Gelsenkirchen. . Die Stadt Gelsenkirchen hat keinerlei Grund sich über ihre finanzielle Situation zu freuen. Ihr fehlen satte 149,5 Millionen Euro. Ende Januar lag die Summe noch bei “nur“ 108,6 Millonen Euro. Die Differenz von 41 Millionen hat mehrere Gründe.

Die finanzielle Situation der Stadt Gelsenkirchen ist alles andere als rosig. Aufwendungen von 828,5 Millionen Euro stehen Erträge von 679 Millionen Euro gegenüber. Das macht einen Fehlbetrag in Höhe von 149,5 Millionen Euro aus. Stand: 6. Mai 2011 – und im Kern der Botschaft liegt keine Überraschung.

Außer dieser. Denn bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes Ende Januar belief sich der Fehlbetrag auf „nur“ 108,6 Mio Euro. Aufwendungen in Höhe von 811,7 Millionen Euro standen da noch 703,1 Millionen Euro bei den Erträgen gegenüber.

Die Differenz heute beträgt also gut und gerne 41 Millionen Euro.

Fehlbetrag gestiegen

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen die Minderung der Gewerbesteuervorauszahlung eines großen Steuerzahlers um immerhin 24 Millionen Euro, die vorher nicht absehbar war, weil sie sich an aktuelle politische Entwicklungen anlehnt. Zum anderen die bilanziell veränderte Darstellung des Kinderklinikgeländes, die aktuell rund 15,5 Millionen Euro ausmacht, aber keine lineare Belastung darstellt (sie wird lediglich in die Stadterneuerungsgesellschaft überführt).

Weitere Zahlen: Es wird im Jahr 2011 Auszahlungen für Investitionsmaßnahmen in Höhe von rund 70 Mio Euro geben, die Einzahlungen für den Bereich betragen rund 33 Mio Euro, der Eigenanteil für städtische Investitionen beläuft sich demnach auf rund 37 Mio Euro.

Das sind die katastrophalen Eckdaten eines städtischen Haushaltsplanes, der mit breiter politischer Mehrheit (SPD, CDU, Grüne, FDP und BIG) am Freitag im Rat der Stadt beschlossen worden ist.

Es drängen sich Fragen auf:

Wie kann man das Desaster stoppen?

Jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Auch in diesem Punkt herrscht traute Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg. Die strukturelle Unterversorgung einer Stadt wie Gelsenkirchen, die auf sie abgewälzten horrenden Kosten im Sozialbereich sind keine hausgemachten Probleme, sondern von Bund und Land verursacht. Wenn eine Großstadt, der es nicht gut geht, Kassenkredite aufnehmen muss, um den Aufbau Ost immer noch mitzubezahlen, dann liegt der Fehler im System. Da sind Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) und Kämmerer Dr. Georg Lunemann (CDU) nicht mehr Herren eines Verfahrens, sondern werden degradiert zu Verwaltern eines Missstandes.

Was aber bedeutet das für die Menschen in Gelsenkirchen?

Erst einmal nicht viel. Überraschenderweise. Trotz des Defizits sind sich die großen demokratischen Parteien in der Stadt einig, dass blindes Abschneiden mit der Schere nichts anderes wäre, als die Stadt kaputt zu sparen. Das Zerschlagen von funktionierenden Strukturen würde am Ende sogar mehr kosten, wenn sie jemals wieder aufgebaut werden müssten. Entsprechend sollen Inhalte unberührt bleiben wie: Bildung, Jugend, Soziales, Kultur und Sport. Es soll sogar (wie berichtet) präventiv investiert werden, etwa in ein Eingangsscreening in Kindergärten. Auch die (Stadt)Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten sollen (müssen) vorangetrieben werden.

Was also tun?

Personal in der Verwaltung einzusparen, bringt nichts. Ohnehin wird diese Zahl nach Möglichkeit reduziert, in diesem Jahr um zwölf weitere Stellen. Betriebsbedingte Kündigungen sind kein Ansatz für nicht selbst verursachte Problemsituationen. Das Anheben der bereits hohen Sätze in den Bereichen Gewerbesteuer und Grundsteuer würden eher abschrecken Wirkungen erzielen.

Kaffeesatz-Leserei

Eine Hoffnung liegt (für fast alle) im Haushaltssicherungskonzept. Der Landtag scheint auf dem Wege zu sein, den oft zitierten Paragrafen 76 der Gemeindeordnung zu verändern. Die dritte Lesung in Düsseldorf steht aus, doch würde der Konsolidierungszeitraum (von vier auf zehn Jahre) verlängert, würde das Perspektiven verändern können, vielleicht sogar restriktive Maßnahmen verhindern, um eine bilanzielle Überschuldung grundsätzlich abzuwenden.

Bleibt am Ende eine Frage, deren Beantwortung derzeit nicht mehr als Kaffeesatz-Leserei ist: Wie reagiert die Bezirksregierung in Münster auf den verabschiedeten Haushalt?