Gelsenkirchen. Familie Hüser aus Gelsenkirchen hat sich ein Solardach und eine Wärmepumpe angeschafft. Hier erzählt sie von der schwierigen Reise.

Es läuft immer noch nicht alles. Und dieses Mal liegt es lediglich an einem Passwort, das Familie Hüser für die Inbetriebnahme des Wechselrichters benötigt. „Es ist immer etwas anderes“, sagt Nicole Hüser, mit mittlerweile routinierter Gelassenheit. Eigentlich sei sie ja sehr glücklich mit der Pionierrolle, die sie und ihr Ehemann in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis eingenommen hätten – als die ersten, die gewagt haben, 38 Photovoltaik-Module aufs Dach zu bringen und sich eine Wärmepumpe in den Vorgarten zu stellen. Ende 2021 gestartet, liegt hinter der vierköpfigen Scholvener Familie jedoch eine wahre Sanierungs-Odyssee mit unzähligen Fallen und Tücken.

Energieberater sollte Haussanierung in Gelsenkirchen betreuen – dann tauchte er unter

Als Nicole Hüser (42) und ihr Mann Dennis (44) ihr Einfamilienhaus in Scholven vor über zehn Jahren kauften, „da hatten wir uns direkt Gedanken darüber gemacht, wie wir auf Gas verzichten könnten.“ Auch autark werden wollte die Familie. Die Angebote diverser Firmen für Photovoltaik seien zu diesem Zeitpunkt aber so teuer gewesen, dass die Familie das Projekt erst einmal verschob. Als ihr Bausparvertrag dann zuteilungsreif war, kamen die alten Pläne wieder zum Vorschein – und Ende 2021 wurde der Entschluss gefasst, das Haus energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. „Da dachten wir, jetzt ziehen wir es durch!“

Los ging es mit der Suche nach einem Energieberater, der die Sanierung koordinieren sollte. Im Internet suchte Nicole Hüser nach freien Beratern im Umkreis und skizzierte ihnen, was die Familie vorhat. „Einer sollte das gesamte Projekt im Blick behalten, sich um alles kümmern“, sagt die hauptberufliche Vorstandsassistentin. Als der richtige gefunden war und er zum ersten Hausbesuch antrat, da sei sie erst einmal sehr positiv gestimmt gewesen. „Wir hatten den Eindruck, der hat was drauf!“

Mit 38 Photovoltaik-Modulen ist das Haus der Familie Hüser ausgestattet. Im Juni 2022 wurden sie angebracht, aktiv sind sie immer noch nicht alle.
Mit 38 Photovoltaik-Modulen ist das Haus der Familie Hüser ausgestattet. Im Juni 2022 wurden sie angebracht, aktiv sind sie immer noch nicht alle. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Der Energieexperte fand eine passende Firma für die Photovoltaik-Module und für die Wärmepumpe. Der Vertrag für das Großprojekt wurde unterschrieben. Und dann gingen die Probleme los.

Denn schon bald habe sich der Energieberater einfach nicht mehr gemeldet. Er reagierte nicht auf Anrufe, Nachrichten, wie auch der Whatsapp-Verlauf von Nicole Hüser zeigt. Plötzlich war die Familie, die ihr Großprojekt in vertrauensvolle Expertenhand geben wollte, ganz auf sich alleine gestellt.

Lieferprobleme: Gelsenkirchener Familie wartet über ein Jahr auf Speicher und Wechselrichter

Geliefert und angebracht wurden die Solarmodule im Juni 2022 trotzdem. Aber nicht der Speicher und der Wechselrichter. „Man sagte uns, das wird wenige Wochen dauern.“ Warten mussten die Hüsers am Ende über ein Jahr.

