Gelsenkirchen. Um Energie zu sparen, wurden die Temperaturen in Gelsenkirchens Bädern reduziert. Wie die Vereine klarkommen – und was sie Frostbeulen raten.
- Trotz der Energiekrise schließt kein Bad in Gelsenkirchen. Sogar wird das Angebot mit der Traglufthalle im Sportparadies wieder ausgebaut. Die Inbetriebnahme verzögert sich aber weiterhin.
- Währenddessen versuchen die Schwimmvereine, sich mit den neuen Temperaturen in den Bädern zu arrangieren. Um Energie zu sparen, werden diese weniger beheizt.
- Die Erfahrungen mit dem kälteren Wasser sind unterschiedlich. Aber von Neoprenanzügen halten die Ausbilder nicht besonders viel.
Während in manchen Kommunen bereits Schwimmbäder schließen, will man in Gelsenkirchen trotz der extrem gestiegenen Energiepreise und drohenden Gas-Mangellage das 50-Meter-Außenbecken im Sportparadies auch im Winterbetrieb zur Verfügung stellen und beheizen. Damit soll der Mangel an Schwimmmöglichkeiten, der durch das abgerissene Zentralbad entstanden ist, aufgefangen werden. Aufgestellt werden soll dafür eine Traglufthalle. Doch deren Inbetriebnahme verzögert sich weiter.
Zuletzt hieß es, die Traglufthalle werde nach den Herbstferien stehen, jetzt will Stadtwerke-Sprecherin Janin Meyer-Simon erst einmal kein neues Datum nennen. Man hoffe zwar, dass es in den nächsten zwei Wochen so weit sein wird, einen genauen Termin könne man jedoch nicht nennen. Das Problem ist weiterhin die Statik: Die Stadtwerke warten auf Edelstahl-Platten, die zwar bestellt sind, aber offenbar nicht geliefert werden können. „Wenn die Platten endlich eintreffen, muss es jedoch noch zwei bis drei Tage trocken bleiben, damit die Halle aufgebaut werden kann.“
Diese Erfahrungen machen Gelsenkirchener Schwimmvereine mit niedrigen Wassertemperaturen
Die örtlichen Schwimmvereine sind jedenfalls froh, dass das Außenbecken überhaupt bereitgemacht wird und es trotz des Energiekrieges mit Russland nicht zu einer weiteren Schließung der Bäder in der Stadt kommen soll. „Alles besser als eine erneute komplette Schließung und damit eine weitere Generation von Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmern“, sagt Ulrike Schlegel, zweite Vorsitzende der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Gelsenkirchen-Mitte – und nimmt deshalb auch gerne die Temperaturreduzierung in den Bädern in Kauf.
Um Energie zu sparen, wird das gechlorte Wasser auch in Gelsenkirchen weniger beheizt als vorher: Die Wassertemperatur in den Lehrschwimmbecken, wurde von 32 auf 28 Grad reduziert, in den normalen Becken ist es jetzt 26 statt 28 Grad warm. Im Sportparadies, wo die DLRG Mitte derzeit ihre Anfänger-Kurse anbietet, führt man die Kinder allerdings im geräumigeren Becken ans Seepferdchen heran. Das heißt: Auch die Kleinen müssen mit 26 Grad klarkommen.
„Die neuen Temperaturen sind eine Herausforderung“, sagt Ulrike Schlegel. „Wir halten die Kinder jetzt mehr in Bewegung, dafür benötigen wir natürlich mehr Übungsleitungen.“ Die Übungseinheiten weiter zu reduzieren, um die Kinder nicht frieren zu lassen, sei jedoch keine Option. „Diese haben wir bereits vor Jahren auf 35 Minuten verkürzt.“
Auch die Schwimmgemeinschaft Gelsenkirchen bildet Schwimmanfänger im Sportparadies, aber auch im Hallenbad Horst und dem Lehrschwimmbecken der Lessing-Realschule aus. „Die Wartelisten für die Kurse sind weiterhin sehr lang, abgesprungen ist wegen der geringeren Temperaturen noch kein Kind“, sagt Manfred Wöllke vom geschäftsführenden Vorstand der Schwimmgemeinschaft. „Es gibt immer einige kälteempfindliche Kinder, die haben schon vor der Temperaturabsenkung gefroren“, sagt er. Notfalls rate man jenen Eltern, ihren Frostbeulen einen preiswerten Neoprenanzug zu besorgen.
