Gelsenkirchen. . Die Kassen- und Investitionskredite der Stadt Gelsenkirchen haben Dimensionen erreicht, die das normale Fassungsvermögen eines Bürgers längst deutlich überschritten haben. Auf 1,055 Milliarden Euro beläuft sich die Summe mittlerweile. Auch das Haushaltsdefizit für das Jahr 2013 ist deutlich gestiegen.

Die finanzielle Situation Gelsenkirchens ist dramatisch. Das Haushaltsdefizit für das Jahr 2013 ist „mal eben“ um weitere 19,4 Millionen Euro auf nun 88 Millionen Euro angestiegen, wie Kämmerer Dr. Georg Lunemann am Donnerstag Politik und Öffentlichkeit mitteilte. Der Grund: Unternehmen fordern auf der Basis von Prüfergebnissen zu viel gezahlte Gewerbesteuer zurück.

Im Hintergrund, meist völlig unbeachtet, erreichen zudem die Kassen- und Investitionskredite der Stadt Dimensionen, die das normale Fassungsvermögen eines Bürgers längst deutlich überschritten haben. Zusammengerechnet hat Gelsenkirchen hier die nächste markante Schwelle überschritten: Auf 1,055 Milliarden Euro beläuft sich die Summe mittlerweile. Gut 670 Millionen Euro stehen für Kassen- und rund 385 Millionen Euro für Investitionskredite (Stand 17. Mai 2013).

Schier unglaubliche Zahlen

Schier unglaublich sind die Zahlen, und noch unfassbarer die Perspektive. Denn Lunemann wird nicht müde zu erwähnen, dass diese Beträge bis zum Jahr 2020, wenn der Stärkungspakt Stadtfinanzen, an dessen Stufe II Gelsenkirchen ja freiwillig teilnimmt, tatsächlich für einen ausgeglichenen Haushalt gesorgt hat, noch wachsen werden. Erst danach, wenn die Kommunen diese Situation in den Griff bekommen haben, sei überhaupt an einen Schuldenabbau zu denken, sagt der Kämmerer.

Der neuerliche (finanzielle) Tiefschlag soll erst einmal mit gutbürgerlichen Methoden abgefedert werden. „Wir werden in Absprache mit der Bezirksregierung handeln und einige Aufträge, die für dieses Jahr vorgesehen waren, nicht mehr rausgeben, sondern erst in 2014“, sagt der Kämmerer, ohne konkreter werden zu wollen. Außerdem könnten investive und konsumtive Maßnahmen getauscht werden. Unter investiv werden in diesem Zusammenhang Ausgaben etwa für Baumaßnahmen, für den Erwerb von beweglichen und unbeweglichen Sachen oder Beteiligungen sowie Zuweisungen und Zuschüsse verstanden. Als konsumtive Maßnahmen gelten Ausgaben für Mieten, Büromaterial, Strom oder Personal.

Vervollständigt wird das bedrohliche Szenario in diesen Tagen von einer Nachricht aus den Reihen des Städte- und Gemeindebundes. Der teilt mit, dass es keinesfalls eine Entwarnung für kommunale Haushalte geben kann angesichts von weiterhin steigenden Sozialausgaben bei sinkenden Investitionen. Der Spitzenverband warnt zudem eindringlich und weist daraufhin, „dass sich die Schere zwischen Kommunen mit ausreichender Finanzlage und finanzschwachen Kommunen, die mit Strukturproblemen kämpfen, immer weiter öffnet“. Nach wie vor gelänge es vielen Städten und Gemeinden trotz enormer Konsolidierungsanstrengungen nicht, ihre Haushalte auszugleichen.

Siehe: Gelsenkirchen!

Kommentar: Zu wenig finanzielle Hilfe

Die Ausgaben für soziale Leistungen sind enorm. Im Jahr 2012 gaben die Städte dafür 1,1 Mrd. Euro mehr und damit insgesamt 44,4 Mrd. Euro aus. Auch für Gelsenkirchen heißt das: Die Kosten für Unterkünfte steigen, die Umlage für den Landschaftsverband ebenfalls. Einzig die schrittweise Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund bis zum Jahr 2016 „lindert“ die Situation etwas.

Gleichzeitig wird bei Schulen, Straßen und öffentlichen Gebäuden seit Jahren eher geflickt als grundlegend renoviert. Nach Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau fehlen auf kommunaler Ebene an dieser Stelle 100 Mrd. Euro.

Dass zu wenig Hilfe aus Berlin und Düsseldorf kommt, bleibt den Menschen nicht verborgen. Zu sehr sind sie im täglichen Leben von den Auswirkungen betroffen. Da baut sich die Frage auf: Für wie systemrelevant hält die Politik ihre Bürger eigentlich noch? Und damit auch die Städte? Denn dort leben wir!