szene. Wir haben den Eindruck, dass Schalke sich diesem Problem und seiner Verantwortung nicht stellt. Beide Seiten müssen sich jetzt auf ihre eigene Rolle beschränken. Die Polizei ist für die Sicherheit im öffentlichen Raum zuständig, Schalke für die Sicherheit in der Arena. Aber selbstverständlich haben wir außerhalb der Arena ausreichend Kräfte zur Verfügung, damit die Polizei eingreifen kann, um die Sicherheit zu gewährleisten. Der Ball liegt bei Schalke, die müssen sich bewegen."
Was erwidern Sie Kritikern, die sagen, die Polizei könnte durch den Rückzug entscheidende Sekunden verlieren?
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Jäger: "Klar ist: Für die Sicherheit der Zuschauer im Stadion ist der Verein verantwortlich - und nur der Verein, nicht die Polizei. Die Polizei kann sehr wohl unterstützen. Wir werden im Verein keine Einsatzkräfte vorhalten, wohl aber Beamte, die die Lage beobachten und beurteilen können. Ich erwarte von Schalke, dass sie sich bewegen, dass es qualifizierteres Personal im Stadion gibt, dass Einsätze wie am 21. August gar nicht erst notwendig werden. Die Polizei möchte so etwas nämlich gar nicht machen. Der Verein muss in der Lage sein, die Stadionordnung auch bei dem Teil seiner Ultras durchzusetzen, die das Stadion als rechts- und polizeifreien Raum betrachten. Da muss der Verein in Vorleistung gehen."
Die Einsatzzentrale im Stadion wird also besetzt sein?
Jäger: "Genau. Aber es gibt keine Einsatzkräfte im Stadion."
Jäger sieht Problem nur auf Schalke - nicht beim BVB
Ist der Rückzug der Polizei allein ein Schalker Problem?
Jäger: "Ja. Eindeutig."
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Würden sich beispielsweise bei Borussia Dortmund ähnliche Probleme ergeben....
Jäger: "Das tut es aber nicht! Weil wir mit Borussia Dortmund außergewöhnlich gut und eng zusammenarbeiten"
Sie sehen also keinen Präzedenzfall für den deutschen Fußball?
Jäger: "Das ist ein Problem, das allein in Schalke existiert - und das in Schalke gelöst werden muss."
Ist die Polizei eingeschnappt, sind Sie beleidigt? Darf man die Einsatzkräfte jetzt nicht mehr kritisieren?
Jäger: "Die Polizei muss kritisieren, und sie muss selbstkritisch sein. Man kann jetzt sehr lange über diesen Einsatz reden. Er war erforderlich und vom Schalker Sicherheitsbeauftragten erwünscht. Aber darum geht es nicht. Wir haben einen Teil der Ultras, bei denen der Verein sein Hausrecht nicht durchsetzen kann. Es wurde dreimal aufgefordert, diese Fahne abzunehmen, es ist nicht gelungen. Ein Teil der Schalker Ultras ist gewalttätig und tritt der Polizei massiv gewalttätig entgegen. Das geht nicht. Aber das Problem gab es auch schon vorher, und auch nach dem Spiel."
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Der Verein erweckte den Eindruck, nicht informiert gewesen zu sein. Haben Sie vorab nichts angekündigt?
Jäger: "Ich bin in erster Linie dem Parlament gegenüber informationspflichtig - nicht gegenüber dem Verein"
Schalke kümmere sich um Logen-Gäste, aber überlasse die Kurve sich selbst
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Haben Sie die öffentliche Reaktion auf ihre Ankündigung unterschätzt? Die Kritik richtet sich nun sehr stark gegen die Polizei.
Jäger: "Ich habe ganz und gar nicht den Eindruck, dass sich die Reaktion der Medien gegen die Polizei richtet. Ganz im Gegenteil. Ich habe das Problem, dem Steuerzahler gegenüber zu begründen, warum 30 Prozent unserer Einsatzhundertschaften nur Fußball machen. Das kann ich nur begründen, wenn es eine rechtfertigende Kooperation mit den Vereinen gibt. Es kann nicht sein, dass auf Steuerzahlerkosten Ordner gestellt werden, die eigentlich der Verein stellen müsste. Wir haben 18 Hundertschaften a 123 Beamte - und die sind zu 30 Prozent nur mit Fußball beschäftigt. Wenn wir dadurch überhaupt nur sicheren Profifußball in Deutschland garantieren können, dann erwarte ich eine Zusammenarbeit, bei der der Verein seine Verantwortung wahrnimmt, dass eine Stadionordnung auch von allen Teilen der Ultras akzeptiert wird und der Verein sich nicht noch nach außen vor ein falsches Verhalten der Ultras stellt. Das ist nicht akzeptabel."
Müssen die Vereine sich stärker an Einsatzkosten der Polizei beteiligen? Eröffnen Sie diese alte Diskussion aufs Neue?
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Jäger: "Nein. Es geht darum, dass wir in einem speziellen Fall eine Lösung finden müssen, weil es zu gewalttätigen Übergriffen in diesem Stadion kommt. Die Stadionordnung ist nicht durchsetzungsfähig, und der Verein selbst verfügt nicht über ausreichendes Sicherheitspersonal. Deshalb ist das auch nur ein Problem, das auf Schalke zu lösen ist."
Was kann und muss Schalke 04 tun, damit die Polizei sich am Mittwoch gegen Steaua Bukarest auch wieder im Stadion aufhält?
Jäger: "Wir sind gesprächsbereit. Aber: Es muss auf Schalke in Richtung der Ultra-Szene anders gearbeitet werden. Die Fanarbeit muss erweitert werden. Es kann nicht sein, dass Schalke sich nur um die Logengäste kümmert und die Kurve sich selbst überlässt. Das, was üblicherweise an Stadionordnung existiert, ist dort nicht umsetzbar. Andere Vereine schaffen das. Es gibt ja auch positive Beispiele. Außerdem muss mehr und qualifizierteres Sicherheitspersonal zur Verfügung stehen, damit solche Einsätze wie gegen Saloniki erst gar nicht notwendig werden. Die Polizei möchte solche Einsätze nicht anstelle des Vereins führen." (sid)