„Optimal fürs Training“: Niedrige Wassertemperatur wird in Gelsenkirchen teils auch positiv wahrgenommen
Sogar förderlich seien die neuen Temperaturen dagegen für den Leistungsbereich. „Bei 26 Grad bekommen die Schwimmer besser Luft, überhitzen nicht“, sagt Wöllke. Das sieht auch Andreas Ortmann von der DLRG Buer ähnlich: „Das ist die optimale Trainingstemperatur, das ist sogar sportwissenschaftlich untersucht.“ Bei 28 oder 29 Grad Intensivtraining dagegen sei „manch einem der Kopf geplatzt“.
Aber auch was die Nichtschwimmerausbildung angeht, blickt Ortmann entspannt auf das Energiesparen im Wasser. Beim letzten Ferienschwimmkurs im Hallenbad Buer habe es „keinerlei Probleme oder Beschwerden“ gegeben. Dass die DLRG-Kollegen in Gelsenkirchen-Mitte die Situation herausfordernder bewerten, führt Ortmann auch darauf zurück, dass man im Norden eben auf ein wärmeres Lehrschwimmbecken zurückgreifen könne. „Mittlerweile können nur noch Kinder ab sechs Jahren an den Kursen teilnehmen, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass sie weniger verspielt sind und schneller lernen“, ergänzt Ortmann. „Ich habe den Eindruck, dass diese Kinder auch die abgesenkten Temperaturen eher ertragen können als die ganz Kleinen.“
„Muffelig und schimmelig“: Gespaltenes Verhältnis zu Neoprenanzügen
In Neopren sei deshalb zuletzt aber noch niemand im Kurs erschienen. Ohnehin hat Ortmann ein „gespaltenes Verhältnis“ zu den Tauchanzügen. „Die Kinder müssen beim An- und Ausziehen unterstützt werden, können nicht mal eben auf die Toilette. Und es gibt oft auch hygienische Probleme, weil die Anzüge auch mal in der Schwimmtasche liegengelassen werden und nicht ausgewaschen werden.“ Kümmerten sich die Eltern nicht, würden die Kinder in muffeligen und schimmeligen Anzügen kommen. „Das ist nicht immer schön.“
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Und da ist noch ein weiterer Nachteil: „Shortys oder Anzüge lehnen wir ab, da die Luftblase im Rücken eine regelgerechte Ausbildung verhindert“, sagt Ulrike Schlegel von der DLRG Mitte, die deswegen eher zu Neopren-Jacken rät. „Das Auftriebsverhalten ändert sich mit Neoprenanzug, man liegt darauf fast wie auf einer Luftmatratze“, ergänzt DLRG-Kollege Ortmann. Nicht gerade förderlich für ein Kind, das Schwimmen lernen möchte. Wo sich die Anzüge jedoch anböten: Bei den Ausbilderinnen und Ausbildern, die mehrere Stunden im Wasser verbringen müssen und deswegen – gerade angesichts der gesenkten Temperaturen – aufpassen müssten, nicht auszukühlen.
Gelsenkirchener Bad-Betreiber reduziert Temperaturen nicht, will aber Gas durch Pool-Wärmepumpe sparen
Doch nicht in allen Schwimmbecken in Gelsenkirchen wird sich mit solchen Fragen beschäftigt: Bei der privaten Schwimmschule von „Come back Prävention“ etwa hat man sich entschieden, die Temperatur nicht herunterzudrehen, wie Inhaber Thorsten Stopp verrät. „Wir bieten auch Babyschwimmen und Reha-Sport an, da können wir mit der Temperatur nicht noch weiter heruntergehen, sonst würden uns die Kunden abspringen“, sagt Stopp, der ein Bad in Gelsenkirchen und eines in Herten-Westerholt besitzt. Während Ersteres weiterhin mit Fernwärme beheizt wird, setzt Stopp in Herten seit kurzer Zeit auf eine Pool-Wärmepumpe, die auch bei Minus 10 Grad Celsius Außentemperatur genug Wärme erzeugen soll. „So wollen wir unseren Gasverbrauch reduzieren, ohne die Temperatur senken zu müssen.“