Gelsenkirchen. . Dass es Wohngegenden in Gelsenkirchen gibt, in denen öffentliches Leben praktisch nicht mehr stattfindet, hat die Pfarrerin Dr. Zuzanne Hanussek und Uwe Hribernigg erschreckt. Mit einem „Mobilen Kaffeekränzchen“ im Zelt wollen sie nun dorthin gehen, wo die Menschen wohnen. Und Kontakte untereinander ermöglichen.

Eine festlich gedeckte Kaffeetafel lädt zum Platznehmen ein. Der Kuchen ist hausgemacht. Es wird bedient wie in einem Café – nur die Rechnung bleibt aus. Das „Café“ ist ein Zelt, für zwei Stunden aufgebaut von ehrenamtlichen Kräften. Die Gäste sind teilweise seit Jahren nicht mehr ausgegangen zum Kaffeetrinken. „Das Mobile Kaffeekränzchen“ bringt sie zusammen – so nennen Uwe Hribernigg und Pfarrerin Dr. Zuzanna Hanussek ihr Projekt. Damit gehen sie dorthin, wo viele alte Menschen leben, wo es keine Treffpunkte mehr gibt, wo Armut zum Alltag gehört.

Vorab machen die beiden sich mit Handzetteln auf den Weg in das Viertel. Sie klingeln an Wohnungstüren und laden persönlich ein. „Wichtig ist es dabei, in der Nähe der Menschen zu sein“, berichtet Hribernigg. „Sie fragen spontan: ‚Wie weit ist es dorthin?’ weil sie sich Sorgen machen, ob sie den Weg bewältigen können. Wenn sie den Ort von ihrer Haustür aus sehen können, sind sie viel eher bereit, sich darauf einzulassen.“

Armut im Alter

Dass es Wohnbereiche gibt, in denen öffentliches Leben praktisch nicht mehr stattfindet, hat Hanussek zwar gewusst, aber bei der ersten Einladungsrunde auch ganz hautnah erlebt. „Da war kein Mensch auf der Straße, es war total still, noch nicht einmal Vogelgesang war zu hören.“ Als am Samstag darauf neun Menschen an der Kaffeetafel saßen und miteinander redeten, war zum ersten Mal seit langer Zeit etwas los in diesem Teil der früheren „Hollandsiedlung“ in Ückendorf.

Die Armut im Alter nimmt zu – gerade in den ursprünglichen Arbeitersiedlungen gibt es besonders viele alte Menschen, die von der so genannten „Grundsicherung“ leben. Diese sollen mit dem Projekt angesprochen werden.

Schwellenängste abbauen

Wie es zu dieser Idee kam? Zuzanna Hanussek ist Pfarrerin und Gerontologin beim Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. In den Frauenhilfen dort fällt es immer mehr Frauen schwer, den Beitrag für ein Kaffeegedeck aufzubringen. „Natürlich müssen sie nichts bezahlen, wenn sie sich das nicht leisten können. Doch wenn das Geld eingesammelt wird, sehen ja die Frauen neben ihnen, dass sie nichts in den Korb legen. Deswegen schämen sie sich und bleiben lieber ganz weg.“

Hribernigg arbeitet bei der Gelsenkirchener Ehrenamtsagentur. Er sagt zur Einrichtung von Beratungsbüros: „Einsame und Bedürftige haben oft gar kein konkretes Anliegen und scheuen sich, dort vorstellig zu werden.“ Das „Mobile Café“ soll diese Schwellenängste abbauen.

Spenden erwünscht

Bisher ist es ein Kreis von sechs Personen, der im Rahmen der „Initiative Spaß im Ehrenamt“ (ISiE) das Zelt aufbaut und die Gäste bedient. Deren Angehörige und Freunde backen und spenden den Kuchen. „Die Betriebskosten für so ein Kränzchen betragen ungefähr 10 €“, so Hribernigg, der selbst als Ehrenamtlicher bei ISiE aktiv ist. Die Grundausstattung – Heizung, Tische und Stühle, Geschirr und Tischdecken haben die Stadtteilerneuerung Südost (aus Fördermitteln) und der Ev. Kirchenkreis (aus Spendenmitteln) mitfinanziert. Derzeit passt das ganze Café in Hriberniggs Kleinwagen: „An der Anschaffung eines größeren Fahrzeugs arbeiten wir noch.“

Zuzanna Hanussek hofft, dass das Projekt Schule machen wird. „Optimal wäre es, wenn in vielen Stadtvierteln eigene Initiativen entstünden und öfter zu solchen Kaffeekränzchen einlüden.“ Wer bei dem Projekt mitarbeiten oder dafür spenden möchte, kann sich ab sofort melden bei der Gelsenkirchener Ehrenamtsagentur unter Tel.169 33 33.