Gelsenkirchen-Ückendorf. Die GGW feierte Richtfest am „Virchowbogen“. Für Gelsenkirchen steht der Neubau mit 24 Wohnungen für den Stadtumbau. Er ist auch Erinnerungsort.
Es war eine mindestens dreifache Premiere, die Donnerstag an der Bochumer Straße anstand: Die GGW, die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, feierte das erste Richtfest in einem ihrer Neubauten nach dem Corona-Lockdown. Der SPD-Stadtverordnete Lukas Günther war in seiner Funktion als neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Stadttochter GGW erstmals als Redner gefordert. Und auch für Herfried Langer, einer der Geschäftsführer der Bochumer Tor5 Architekten, ist das Projekt in Ückendorf an der Ecke Bochumer-/Virchowstraße eine Premiere. Erstmals realisiert sein Büro hier für die GGW ein Projekt, weitere sind in Arbeit.
Erinnerung an das Kaufhaus Alexander und jüdische Geschäftsleute in Gelsenkirchen
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Und auch das machte dieses Treffen von Bauleuten zur Besonderheit: Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, redete beim Richtfest, weil der Neubau auch ein Ort des Erinnerns wird.
Beim Abriss der Altbauten wurde eine Brandmauer freigelegt – mit einer wandfüllenden Reklame für das Kaufhaus Alexander. Für „Anzüge und Überzieher“ warb der Betrieb an der Stelle. Alexander war im Besitz jüdischer Eigentümer. „Wie viele jüdische Geschäfte trug das Haus zum Aufschwung Gelsenkirchens bei“, so Neuwald-Tasbach, deren Vorfahren einst ein florierendes Bettengeschäft in der Stadt betrieben – und wie die Alexanders Opfer wurden. Opfer von Antisemitismus, Verfolgung, Mord und Vertreibung in der NS-Dikatur.
Zwei Schrottimmobilien an gleicher Stelle wurden für den Neubau abgerissen
Ein kleiner Teil der Wandbeschriftung wird erhalten bleiben. Im dritten Stock werden Bewohner und Besucher künftig auf die Ziegelwand und ein „ü“ blicken – und noch Informationen zur Geschichte der Firma Alexander bekommen. „Hier ist etwas schönes und wichtiges passiert“, findet Neuwald-Tasbach, die ihre Rede mit einem jüdischen Haussegen für den Neubau und seine Bewohner beendete.
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Die Basisfakten zum Neubau
Mit „Wohnen mit Heimvorteil“ bewirbt die GGW den Komplex, der unter dem Wohnprojekt „Virchowbogen“ firmiert – ein Hinweis darauf, dass hier architektonisch keine Einheitsware hochgezogen wird.
Das Gebäude, drei Etagen plus Staffelgeschoss, bekommt eine abgerundete Fassade zur Kreuzung hin, Loggias und Balkone zur Bochumer Straße, großzügige Dachterrassen entstehen im Staffelgeschoss. Das Gebäude wird barrierefrei und ökologisch vorzeigbar – mit Fernwärmeanschluss und begrüntem Flachdach. 24 Wohneinheiten, rund 60 bis gut 90 Quadratmeter groß, entstehen in Ückendorf, davon sind 20 öffentlich gefördert.
Bei 5,80 Euro pro Quadratmeter liegt die Kaltmiete. Mit 9 Euro ist der Preis bei den frei finanzierten Wohnungen kalkuliert. „Ich bin sicher, die Wohnungen werden eine hohe Nachfrage haben“, sagt GGW-Geschäftsführer Harald Förster. Über 5,3 Millionen Euro investiert das Wohnungsunternehmen an der Bochumer Straße, auch weil die GGW hier ein Zeichen für den Stadtumbau setzen will. „Zwei absolute Schrotthäuser wurden hier erworben und abgerissen“, so Förster. Die Verhandlungen, unter anderem mit einer weltweit verzweigten Erbengemeinschaft waren zeitaufwendig und teuer. Doch die GGW versteht sich auch als Stadtviertel-Reparateur: Sie geht Projekte an, vor denen Privatinvestoren zurückschrecken würden. Förster: „Am Ende ist hier jeder Quadratmeter Baugrund doppelt so teure wie am Buerschen Waldbogen.“
Architekt Langer: „Es sind schwierige Zeiten für bezahlbaren Wohnungsbau“
In zwölf Monaten, schätzt Herfried Langer, werde das Haus einzugsbereit sein. Die Enge des Baugrundstücks erschwert das Vorhaben. Zudem, so die Akteure, seien die Preise für Baustoffe zuletzt exorbitant gestiegen. „Wir arbeiten gegen grassierenden „Ungeist in Finanzierungs- und Baupreispolitik. Das sind schwierige Zeiten für bezahlbaren Wohnungsbau“, finden Architekt und Bauherr.
„In den vergangenen Jahren ist in dieser Umgebung viel geschehen“, stellt OB Karin Welge fest. „Ich finde, eine solche Aufbruchsstimmung ist wichtig für unsere ganze Stadt. Das Gesicht dieses Stadtteils wird sich nach und nach verändern. Probleme werden beseitigt, neues entsteht.“
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