Gelsenkirchen. Aggressive Jugendliche in Gelsenkirchen rauben Kinder aus. Der Leiter der Polizeiinspektion Gelsenkirchen redet Klartext über die Raubserie.

Er spricht von jungen Tätern, die „ohne Verstand“ handeln und „eine sehr große Bereitschaft zur Gewalttätigkeit haben“: Andreas Morbach, Leiter der Polizeiinspektion Gelsenkirchen, hat im Ordnungsausschuss gegenüber der Politik eingeordnet, wie er die jüngste Serie von Raubzügen Jugendlicher auf Gleichaltrige einschätzt. Nachdem das Thema bereits den NRW-Landtag beschäftigte, kam es nun auch auf Antrag der CDU in Gelsenkirchen auf die Tagesordnung.

„Unabhängig von Beschwerden über ordnungswidriges und störendes Verhalten, haben wir derzeit tatsächlich eine Zunahme an Raubdelikten von sehr jungen Tätern, die uns große Sorgen bereiten und die wir in der Konzentration vorher nicht hatten“, machte Morbach noch einmal mit Blick auf die aktuelle Situation in der Gelsenkirchener Innenstadt deutlich. Gleichwohl sei dies nicht nur ein Gelsenkirchener Problem, sondern bekannterweise auch in anderen Ruhrgebietsstädten wie Duisburg zu beobachten. Die Taten spielten sich zwischen 13 und 22 Uhr ab – also quasi direkt nach Schulschluss bis spätabends.

Polizei Gelsenkirchen zu jugendlichen Räubern: „Wir begegnen einer enormen Respektlosigkeit“

Große Beute hätten die zwischen elf und 17 Jahre alten Täter nicht im Blick. „Da geht es oft nicht um viel, um ein bis zwei Euro, Handys oder Turnschuhe.“ Der Wert der Beute sei also nicht sehr hoch, „aber die Bereitschaft zur Gewalttätigkeit ist sehr groß“, betonte der Inspektionsleiter. Es würden Messer, Stöcke oder Hämmer eingesetzt. „Und wenn diese Täter dann festgenommen werden, begegnen wir einer enormen Respektlosigkeit.“

Andreas Morbach, Leiter der Polizeiinspektion Gelsenkirchen, zu jugendlichen Räubern und wie sie reagieren, wenn sie gefasst werden: „Wir begegnen einer enormen Respektlosigkeit“.
Andreas Morbach, Leiter der Polizeiinspektion Gelsenkirchen, zu jugendlichen Räubern und wie sie reagieren, wenn sie gefasst werden: „Wir begegnen einer enormen Respektlosigkeit“. © Pressestelle Polizei Gelsenkirchen

Laut Morbach hat die Polizei Gelsenkirchen mittlerweile eine Ermittlungskommission eingesetzt, die versucht, die Hintergründe für die Taten zu erhellen. Einzelheiten aus den Ermittlungen könne man noch nicht mitteilen. „Aber im Moment gehen wir nicht davon aus, dass es Banden sind, sondern dass es Jugendliche sind, die uns sowieso schon bekannt sind, die sich aber zusammengeschlossen haben in Gruppen. Und die bei Gelegenheit, wenn ein potenzielles Opfer vorbeikommt, zugreifen – ohne große Planung und ohne großen Sinn, sowieso ohne Verstand.“

Morbach spricht auch von einem „Präsenzkonzept“, die Bereitschaftspolizei sei nun vermehrt mit Streifen an der Bahnhofstraße und auf dem Heinrich-König-Platz unterwegs. „Wir haben auch zivile Truppen unterwegs, die versuchen, sofort Personen abzugreifen.“ Auch machte der langjährige Polizist auf die Waffenverbotszone aufmerksam, welche die Bundespolizei vom 30. November bis 5. Dezember am Gelsenkirchener und Essener Hauptbahnhof einrichten will.

Grenzen für Strafmündigkeit: „Diese Regeln kennen die Täter genau“

Auf die Frage von SPD-Ratsherr Manfred Peters, wie sehr sich die Täter durch die volle Strafmündigkeit ab erst 18 Jahren motiviert fühlen würden, Straftaten zu begehen, sagte Morbach: „Ich hoffe nicht, dass nur das Wissen über die Strafmündigkeit jemanden motiviert. Aber wir stellen fest, dass die von uns erfassten Jugendlichen ganz genau wissen, wo die Strafbarkeitsgrenze liegt und dass sie genau wissen, was die Polizei darf und wo unsere Grenzen liegen.“ Zwar würden die Täter „nicht besonders intelligent handeln“, wenn es darum geht, Taten zu vertuschen. „Aber diese Regeln kennen sie genau.“

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Bei Kindern würden zwar die Eltern zur Wachen bestellt, um diese wieder in die Obhut der Eltern zu geben. „Von Obhut kann man da in manchen Fällen aber nicht sprechen“, betonte Morbach. „Und von Interesse der Eltern an den Kindern auch nicht.“

Belästigung am Heinrich-König-Platz: Was aus den Sorgen der Gewerbetreibenden geworden ist

Situation an den Schulen

Neben den Delikten in der Innenstadt kam es auch im Umkreis von weiterführenden Schulen zuletzt gehäuft zu Raubüberfällen auf Kinder. Die WAZ berichtete über die Situation am Gauß-Gymnasium und an der Hauptschule Grillostraße. Diese Vorfälle müsse man mit den Situationen in der Innenstadt zusammen betrachten. „Aus unserer Sicht gibt es da einen Zusammenhang“, so Andreas Morbach von der Polizei Gelsenkirchen.

Laut Mark Haverkamp, Abteilungsleiter Sicherheit und Ordnung, hat man die Präsenz des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) im Umfeld der weiterführenden Schulen mittlerweile erhöht. Man sei an drei Schulen mit drei Streifen an den nahe liegenden Haltestellen, Spielplätzen und Aufenthaltsplätzen unterwegs – nach der ersten, nach der zweiten Pause sowie nach Unterrichtsschluss

Immerhin – und das gab einen etwas positiveren Blick auf die Situation in der City – ist man offenbar weitergekommen, wenn es um Probleme wie Ruhestörung, Beleidigungen und Belästigung durch Jugendgruppen geht. Im Sommer 2021 richteten sich Gewerbetreibende in der Innenstadt mit ihrer Klage über jugendliche Unruhestifter an die WAZ. Es folgten neue Sicherheitskonzepte durch Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) und Polizei. Sozialarbeiter versuchten, Jugendliche mit Angeboten wie einem aufblasbaren Fußballfeld abzufangen. Der damals einberufene „Arbeitskreis HKP“ sei nun eigentlich wieder für den September geplant gewesen. „Das wurde von den Gewerbetreibenden aber nicht mehr nachgefragt“, sagte Haverkamp. „Die Situation wurde als positiv wahrgenommen.“

Die Raubzüge in der Innenstadt, das ergänzte Abteilungsleiter Kollege Thomas Richter vom KOD, seien jedoch ein anderes Thema. „Das“, sagte er, „hat eine ganz andere Dimension.“