Gelsenkirchen. Die Galeria Kaufhof hat Staatshilfe angefragt, die Mitarbeiter sollen wieder mal auf Gehalt verzichten. Ein Besuch im Kaufhof Gelsenkirchen.

Die Schaufenster sind dunkel, die Dekoration mit Waren ersetzen großformatige Fotos der neuesten Mode und Werbeplakate für die aktuelle Rabattaktion – 20 Prozent ab dem Kauf von zwei Teilen. Innen jedoch strahlt er hell erleuchtet und eigentlich auch gut bestückt, der Kaufhof, der eigentlich längst Galeria heißt, was in Gelsenkirchen aber kaum jemand sagt.

Eröffnet vor 55 Jahren im Sommer

Vor 55 Jahren hat der Kaufhof hier im Herzen der Einkaufsmeile erstmals die Türen geöffnet, das war im Juni 1967. Mehr als 1000 Menschen bot der Vollsortimenter mit Feinkostabteilung und Restaurant hier zu Hochzeiten einen Arbeitsplatz. Wie viele es heute sind, ist nicht zu erfahren. Sicher ist: Es ist ein Bruchteil.

Damals warb gegenüber auch die Weka, das große Westfalenkaufhaus, um Kunden. Die Weka ist als Kaufhaus seit 1995 Geschichte. Und nun bangen Kunden, Beschäftigte und die ganze Stadt um ihr letztes Kaufhaus, nachdem die Konzernleitung wieder einmal die Tarifverträge gekündigt hat und Staatshilfe anmahnt. [Lesen Sie dazu: Galeria Kaufhof befindet sich in bedrohlicher Lage]

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Wieder einmal sollen die Mitarbeiter bezahlen für die Konzernverluste. Am Donnerstag wird in Frankfurt mit Verdi über die einseitige Kündigung des Tarifvertrags verhandelt. Dabei haben auch Gelsenkirchener Mitarbeiter schon häufig auf Gehalt verzichtet, um „ihr“ Haus zu retten. Auch wenn das in manchen Fällen anderswo stand, noch Karstadt hieß und längst geschlossen ist. Wer als Kunde fragt, ob und wann das Haus denn geschlossen wird, bekommt nur optimistische Antworten. „Nein, wir schließen nicht!“ wird versichert. Und dass man fest überzeugt sei, dass es weitergeht. Noch Jahre. Tatsächlich soll der Mietvertrag bis ins Jahr 2035 festgeschrieben sein.

Defekte Rolltreppen und hochwertiges Sortiment beim Porzellan

Manche Ecken im Haus und der notdürftig abgehängte Aufgang zur ehemaligen Saturn-Etage lässt viele Kunden dennoch zweifeln. Dabei ist das Sortiment durchaus stattlich. Im Untergeschoss hochwertiges Porzellan und Haushaltswaren, die im Gelsenkirchener Süden sonst kaum noch zu finden sind, Bettwäsche, ein riesiges Wäschesortiment, Damen- und Herrenkonfektion aktueller Mode in üppiger Auswahl auf zwei Etagen, plus Marken-Sportartikel, Kinderkleidung, Spielzeug, ein Halloween-Spezial mit Vampiren und Hexen in allen Spielarten.

Die Gänge werden im Erdgeschoss breiter

Im Erdgeschoss sind die Freiflächen ein wenig größer geworden, die Gänge breiter. Gedränge kann hier kaum entstehen. So groß ist allerdings der Andrang auch nicht. An der Kundenfrequenz ist das Datum ablesbar. Am Monatsanfang ist es voller als am Ende, wie überall, wenn das Geld knapp wird. Und es wird ja immer knapper. Jetzt erst recht.

Von Verkäufern gestört werden Kunden eher selten. Die wenigen, die da sind, haben zu tun mit Ware einräumen, umräumen, auspreisen. Nicht alle Kunden schätzen es, „in Ruhe“ einkaufen zu können. „Wenn man mal einen sucht, ist doch keiner da. Dass man mal gefragt wird ,Was kann ich für Sie tun?’, das kommt doch gar nicht vor!“, klagt eine Kundin, die aus alter Verbundenheit regelmäßig in den Kaufhof kommt. Obwohl sie mittlerweile in Bochum lebt. „Aber wenn der Kaufhof nicht mehr da wäre, käme ich gar nicht mehr nach Gelsenkirchen. Hier ist doch sonst nichts mehr seit auch noch Schlatholt weg ist.“

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Offizielle Antworten auf Fragen zur Zukunft des Hauses gibt es nicht. Bis zur Geschäftsführung wird gar nicht erst durchgestellt, die Warteschleife der Vermittlung mündet nach langen Minuten im Nirwana. Der Betriebsrat hat beschlossen, nicht Stellung zu beziehen, Anfragen laufen auch hier ins Leere. Nur Erstverkäuferin Anja Sabrowski, Mitglied der Tarifkommission Gehalt und seit 30 Jahren im Haus tätig, formuliert ihre Zuversicht klar: „Ich gehe ganz fest davon aus, dass es uns auch in zehn Jahren hier noch gibt!“ Für den Erhalt des Tarifvertrags setzt sie sich bei den Verhandlungen in Frankfurt zum Erhalt der Tarifbindung als Verdi-Mitglied weiter ein, das nächste Mal an diesem Donnerstag.

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Doch sie ist wohl nicht die einzige mit Zuversicht. Aus gut informierten Kreisen jenseits des Hauses hat die WAZ erfahren, dass „Kaufhof sein Warenhaus-Konzept deutschlandweit stärker auf die jeweilige Innenstadtsituation, also unter anderem die Kaufkraft am jeweiligen Standort anzupassen gedenkt.“ Was für Gelsenkirchen wohl mit einer Umstellung des Sortiments auf mehr Angebotsware verbunden sein dürfte.