Gelsenkirchen. Damit es rundum Gelsenkirchens Kneipen zu weniger Ärger kommt, soll die Stadt jetzt einen besonderen „Bürgermeister“ für die Nacht bekommen.

Das Nachtleben in Gelsenkirchen mag nicht mehr das sein, was es mal war. Aber Konflikte zwischen Party- und Gastroszene auf der einen und der Nachbarschaft auf der anderen Seite gibt es auch heute zu Genüge. Zum Beispiel rund um das „Lokal ohne Namen“ (L.ON, auch „Fuck“) an der Hagenstraße in Buer, wo es immer wieder zu Lärmbeschwerden kam – was Betreiber Christopher „Kiki“ Klug im Frühjahr wiederum so frustrierte, dass er öffentlichkeitswirksam nach Hilfe rief. Damit derartige Auseinandersetzungen künftig vor der Eskalation befriedet werden können, soll nun eine neue Stelle in Gelsenkirchen geschaffen werden: Die Stadt soll ihren ersten „Nachtbürgermeister“ bekommen.

Die Idee kommt von der CDU-Fraktion. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner der SPD hat die Union beantragt, 85.000 Euro in den Haushalt 2024 einzustellen, um eine solche Stelle zu finanzieren. „Für die Stadt wäre es schön, ein sehr lebendiges Nachtleben zu haben. Von daher würden wir uns wünschen, dass so ein Nachtbürgermeister eingreift, wenn es zu Konflikten kommt“, erläuterte die haushaltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Laura Rosen, das Anliegen. Außerdem wünsche man sich von einem Nachtbürgermeister, „die Nachtkultur auszubauen und neue Impulse zu setzen“, nicht nur in Buer, auch in der City, wo die Wiederbelebung der Gastro-Szene noch etwas lahmt.

Gastronomie in Gelsenkirchen-Buer soll ausgebaut werden

Hintergrund für den Antrag sind in der Tat die Spannungen rund um die Hagenstraße sowie auch der grundsätzliche, längst laufende Ausbau des gastronomischen Angebots in Buer. Christoph Klug, der auch für die FDP im Rat sitzt, hat seinen Kiez dieses Jahr mit zahlreichen Formaten belebt - vom Kulturbiergarten über ein Weinfest bis zum Kiezkunstfestival. Auch andere Gastronomen haben grünes Licht für die Ausweitung ihrer Außenflächen bekommen. 2024 soll nach einem erfolgreichen Experiment in diesem Jahr außerdem die Sackgasse Hagenstraße erneut für den temporären Biergarten „Urbanus-Kiez“ für Autos gesperrt werden, dieses Mal sogar für einen wesentlich längeren Zeitraum.

Christoph „Kiki“ Klug (Gastronom und FDP-Ratsherr, li.) auf dem „Urbanus-Kiez“ im Sommer 2023. Das Biergarten-Experiment soll 2024 wiederholt werden.
Christoph „Kiki“ Klug (Gastronom und FDP-Ratsherr, li.) auf dem „Urbanus-Kiez“ im Sommer 2023. Das Biergarten-Experiment soll 2024 wiederholt werden. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Damit die Belebung des Nachtlebens ohne größere Reibereien verlaufen kann, soll nun der Nachtbürgermeister eingesetzt werden. Erfahrung mit einer solchen Stelle hat man bereits in anderen Kommunen gemacht: In Essen soll eine vergleichbare Stelle entstehen, in Bonn, Köln, Aachen oder Münster gibt es sie längst. So wie auch in Dortmund. Besetzt wurde die Stelle, die dort „Nachtbeauftragter“ heißt, vor rund zweieinhalb Jahren mit Chris Stemann, der viele Jahre selbst als „DJ Firestarter“ in den Clubs aufgelegt hat.

Dortmunder „Nachtbeauftragter“: Diese Tipps hat er für Gelsenkirchen

„Auch ich wollte früher nichts mit der Stadtverwaltung zu tun haben“, sagt der Dortmunder im WAZ-Gespräch. „Aber wenn jemand selbst aus dem Nachtleben kommt und sich mit den Clubbetreibern austauscht, dann gibt es da weniger Berührungsängste.“ Deswegen sei es wichtig, eine solche Stelle mit „jemandem aus der Szene“ zu besetzen.

Und einen weiteren Tipp hat Stemann für Gelsenkirchen: Die Stelle sollte idealerweise so angelegt sein, dass der Nachtbürgermeister „dezernatsübergreifend“ arbeiten kann. „Die Schwarmintelligenz ist bei so einer Stelle ganz wichtig!“ Damit man als Nachtbeauftragter erfolgreich sein könne, reiche außerdem nicht das Geld für die Personalkosten, auch ein gut ausgestattetes Budget sei wichtig. Mehrere Hunderttausend Euro habe er für Projekte ausgeben können, sagt Stemann, der insbesondere die „Dortmund Guides“ hervorhebt.

Dahinter steckt ein „mobiles Moderationsteam“, das in den Sommermonaten rund um den Westpark und das Dortmunder U unterwegs ist, um mit den Menschen für „ein florierendes Nachtleben“ ins Gespräch zu kommen und für ein „rücksichtsvolles Miteinander zu sensibilisieren.“ Angesprochen werden für den Job vor allem Studierende aus sozialwissenschaftlichen oder pädagogischen Fächern, verdienen können sie bis zu 16,87 Euro die Stunde. Der Einsatz der Guides hätte für eine deutliche Reduzierung der Beschwerden an Polizei und Ordnungsamt gesorgt, berichtet Stemann.

Inwiefern all das ein Modell für Gelsenkirchen sein kann, das steht natürlich noch in den Sternen. Gastronom „Kiki“ Klug jedenfalls ist erst einmal froh, dass für die Schaffung einer solchen Stelle eine Mehrheit im Rat gefunden wurde (auch seine Partei will dem Haushalt voraussichtlich zustimmen). Der Konflikt rund um das „Fuck“ hätte aber längst auch ohne „Nachtbürgermeister“ gelöst werden können. „Es war vielmehr der Tag-Bürgermeister“, sagt Klug mit einem Grinsen und hebt die Rolle von Bezirksbürgermeister Dominik Schneider (SPD) beim Vermitteln zwischen Nachbarn und Gastronomen hervor. Hilfreich könne aber sein, mit einem „Nachtbürgermeister“ einen dauerhaften Ansprechpartner zu haben – eben auch mit Blick auf die weitere Belebung des Buerschen „Kiez“.