Gelsenkirchen. Als Wohnungsbaugesellschaft muss die GGW wirtschaftlichen Erfolg haben, zugleich soziale Aspekte berücksichtigen. Wie der Balance-Akt gelingt.

Wohnungsunternehmen sind dem Gewinn verpflichtet. Der Profit muss möglichst groß sein, um die Eigentümer zufriedenzustellen. Stellschraube: meist der Mietpreis. Die Gelsenkirchener GGW tickt da anders – und unter dem Strich bleibt trotzdem ein Plus. Die gemeinnützige Gesellschaft schließt mit einem Umsatzerlös von 41,45 Millionen Euro (Vorjahr: 37,8 Millionen Euro) und einem Gewinn von 1,71 Millionen Euro (2021: 1,5 Millionen Euro) das Geschäftsjahr 2022 ab.

„Die GGW kann noch bezahlbaren Wohnraum anbieten“, sagt GGW-Geschäftsführer Harald Förster bei der Vorstellung der Unternehmenszahlen. In einer Stadt mit den geringsten Einkommen und der höchsten Arbeitslosenquote Deutschlands ist es Ziel der Stadttochter, die harte Lebenswirklichkeit eines großen Teils der Bevölkerung nicht außer Acht zu lassen. Das gelingt der GGW unter anderem durch ein breites Fundament an erfolgreichen Beteiligungen (siehe Info-Box), das Wohnungsangebote unterhalb der üblichen Marktpreise möglich macht.

Sozialer Auftrag: Mietpreise der Gelsenkirchener GGW liegen unter den Marktpreisen

Für eine 60 Quadratmeter große Wohnung in Gelsenkirchen werden im Durchschnitt 6,46 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. Die GGW kann das preislich um gut einen Euro unterbieten. Die durchschnittliche Wohnungsmiete wurde im Laufe des Geschäftsjahres 2022 von 5,27 Euro pro Quadratmeter (Stand: Januar 2022) auf 5,37 Euro pro Quadratmeter (Stand: Januar 2023) erhöht. Das entspricht einer Mietsteigerungsquote von 1,9 Prozent. Bundesweit liegt der Anstieg bei 5,3 Prozent.

Im frei finanzierten Bereich lagen die Wohnungsmieten zum Jahresende bei rund 5,51 Euro pro Quadratmeter und im öffentlich geförderten Bereich bei rund 5,12 Euro pro Quadratmeter.

Beides trägt dazu bei, dass die Leerstandsquote sich am Ende des Geschäftsjahres mit 1,5 Prozent (Vorjahr: 2,6 Prozent) erneut auf einem sehr niedrigen Niveau bewegte. Förster: „Wir sind der stabilisierende Faktor in der Stadt, wir hauen nicht eine Erhöhung nach der anderen drauf.“ Lesetipp: Hier schafft die GGW modernen Wohnraum

GGW Gelsenkirchen: 5000 Wohnungen mit rund 333.000 Quadratmetern Wohnfläche

Die Gelsenkirchener Wohnungsgesellschaft bewirtschaftet zum Bilanzstichtag 5000 Wohnungen mit circa 332.500 m² Wohnfläche. Davon sind 676 Wohnungen barrierearm und 1846 Wohnungen preisgebunden. 1300 Wohnungen sind durch den Kauf der Gesellschaft für Wohnungsbau mbH (GfW) dazu gekommen, der der steigende verwaltungstechnische Aufwand für ihren Bestand letztendlich über den Kopf gewachsen war.

Ein Zukauf, für den sich die GGW ordentlich finanziell habe strecken müssen, der aber strategisch sinnvoll gewesen sei, um „die Wohnungen nicht dem freien Markt zu überlassen“. Preiswerte und qualitativ wertige Mietwohnungen sind rar und der Markt überhitzt. Für die GGW mit ihrem sozialen Auftrag war es daher logisch, die Preisspirale durch den Zukauf abzubremsen. Die Grenze des möglichen GGW-Wachstums bezifferte Förster bei einem Bestand von etwa 15.000 Wohnungen.

