Gelsenkirchen. Die Probleme reichen von Eltern, die jede Regel verweigern, bis hin zu Grundschulkindern, die noch einnässen. Was OGS-Betreuer erzählen.
Die Probleme, mit denen Betreuerinnen und Betreuer im Offenen Ganztag (OGS) an Grundschulen zu kämpfen haben, sind extrem, dabei aber auch sehr unterschiedlich. Je nach sozialem Umfeld der Schule gibt es einerseits Eltern, die wenig Interesse an der Sozialfähigkeit ihrer Kinder zeigen oder Eltern, die zu hohe Ansprüche stellen. Es gibt Kinder, die noch nicht trocken sind und Begleitung zur Toilette benötigen. Überall jedoch sind die Betreuungsgruppen zu groß, ist die Personaldecke viel zu dünn, um Bildungsarbeit leisten zu können. Was erfahrene Betreuerinnen von verschiedenen Gelsenkirchener OGS-Trägern berichten.
Betreuerin: „Auch unsere Eltern sind sehr anspruchsvoll“
Kim Riedel arbeitet seit 16 Jahren in der OGS, aktuell an der Bülseschule. „Am Anfang hatte ich 20 Kinder in der Gruppe, jetzt sind es 130 Kinder in drei Räumen, mit zwei Fachkräften plus Ergänzungskräften. Und die Eltern sind sehr anspruchsvoll“, berichtet sie.
Melanie Hartmann, seit 17 Jahren dabei und an der Sandstraße im Einsatz, bestätigt die Beobachtung: „Der Erziehungsstil hat sich geändert. Es gibt kein ‚Nein‘ mehr. Es wird über alles diskutiert, unsere Regeln gelten für die Kinder nicht. Nur was die Eltern sagen, zählt“, stöhnt sie. Manche Kinder müssten das „wirklich ausgewogene, gute Essen“ nicht einmal probieren, wenn sie nicht wollen, die Eltern bestärkten ihre Kinder darin. Viele würden nur an sich denken, es fehle am Gemeinschaftsgeist, hat sie beobachtet. Mehrere Kolleginnen in der Gesprächsrunde nicken zustimmend.
Fast überall dürfen sich nur berufstätige Eltern bewerben
Aber es gibt auch ganz andere Phänomene, berichtet Christina Schiffmann, die an der Ebersteinstraße als OGS-Fachkraft arbeitet. Es ist die einzige Schule in Gelsenkirchen, in der alle Kinder einen OGS-Platz bekommen. An fast allen anderen Grundschulen dürfen sich ausschließlich berufstätige Eltern um einen OGS-Platz bewerben, und nicht einmal alle Berufstätigen können versorgt werden.
Unter den Bedingungen an der Ebersteinstraße – OGS-Plätze für alle Kinder – zeigen sich Schiffmann zufolge noch andere Probleme. Es gibt Kinder, die nie eine Kita von innen gesehen haben. Kinder, die sich nicht die Schuhe selbst binden können, kaum eine Jacke selbst anziehen. Kinder aus verschiedensten Kulturen und Sprachen. Da gibt es laut Schiffmann leicht Missverständnisse unter den Kindern. Zumal manches Kind nur Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung kennt. Wenn der Rechtsanspruch auf OGS-Betreuung 2026 kommt, auch Kinder aus nicht-berufstätigen Familien sich bewerben dürfen, wird es an allen Schulen derart gemischte Gruppen geben.
Betreuerin: Schwer, Kinder mit höherem Bedarf nicht zu verlieren
„An der Ebersteinschule gibt es eigentlich viel Platz zum Spielen, für Bewegung als Ausgleich. Was fehlt, sind genug Betreuende, um die Weitläufigkeit mit genug Aufsicht nutzen zu können“, berichtet Schiffmann. „Die Kapazität, allen Kindern auch gerecht werden zu können, fehlt einfach“, klagt sie. Dabei sei es „sehr schwer, gerade die Kinder, die noch viel Unterstützung benötigen, nicht zu verlieren in der ersten Phase.“
An fast allen anderen Schulen allerdings sind die Gruppen zu groß und die Räume zu klein. Kinder haben hier kaum eine Chance, sich auszutoben, nachdem sie in den vorausgegangenen Unterrichtsstunden still sitzen mussten. Extra-Angebote in Arbeitsgemeinschaften, die zum Bildungsauftrag der OGS gehören, den Kindern Abwechslung bieten, können die wenigsten mangels Personal und Räumen wirklich durchgängig anbieten.
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An der Liebfrauenstraße funktionieren AGs meist noch. Medien, Musik, Sport sind im Angebot, andere bieten vereinzelt Tanz und Yoga. Die Kinder lieben es, versichern alle. Aber dafür braucht es Personal.
Als wir die Regenbogenschule besuchen, sind wegen des Brückentags auch Kinder der Ebersteinschule und der Sternschule vor Ort. An der Schalker Regenbogenschule selbst kümmern sich drei Fachkräfte, zwei Auszubildende plus Ergänzungskräfte um 160 Kinder. Von 12 bis 16 Uhr an normalen Tagen, mit geliefertem Mittagessen. „Manche Kinder bekommen hier ihre einzige Mahlzeit des Tages. Deshalb sind wir froh, dass wir die Essensmengen individuell steuern können, damit sie sich satt essen können“, erklärt der Leiter der Betreuung hier, Fabio Guder.
Fehlende Küchenkapazität verhindert höhere Betreuungsrate
Dabei ist just das kalt angelieferte und hier erst erwärmte Essen das Nadelöhr, hier und an den meisten anderen Grundschulen. „Die fehlende Küchenkapazität zum Wärmen und Spülen verhindert, dass wir mehr Kinder aufnehmen können. Daran ändert auch ein Rechtsanspruch nichts“, erklärt Guder. Warm angeliefertes Essen samt Geschirr und externer Spülküche wäre auch für die meisten zu teuer. Selbst der Essensraum ist zu klein für mehr Kinder, schon jetzt wird nacheinander gegessen. Es gibt hier ein offenes System statt fester Gruppen; die Kinder können zwischen Spielen, Hausaufgaben und Spiel- oder Fußballplatz wechseln.
Dass hier aber bis 2026 Anbauten entstehen, um mehr Kinder betreuen zu können, hält Guder für unrealistisch, wie an den meisten Schulen älteren Baujahrs in der Stadt, vor allem im Schalker Einzugsgebiet. Aktuell ist die Regenbogenschule fünfzügig, das heißt, an die 500 Kinder müssten beim Rechtsanspruch versorgt werden können.
Ein weiteres Problem: Weil die Situation für die Betreuerinnen und Betreuer so belastend ist, zugleich die Arbeitsverträge meist auf 20 bis 25 Wochenstunden begrenzt sind, wandern viele ab, Fachkräfte wechseln in die Kita oder andere Bereiche, in denen Vollzeitverträge möglich sind. Und wie ab August 2024 die Finanzierung der OGS-Betreuung in Gelsenkirchen überhaupt finanziert: Das ist bis heute nicht geklärt. Trotz Notruf der Träger bereits im vergangenen Jahr.