Die PV-Module hätten bis dahin kein bisschen ihrer versprochenen Leistung von 14 Kilowatt-Peak (kWP) einspeisen können, wenn Nicole Hüser nicht nach einem halben Jahr Wartezeit auf die Idee gekommen wäre, die Fachfirma zu fragen, ob man nicht provisorische Wechselrichter installieren könne. „Man muss ja vielleicht nicht alle Module anklemmen?“, erinnert sie sich an ihre „naive“ Frage. Und tatsächlich, so wurde es dann gemacht. Aber erst im November 2022, als die sonnenreiche Jahreszeit schon vorbei war.

Immerhin liefen die PV-Module ab dann auf 80 Prozent. Was manches nicht einfacher machte, zum Beispiel die Frage, wie man den Teilbetrieb in der Einkommenssteuererklärung darstellt und was das für die Mehrwertsteuererstattung bedeutet, die man für eine Solaranlage bekommen soll. Es sind Fragen, um die sich eigentlich der Energieberater kümmern sollte. Als Hüser selbst beim Finanzamt anrief, sei sie nur auf Ratlosigkeit gestoßen. „Da wusste auch keiner Bescheid, wie man das darstellt.“

Überhaupt, die Sache mit den Telefonaten. Nervenaufreibend sei die Kommunikation am Ende mit fast allen Firmen gewesen, die bei dem Projekt involviert waren. Viele Ansprechpartner seien nur per Mail erreichbar gewesen. „Eine Firma hat sich dann auch noch aufgelöst, dann hatte plötzlich eine andere übernommen“, erinnert sich Nicole Hüser.

Wärmepumpe: Fachfirma machte beim Einbau viele Fehler

Als die PV-Anlage im November stückweise lief, da stand mittlerweile die Wärmepumpe. Ihre Installation im Oktober ist die Klimax der Odyssee.

Denn zuallererst zeigte sich die einbauende Firma überrascht, weil das Fundament für die Wärmepumpe im Vorgarten nicht schon bereitstand. „Uns wurde ein ,Sorglos-Paket’ versprochen, aber dann hieß es, wir hätten das Fundament selbst gießen müssen“, sagt Dennis Hüser – was er dann auch tatsächlich tat, um nicht noch mehr Geld ausgeben zu müssen. Dass das Fundament „bauseits herzustellen“ sei, habe im Vertrag gestanden. „Dass damit gemeint war, dass wir uns selbst drum kümmern müssen, hätte ich nicht gedacht.“

Die WAZ klärt auf über Photovoltaik

Wollen Sie auch umrüsten? Die WAZ-Photovoltaik-Serie klärt über alle wichtigen Fragen auf. Lesen Sie hier alle Folgen:

Mehr Texte zu Themen wie energetische Sanierung, Wärmepumpen und Nachhaltigkeit lesen Sie auf unserer Themenseite „Fair Ändern - so geht Nachhaltigkeit im Alltag“: waz.de/nachhaltigkeit

Als die Installateure dann kamen, um die Wärmepumpe anzuschließen, hätten die sich „aber auch nicht mit Ruhm bekleckert“, erinnert sich der 44-Jährige. „Ich musste ihnen teilweise erklären, wie es läuft“, sagt er. „Unfassbar“ sei das gewesen, meint seine Frau. „Die haben die Wärmepumpe nicht ans Laufen bekommen und mein Mann, der kein Heizungsbauer ist, wusste es besser.“

Ein Laie ist Dennis Hüser nicht. Er betreut im Chemiepark Marl das Energienetz, ist ein Profi in Sachen Mittel- und Hochspannung. Er und seine Frau fragen sich, wie es wohl gewesen wäre, hätte er keine Ahnung von der Materie gehabt. „Dann hätten wir vermutlich immer noch kein warmes Wasser.“ Denn das hatte die Familie zwei Wochen lang nicht.