Sorge wegen „zweiter Miete“: Gelsenkirchener GGW verfügt über Härtefall-Fonds

Ein Arbeiter befestigt Styroporplatten zur Wärmedämmung an einer Hausfassade. 75 Prozent aller GGW-Wohnungen in Gelsenkirchen sind energetisch saniert.
Ein Arbeiter befestigt Styroporplatten zur Wärmedämmung an einer Hausfassade. 75 Prozent aller GGW-Wohnungen in Gelsenkirchen sind energetisch saniert. © picture alliance/dpa | Armin Weigel

Sorge bereiten Harald Förster die Betriebs- und Heizkosten. Neben den Sollmieten in Höhe von 26,1 Millionen Euro (56,1 Prozent) stellen diese mit 14,13 Millionen Euro (30,4 Prozent) den zweitgrößten Posten aller Mittel in der Geschäftsbilanz dar. Zwar sind 75 Prozent aller GGW-Wohnungen energetisch saniert und es gibt laut Förster „sogar einen Härtefallfonds mit einem Volumen von 500.000 Euro“, der angezapft werden kann, wenn Kunden ihre „zweite Miete“ nicht mehr stemmen können. Absehbar aber sei, dass der Fonds auf lange Sicht nicht ausreicht, wenn Heiz- und Betriebskosten weiter ansteigen. Da sieht Förster den Bund in der Pflicht, finanzielle Brücken zu bauen.

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Und zwar für die Mieter als auch für die Wohnungsunternehmen. Innerhalb der vergangenen 30 Jahre hat die GGW ihren CO2-Ausstoß von jährlich 18.000 auf heute 8000 Tonnen reduziert. Ein Rückgang von mehr als 50 Prozent. Die Vorgabe, bis 2030 auf 65 Prozent zu kommen, hält der Geschäftsführer trotz aller Dämmungsmaßnahmen und Umsteigen auf regenerative Energieträger (Anteil: 15 Prozent durch Wärmepumpen- und Pellet-Einsatz) für schwierig.

Förster: „Billige Wohnungen gibt es genug, was Gelsenkirchen fehlt, ist Wohnqualität“

„Billige Wohnungen gibt es genug, was Gelsenkirchen fehlt, ist Wohnqualität“, sagt Harald Förster. Deshalb treibt die Stadttochter die Weiterentwicklung des Bestands und den Neubau energieeffizienter Mehrfamilienhäuser voran. Und das bei „aktuell Fremdfinanzierungskosten in vierfacher und bei Bauzinsen in doppelter Höhe“, so der Geschäftsführer.

2022 wurde das Neubauprojekt „Am Virchowbogen“ mit 24 barrierearmen Wohnungen an der Bochumer Straße 167 fertiggestellt. Alle laufenden Projekte liegen laut GGW „im Zeitplan“, auch die beiden größten Vorhaben in der Darler Heide 30 mit insgesamt 51 Wohnungen und im Waldquartier sechs bis acht mit insgesamt 20 Wohnungen samt einer vierzügigen Kita. Möglich ist das unter anderem auch dadurch, dass sich die GGW bereits vor der Preis- und Zinsexplosion mit frischem und billigem Geld eingedeckt hat.

Ziele: 500-Millionen-Euro-Marke knacken – Gewinne für soziales Wirtschaften

Einen Großteil des Kita-Ausbaus hat die GGW nach Angaben Försters in den vergangenen zehn Jahren geschultert. Ihr Ziel ist es, dass „Ende 2024 1000 Kinder in diesen Einrichtungen“ betreut werden. Auch beim Thema Schulneubauten ist die GGW treibende Kraft. Parallel dazu strebt die Stadttochter es an, mit ihrer Bilanzsumme innerhalb der nächsten zwei Jahre die Marke von 500 Millionen Euro zu knacken, derzeit liegt sie bei 429,4 Millionen Euro. Ein Vorhaben, das nur gelingt, wenn trotz des sozialen Wirtschaftens am Ende eines Geschäftsjahres ein Gewinn unter dem Strich steht. Förster abschließend: „Ohne Gewinne bliebe in zehn Jahren nur noch ein ausgezerrtes Unternehmen übrig.“