Gelsenkirchen. Gehen Sie sonntags gerne einkaufen? Ich nicht. Ich kann mir sehr gut andere Beschäftigungen vorstellen, als mich in einer überfüllten Innenstadt behaupten zu müssen. Es ist der neue Ehrgeiz der Gesellschaft, zu jeder Zeit alles zu wollen. Oder es zumindest zu können.
Mal die Hand aufs Herz: Gehen Sie sonntags gerne einkaufen? Ich nicht. Wirklich nicht. Ich kann mir sehr gut andere Beschäftigungen vorstellen, als mich in einer überfüllten Innenstadt behaupten zu müssen. Am Sonntag! Meine Fluchtorte, wenn ich dann mal mitgehe, sind nicht selten die Geschäfte. Denn dort ist meiner Erfahrung nach oft nicht so viel los, wie etwa draußen vor der Tür – das ist paradox, ich weiß.
Nun ist dieser Eindruck nicht repräsentativ. Auch Journalisten sind in einer Branche unterwegs, in der man sonntags arbeiten muss – jedenfalls immer mal wieder. Aber muss man deshalb für den verkaufsoffenen Sonntag sein? Nein! Oder vielleicht doch, wenigstens in einem kleinen Rahmen?
"Die Amerikanisierung der Gesellschaft"
Es ist der neue Ehrgeiz der Gesellschaft, zu jeder Zeit alles zu wollen. Oder es zumindest zu können. Wolfgang Heinberg (CDU) nannte es in einer bemerkenswerten Ratsrede die Amerikanisierung der Gesellschaft, das 24/7, also: 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche geöffnet zu haben.
Nun sind wir hier nicht in New York, sondern in Gelsenkirchen. Und die Menschen, die hier im Einzelhandel beschäftigt sind, sind auch nicht so etwas wie ein Internetladen, der ständig verfügbar sein muss. Diese Erwartung wäre antisozial. Insofern ist der Antrieb der christlichen Sozialverbände und der „Dienstleistungsgewerkschaft“ Verdi nur zu verständlich, die Menschen zu schützen, indem sie hinterfragen ob und indem sie verhindern wollen, dass es so viele verkaufsoffene Sonn- und Feiertage geben muss.
Aber: Wie immer hat jede Medaille ihre zweite Seite. Auch diese. Und da geht es darum, den Euro, den jeder von uns nur einmal ausgeben kann, möglichst in der Stadt zu halten. Auch über den einen oder anderen verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertag. Die IHK, als Lobbyist, vertritt diese Meinung nur allzu nachvollziehbar. Muss sie auch. Der Einzelhandelsverband schlägt in die gleiche Kerbe. Muss er auch. Denn was ist, wenn Bochum doch öffnet? Was ist mit Essen? Oder mit Recklinghausen, wenn die Arcaden stehen? Mit Oberhausen, wohin ja jeder, der wollte, ohnehin schon unterwegs war an einem solchen Tag?
Lohnt sich das Öffnen an Sonntagen überhaupt?
Es ist ein Abwägungsprozess, und zwar kein leichter. Das spiegelten die Beiträge von SPD, CDU und Grünen im Rat wider. Die FDP hat es sich ein wenig zu einfach gemacht. So liberal, wie sie es möchte, ist noch nicht einmal der Unternehmer gestrickt, der genau rechnen muss, ob sich die Öffnung an einem solchen Tag für ihn überhaupt lohnt oder nur zusätzliche Kosten verursacht.
Es sollte alles auf eine landeseinheitliche und faire Regelung herauslaufen. Zwölf verkaufsoffene Sonn- und Feiertage im Maximum müssen reichen. Und sie sollten in Gelsenkirchen auch nicht (wie jetzt zum Teil) parallel durchgeführt werden, damit dieser Einkaufstag, wenn es ihn schon geben muss, wenigstens dem Stadtbezirk, in dem er stattfindet, ein Alleinstellungsmerkmal garantiert – und damit höchste Aufmerksamkeit.