Gelsenkirchen. . Einmal im Monat nimmt sich Oberkommissar Klaus Freyer während einer Sprechstunde in Bulmke-Hüllen der unterschiedlichen Bürgersorgen an. Die Top-Beschwerde betreffe die Methadon-Ausgabe einer benachbarten Arztpraxis. „Die Patienten trinken danach gerne noch einen Schluck draußen. Diese Zusammenrottung wird nicht gerne von normalen Bürgern gesehen.“
Konrad Ehlers (52), Schriftführer beim Kleingartenverein Gartenfreunde Bulmke-Hüllen, tippt mit dem Zeigefinger auf die grobe Zeichnung, die er gerade gemacht hat: „Der ist hier, hier und hier am Kokeln.“ Konrad Ehlers ist an diesem Tag der erste „Patient“ von Polizeioberkommissar Klaus Freyer (51). Der Beamte nimmt sich jeden zweiten Donnerstag im Monat im Stadtteilladen an der Wanner Straße von 16 bis 17 Uhr der Sorgen der Menschen aus dem Stadtteil an.
„Wenn ich das nächste Mal Rauch sehe, soll ich dann die Wache anrufen?“, möchte der Kleingärtner vorsichtig wissen. Man wolle der Polizei ja auch nicht mehr als nötig zur Last fallen. „Ja, rufen Sie an. Aber nicht die 110“, sagt Klaus Freyer, „sondern direkt die Wache vor Ort unter der 3 65 53 22.“ Die 110 soll „echten“ Notrufen vorbehalten sein. Es sei immer gut, erzählt er Konrad Ehlers, als Verein aufzutreten, ein offizielles Schreiben an die Stadt aufzusetzen, in diesem Fall ans Ordnungsamt. Er selber, so Freyer, könne nicht immer rausfahren. „Für den Bezirksdienst haben wir nur an einem festen Tag pro Woche ein Auto zur Verfügung.“ Zu Fuß seien Bezirksbeamte mindestens zweimal wöchentlich in ihrem „Beritt“ unterwegs.
„Zeigen Sie mir bitte Wege“
„Die Nächste bitte“ ist eine dreifache Mutter. Nazan Yildirim (35) vermisst in ihrer Siedlung Spielmöglichkeiten für ihre Kinder: „Nur einen Rasen, mehr möchten wir doch nicht.“ Klaus Freyer macht der jungen Frau keine falschen Hoffnungen: „Um so etwas zu bauen, brauchen wir Gelder von der Stadt. Das ist ein langer Weg. Ich weiß nicht, ob ich dafür der richtige Ansprechpartner bin.“ Nazan Yildirim lässt sich nicht so schnell entmutigen: „Zeigen Sie mir bitte Wege.“ Und das tut der Bezirkspolizist, schlägt eine Kontaktaufnahme zum Bürgermeister vor, eine Unterschriftensammlung, die Gründung einer Initiative. Außerdem verspricht er, in der Angelegenheit noch mal mit Doris van Kemenade, der Leiterin des Stadtteilladens zu sprechen. Wirklich zufrieden ist die Mutter dennoch nicht: „Ich hatte mir mehr erhofft. . .“
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Wie voll das „Wartezimmer“ während der Bürgersprechstunde ist, sei durchaus saisonal bedingt. „Im Sommer sitze ich öfter alleine hier“, sagt Klaus Freyer. Viele würden sich auch scheuen, die Polizei zu kontaktieren. Manche Sachen, so der Polizeioberkommissar, würden immer wieder kommen. Die Top-Beschwerde betreffe die Methadon-Ausgabe einer benachbarten Arztpraxis. „Die Patienten trinken danach gerne noch einen Schluck draußen. Diese Zusammenrottung wird nicht gerne von normalen Bürgern gesehen.“ Aber das habe sich mittlerweile gebessert. Die Substituierten würden sich mittags wieder trollen, zudem sei der Drogenhandel in diesem Bereich unterbunden worden: „Das haben wir gut in den Griff bekommen.“
Keine Rechtsauskünfte
Er dürfe während der Bürgersprechstunde keine Rechtsauskünfte erteilen, aber einen möglichen Weg für die Bürger aufzeigen. Meistens betreffen deren Belange die Straße in der sie wohnen, oder benachbarte Parkanlagen, Beschädigungen, Sperrmüll, Streitigkeiten mit dem Nachbarn.
Ein bisschen was von allem hat Thorsten Klein (35) auf dem Herzen. Seit sich am Heinrich-Platz ein Kfz-Mechaniker niedergelassen habe, stünden dort immer wieder abgemeldete Wagen, die mitunter auch Öl verlören. Ein Parkplatz sei nicht mehr zu bekommen. Seine Kinder, so Klein, haben sich auch schon an einem Wagen verletzt, der dort ohne Stoßstange abgestellt worden sei. „Der Mechaniker soll sein Geld verdienen, gar keine Frage. Aber da steckt System hinter“, sagt der 35-Jährige und meint damit, dass die Wagen immer kurz vor Ablauf einer Frist verschwinden würden. Und die Händler, so der Familienvater, würden den Heinrich-Platz abends zudem zumüllen. Der Fall ist Klaus Freyer bekannt. Im vergangenen Jahr seien bereits einige Anzeigen gelaufen. Der Polizeioberkommissar sagt zu, den Werkstatt-Pächter anzusprechen. „Mehr als Sprechen“, so Freyer, kann man erstmal nicht.