Gelsenkirchen. Trotz der Energiekrise gab es bei der Zahl der angemeldeten Wärmepumpen in Gelsenkirchen 2022 kein Hoch. Das Handwerk macht der Politik Vorwürfe.

Trotz der Klimakrise und der Lossagung von billigem Gas aus Russland ist der große Wärmepumpen-Boom in Gelsenkirchen bislang ausgeblieben. Wie man der WAZ beim örtlichen Netzbetreiber, der ELE Verteilnetz GmbH, auf Nachfrage mitteilte, wurden von 2019 bis 2022 jährlich fast dieselbe Zahl an Wärmepumpen in Gelsenkirchen angemeldet.

So sind jährlich etwa 60 der strombetriebenen Geräte in Betrieb genommen worden. 2019, also lange vor der Energiekrise in Deutschland, war die Zahl im Vier-Jahres-Vergleich sogar noch am höchsten. Damals wurden 66 der meldepflichtigen Wärmepumpen erfasst. 2022 lag die Zahl bei 63.

Laut ELE-Sprecher Peter Efing wird bei den Zahlen nicht unterschieden, welche Art von Wärmepumpe angeschafft worden ist – also ob es sich etwa um ein Luft-Wasser-System oder eine Sole-Wasser-Pumpe handelt. Eine Gesamtzahl aller in Gelsenkirchen betriebenen Geräte konnte man beim Netzbetreiber nicht nennen. Die Stadt hat Gesamtzahlen zu den genehmigten Erdwärme- und Grundwasser-Geräten (Infobox).

Handwerker: „Wärmepumpen-Hype ist da“ – aber Lieferschwierigkeiten bremsen ihn aus

„Der Wärmepumpen-Hype ist da, aber die Hersteller können nicht liefern“, sagt Andreas Wilms, Obermeister der Innung Sanitär, Heizung und Klima Gelsenkirchen.
„Der Wärmepumpen-Hype ist da, aber die Hersteller können nicht liefern“, sagt Andreas Wilms, Obermeister der Innung Sanitär, Heizung und Klima Gelsenkirchen. © Unbekannt | SHK

„Der Wärmepumpen-Hype ist definitiv da“, sagt hingegen Andreas Wilms, Obermeister der Innung für Sanitär, Heizung und Klima (SHK) in Gelsenkirchen und verweist auf die „riesige Anfragen“ unter interessierten Kunden, die ökologischer heizen wollen. „Aber das Problem ist, dass die Hersteller nicht schneller als zwischen zehn und 14 Monaten liefern können.“

Von sechs Geräten, die er im April 2022 bestellt habe, sei inzwischen lediglich ein einziges eingetroffen. „Für das Handwerk ist das eine sehr unzufriedenstellende Situation“, hält Wilms fest. Schließlich komme es durchaus vor, dass man die Kunden berate, das Gerät bestelle, man bereits eine Heizlastberechnung durchführe und den Förderantrag für die Wärmepumpe stelle – der Kunde dann während der monatelangen Wartezeit aber doch abspringe. In über einem Jahr kann schließlich viel passieren – sich zum Beispiel die finanzielle Situation ändern.

Was eine Wärmepumpe aktuell kostet

Und die muss für die Investition in eine Wärmepumpe schließlich sehr stabil sein. Für ein Einfamilienhaus mit etwa 150 Quadratmetern Wohnfläche müsse man mittlerweile 35.000 bis 40.000 Euro einplanen, rechnet Wilms grob vor. Gefördert werden laut Bundeswirtschaftsministerium mittlerweile nur noch maximal 40 Prozent vom Staat, zehn Prozent Förderung sind letztes Jahr entfallen. Für die maximale Förderung müssen es besonders effiziente Typen sein.

„Es gibt bei den Kosten aber viele Unwägbarkeiten“, sagt Wilms. Wird eine separate Anschlussleitung benötigt? Werden neue Zähler gebraucht, weil der Kunde einen Wärmepumpen-Stromtarif abschließen möchte? Muss er eine Öl- oder doch eine Gasanlage fachgerecht demontieren und entsorgen lassen? Wer die Wärmepumpe dann auch noch mit einer Photovoltaik-Anlage kombinieren möchte, auf den kommt dann schnell ein sechsstelliger Betrag zu. Lesen Sie hierzu:Gelsenkirchen: So viel Geld gibt’s für Dach-Solaranlagen

Handwerker-Obermeister aus Gelsenkirchen macht Politik Vorwürfe

Unzufrieden ist Wilms nicht nur wegen der anhaltenden Lieferkettenprobleme. Er findet: „Die Politik arbeitet nicht eng genug mit dem Handwerk zusammen.“ So sei es zu „unrealistischen“ Bundesverordnungen für die Standards bei der Überprüfung von Heizungsanlagen gekommen.

Etwa 100 Erdwärmegeräte

Die häufigste Variante der Wärmepumpe ist eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Aber es gibt auch weitere Varianten. So hatte der CDU-Politiker Alfred Brosch etwa jüngst bei der Stadtverwaltung erfragt, wie viele Grundwasserwärmepumpenanlage („Wasser-Wasser-Prinzip“) genehmigt wurden. Die überraschende Antwort: „In Gelsenkirchen sind 1986, 2008 sowie 2009 insgesamt drei Wärmepumpen nach dem Wasser-Wasser Prinzip genehmigt worden. Eine befindet sich im Stadtteil Resse, eine Anlage in Buer sowie eine in Hessler.“ Aufgrund zahlreicher problematischer Faktoren, wie etwa dem „eisen- und manganhaltige Grundwasser in Gelsenkirchen“ seien diese Wärmepumpen in den vergangenen Jahren kaum nachgefragt worden, so das Umweltreferat.Viel häufiger nachgefragt würden seit 2018 Erdwärmesonden, die ebenfalls genehmigt werden müssen. Für solche Erdwärmepumpen ist eine tiefe Bohrung notwendig. Laut Stadt gibt es in Buer mittlerweile 81 Erdwärmegeräte. Vereinzelt wurden sie laut Stadt auch in Bismarck, Horst, Hüllen, Rotthausen, Schalke und Ückendorf installiert.

Um einen hydraulischen Abgleich zu machen, müssten jetzt beispielsweise „umständliche Berechnungsverfahren“ herangezogen werden. Das sei nicht nur für den Kunden wesentlich teurer, dem personell ohnehin abgemagerten Handwerk „fehlt dafür auch die Zeit“ – Zeit, die man etwa bräuchte, um die sechs Millionen Wärmepumpen einzubauen, die bis 2030 in Deutschland laufen sollen. Auch das Abstandsgebot von drei Metern zum Nachbarn stehe dem Wärmepumpen-Ausbau im Weg. Die Bundespolitik operiere derzeit „ohne fundiertes Wissen“ aus dem Handwerk, fasst es Wilms aus seiner Sicht zusammen.

Aber auch der Stadtspitze in Gelsenkirchen macht der Obermeister Vorwürfe. „Oberbürgermeisterin Karin Welge hat vor ihrer Wahl gesagt, sie wolle sich enger mit dem Handwerk abstimmen“, sagt er. „Wir hier haben sie aber noch nie bei uns gesehen.“