Gelsenkirchen. Bei der Organisation des Offenen Ganztags an Gelsenkirchener Schulen ab 2026 gibt es noch viel Regelungsbedarf. Und klare Ansagen vom Land.
Ab August 2026 haben Eltern von Grundschulkindern einen gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung ihrer Sprösslinge. In Gelsenkirchen dürfte das dann für etwa 2900 bis 3100 Kinder gelten. Seit Oktober 2021 ist der Anspruch durch die Bundesregierung im Sozialrecht gesetzlich verankert. Es wird keine Pflicht geben, sondern ein Recht. Eltern müssen das Angebot also nicht nutzen, müssen aber einen Platz bekommen, wenn sie es wünschen. Davon können Eltern bisher nur träumen. Zwar wird der Ausbau des Angebotes seit Jahren vorangetrieben. Doch Räume, Personal und auch Finanzierung reichen bisher nicht, um alle Wünsche zu erfüllen.
Experten empfehlen Unterricht und andere Angebote im Wechsel
Was die Stadt Gelsenkirchen aktuell ausbremst in den Planungen sind fehlende, konkrete Ausführungsbestimmungen des Landes. Zwar gibt es seit Oktober klare Empfehlungen eines eigens dafür eingesetzten Expertengremiums. „Aber bislang ist nicht einmal klar, ob es einen rhythmisierten Ganztag geben soll oder nicht“, klagt Bildungsdezernentin Anne Heselhaus auf Anfrage. Das heißt, es ist nicht klar, ob es Unterrichtszeiten bis mittags und danach Betreuungsangebote geben soll oder diese Angebote zwischen Unterrichtsblöcke geschoben werden können. Was der Expertenrat ausdrücklich befürworten würde.
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„Multiprofessionelle Teamarbeit strukturell und verbindlich verankern“ lautet eine weitere Forderung der Expertenrunde, verbunden mit „attraktiven Anstellungsverhältnissen“ für die multiprofessionellen Kräfte. Eingebunden werden ins Betreuungsangebot sollen in Gelsenkirchen auf jeden Fall weiterhin lokale Akteure wie Sportvereine oder Kunst- und Musikschule. Im Sportbereich sorgt aktuell Gelsensport in Absprache mit der Verwaltung für die Verständigung zwischen Vereinen und Schulen. Dieses Angebot soll bis zum Rechtsanspruch ausgedehnt werden.
Der Landessportbund hat in dem Rahmen die Aufstockung des Projekts „Fachkraft für den Ganztag“ angekündigt - von einer halben auf eine ganze Stelle, und zwar vom kommenden Jahr an bereits zwecks Vorbereitung. „Aber wir wissen noch nicht, wie diejenigen, die aus den Vereinen dann im Offenen Ganztag mit den Kindern arbeiten werden, bezahlt werden sollen. Und wie es funktionieren kann“, gibt Präsident Klaus Lindner zu bedenken. Denn noch gibt es keine Aussagen zur Finanzierung dieser Arbeit. Das Problem: Die sportliche Betreuung müsste ja tagsüber laufen, zu normalen Arbeitszeiten. „Aber da müssen unsere meist ehrenamtlich tätigen Sporthelfer oder Übungsleiter ja in aller Regel arbeiten, um Geld zu verdienen“, nennt er das Problem beim Namen. Sportstudierende einzusetzen wäre zwar auch eine Option. Aber auch für sie bräuchte es ein Budget.
Rentner als Sporthelfer in der OGS-Betreuung?
Infrage kämen daher wohl, so Lindner, eher Sportbegeisterte, die bereits im Ruhestand sind oder Frauen, die wegen ihrer Familienarbeit nicht berufstätig sind. Diese auszubilden als Sporthelfer gehört für Gelsensport zum normalen Geschäft. Doch für die Arbeit dieser Kräfte müsste es auch Geld geben. „Außerdem gibt es ja auch Sportarten, die nicht direkt an der Schule ausgeübt werden können. Golf, Tennis, Kricket etwa. Dafür muss es einen Fahrdienst geben“, fordert Marc Kopatz, Geschäftsführer beim neu aufgestellten Verein Gelsensport.
Unzufrieden mit dem aktuellen dürftigen Informationsstand ist aber auch Bildungsdezernentin Anne Heselhaus: „Es müssen viele Akteure eingebunden werden in die Vorbereitung der professionellen Offenen Ganztagsbetreuung. Es wird in unserem Dezernat eine Arbeitsgruppe mit den verschiedenen Akteuren angesiedelt, um das gemeinsam vorzubereiten und zu koordinieren. Dazu wird Roy Primus als Leiter der Stabsstelle Sport gehören, ebenso wie Gelsensport, Musikschulvertreter, Kunstschule und natürlich Verwaltung. Aber wir benötigen klare Ansagen von der Landesregierung zu den Bedingungen, unter denen das stattfinden soll, und zur Finanzierung.“
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Bis 2029 müssen noch 5000 Plätze geschaffen werden - mindestens
Für all das drängt die Zeit allerdings gewaltig. Aktuell gibt es in der Stadt 4048 Plätze im Offenen Ganztag in den vier Grundschuljahrgängen, was einer Versorgungsquote von etwa 35 Prozent entspricht. Im August 2026 müssten es zwar für den einklagbaren Rechtsanspruch „nur“ 3000 etwa für die Erstklässler sein, allerdings möglichst verteilt über alle 41 Grundschulen, damit alle Schulanfänger wie vom Gesetz vorgesehen in den Genuss kommen können, plus den vorhandenen Plätzen für höhere Klassen. Bis zum Sommer 2029 dann müssen es für alle Grundschuljahrgänge - je nach Entwicklung bei der Zuwanderung - zwischen 10.000 und 12.000 sein. Selbst wenn nicht alle das Angebot in Anspruch nehmen, dürften 8000 bis 9000 das notwendige Minimum sein.