Gelsenkirchen.

Herr Baranowski, Großstädte wie Gelsenkirchen haben es schwer. Das Defizit im Haushalt 2013 ist auf 88 Millionen Euro gestiegen, die Kreditsumme hat die Milliarden-Marke geknackt. Nennenswerte Entlastung ist nicht in Sicht. Wie systemrelevant sind Städte?

Frank Baranowski: Sie sind absolut systemrelevant. Wo entscheiden sich die Zukunft, die Bildungsgerechtigkeit oder die Integration? In der Stadt. Wo entscheidet sich die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Nation? In der Stadt. Dort müssen Flächen für Unternehmen zur Verfügung gestellt und Zufahrtsstraßen gebaut werden. Geschieht das nicht, stagniert die gesamte Entwicklung.

In Schleswig-Holstein war die Beteiligung an der Kommunalwahl mit 46,7 Prozent so gering wie noch nie. Spiegelt sich da der Frust der Bürger wider, die glauben, es ändert sich ja doch nichts, ob sie sich nun beteiligen oder nicht

Baranowski: Das mag schon sein. Aber das Thema Politik- und Parteienverdrossenheit ist ja nicht neu und den Trend gibt es schon seit Jahren...

... aber der Frust wird ja nirgendwo so deutlich wie vor der eigenen Haustür. Die Menschen zahlen brav Steuern, doch Straßen und Radwege bleiben kaputt und für andere Dinge ist auch kein Geld da.

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Von Friedhelm Pothoff

Baranowski: Ja, das ist richtig. Es fehlt an finanzieller Unterstützung von Land und Bund – beziehungsweise an der notwendigen Entlastung der Städte. Das ist das Problem, möglicherweise auch in der Wahrnehmung der Bürger: Für die Rettung von Banken stehen Steuergelder in Höhen zur Verfügung, da kann man kaum noch die Nullen zählen, doch für die Sanierung der Infrastruktur fehlt das Geld. Da leben wir massiv von der Grundsubstanz. Es müssen ja sogar Autobahnbrücken gesperrt werden, statt sie rechtzeitig zu sanieren.

Also erklärt sich ein Wählerfrust doch aus der mangelnden Unterstützung?

Baranowski: Zum Teil. Aber wenn das mit Blick auf Veränderungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei einer Kommunalwahl so wäre, dann müssten im September bei der Bundestagswahl deutlich mehr Menschen wählen gehen, weil sie dann etwas verändern können. Jetzt ist die Wahlbeteiligung im Bund ja grundsätzlich höher, doch an eine Rekordbeteiligung glaube ich nicht so recht