Die Hüsers haben damit etwas erlebt, was viele Menschen in Deutschland treffen könnte, die auf eine Wärmepumpe umrüsten wollen. Schließlich haben viele Betriebe keine Erfahrung mit den Geräten. Zwar nehmen die Schulungsangebote für den professionellen Einbau der Geräte Fahrt auf, wie aus der Branche zu hören ist. Aber Betriebe, die jahrzehntelange Erfahrung mit dem Einbau von Gas- oder Ölheizungen haben, dürften nach einer Wärmepumpen-Schulung sicher nicht auf demselben Stand sein.

Als das Problem von den Installateuren nicht gelöst werden konnte, kam schließlich der Notdienst von Vaillant, dem Gerätehersteller. Falsch eingebaute Bypass-Ventile, fehlerhafte Einstellung und Entlüftung der Wärmepumpe: „Der Notdienst hat dann die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als er gesehen hat, was die sich hier zurecht gebaut haben“, erinnert sich Dennis Hüser.

Nun steht sie da, die Wärmepumpe im Vorgarten von Familie Hüser. Beim Einbau bekleckerten sich die Installateure allerdings nicht mit Ruhm.
Nun steht sie da, die Wärmepumpe im Vorgarten von Familie Hüser. Beim Einbau bekleckerten sich die Installateure allerdings nicht mit Ruhm. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Dann lief die Luft-Wasser-Wärmepumpe endlich – aber noch ohne PV-Anlage, ohne Stromspeicher. Für die Hüsers bedeutete das, dass sie den Strom für die Wärmepumpe (etwa 6000 kWh im Jahr) teuer selber einkaufen mussten, statt sich selbst zu versorgen – und das in Zeiten extrem gestiegener Strompreise. „Wir hatten dann einen Mordsabschlag“, sagt Hüser.

Trotz vieler Probleme: Gelsenkirchener Familie ist nach Haussanierung glücklich

Und das Passwort? Das ist eine Woche, nachdem die Hüsers der WAZ ihre Geschichte erzählt haben, immer noch nicht da. Verwirrende Zuständigkeiten bei den Firmen scheinen das Problem zu sein. Der provisorische Wechselrichter ist aber mittlerweile abgebaut. Heißt: Die PV-Module konnten keinen einzigen Sonnenstrahl der vergangenen Hitze-Tage einspeisen.

Insellösung

Um wirklich autark zu sein, hat sich Familie Hüser für eine sogenannte „Insellösung“ entschieden. Das heißt: Die Familie ist komplett unabhängig vom öffentlichen Stromnetz. Aber auch hier lauern Fallen.

Denn Photovoltaikanlagen funktionieren nicht bei einem Stromausfall des öffentlichen Netzes - selbst wenn die Sonne scheint. „Daran haben wir bei der ursprünglichen Planung des Projektes nicht gedacht“, sagt Dennis Hüser, dem die Unabhängigkeit bei der Sanierung wichtig war.

Installieren lassen musste die Familie deshalb einen sogenannten „Power Switch“, der auch bei Netzausfall einen Weiterbetrieb der Photovoltaikanlage gewährleistet.

Auf eine neue Dämmung haben die Hüsers bei ihrer Sanierung übrigens verzichtet. Das Dach sei erst vor nicht allzulanger Zeit erneuert worden, teilten sie mit.

Ihre Investition von 43.000 Euro für die PV-Anlage (minus 1500 Euro Fördergeld von der Stadt Gelsenkirchen und Mehrwertsteuer) und 28.000 Euro für die Wärmepumpe (minus 35 Prozent Förderung) bereuen die Hüsers trotz all dem trotzdem kein Stück, wie sie sagen. Als die Solarmodule stückweise von November bis Juni liefen, da habe sie „richtig Spaß gehabt“, als sie stellenweise mit eigenem Strom Herd und Waschmaschine anwerfen konnte. „Da freut man sich wie Bolle!“ Und wenn es endlich da ist, das Passwort, dann rechnet die Familie auch damit, dass sich ihre Investition lohnt. „Dann sind wir endlich autark“, sagt Nicole Hüser. „Aber man braucht mehr als einen gesunden Menschenverstand, um solche Projekte anzugehen.“