Gelsenkirchen-Buer. OB Karin Welge reagiert auf Bastian Bielendorfers Gelsenkirchen-Kritik: Auf den Bühnen der Stadt will sie ihn erst mal nicht mehr sehen.

So nah am Dom in Buer liegt es auch nahe, mit dem Kirchturmdenken zu beginnen. Georg Lecher, Vorsitzende des Heimatvereins, sprach es bei der Begrüßung im Michaelshaus an der Hochstraße beim Diskussionsabend mit Oberbürgermeisterin Karin Welge direkt an: Aus den Köpfen und Herzen scheint das „Fahr nicht über den Kanal“ sowohl im Gelsenkirchener Norden als auch im Süden nicht mehr wegzubekommen sein. Aber schlecht machen lassen, das wollen sie sich auch alle nicht – nicht so wie Gelsenkirchens berühmtes „Lehrerkind“, Bastian Bielendorfer, zuletzt.

Lecher hatte an den Beginn des Abends das Stichwort „Ranking“ gesetzt, und damit den Nerv getroffen. Die Schlagzeilen eines Tages, in denen Gelsenkirchen rundum nicht gut wegkommt, schüttelte er aus dem Ärmel: Weit vorne ist die Emscherstadt im Vergleich bei der Gefahr von Herzkrankheiten, ganz hinten beim Pro-Kopf-Einkommen. Das veranlasste auch Comedian und Buchautor Bielendorfer kürzlich dazu, in einem Podcast-Interview, hart mit seiner Heimatstadt ins Gericht zu gehen: Einen „radikalen Neustart“ brauche man hier, „alles verschlafen worden" sei hier in den vergangenen 30 Jahren.

Jedes Ranking trifft den Nerv in Gelsenkirchen

Übel stieß sowohl der OB als auch den Besuchern des Abends diese Darstellung auf. Und obwohl der Name „Bielendorfer" nicht einmal genannt wurde, war bei Erwähnung des „Lehrerkindes“ klar, dass es um die jüngsten Anwürfe des Comedians ging.

Der gebürtige Gelsenkirchener Bastian Bielendorfer polarisierte zuletzt mit seiner scharfen Gelsenkirchen-Kritik.
Der gebürtige Gelsenkirchener Bastian Bielendorfer polarisierte zuletzt mit seiner scharfen Gelsenkirchen-Kritik. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Ich habe dem Helmut Hasenkox gesagt, ich möchte nicht, dass der hier im nächsten Jahr noch einen Auftritt hat“, fasste Karin Welge zusammen. In diesem Jahr allerdings hat Bielendorfer noch einen Auftritt in seiner alten Heimat und tritt am 4. Dezember in der Heilig-Kreuz-Kirche auf. Helmut Hasenkox, Geschäftsführer der Emschertainment GmbH, hatte den Ruf vernommen, und kommentierte bei nächster Gelegenheit und bei einem anderen öffentlichen Termin Richtung Bielendorfer: „Der hätte besser einfach mal nix gesagt.“

Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge: Opfer und Täter an der Käsetheke

Der Vortrag der OB zielte dann – praktisch als Gegenpol zum „Lehrerkind“ – vor allem auf den Gemeinsinn. Aber auch im viel gescholtenen Gelsenkirchen seien die vermeintlichen Opfer auch durchaus Täter. „Wenn der kleine Käseladen um die Ecke aufgibt, und ein Riesengezeter gemacht wird, muss ich aber auch fragen: Wann habt ihr denn da zuletzt eingekauft?“

Die Immobilienbesitzer, die privat investieren, aber Gewerbeimmobilien herunterkommen lassen, die trügen auch ihre Schuld an der Misere. Welge: „Wenn Gier den Gemeinsinn übersteigt, kann auch die Politik nichts ausrichten.“

Oberbürgermeisterin Karin Welge (re.) mit Georg Lecher, Vorsitzende des Heimatvereins Buer. Auf Einladung des Vereins sprach Welge über die Zukunftschancen für Gelsenkirchen – und über Bastian Bielendorfer.
Oberbürgermeisterin Karin Welge (re.) mit Georg Lecher, Vorsitzende des Heimatvereins Buer. Auf Einladung des Vereins sprach Welge über die Zukunftschancen für Gelsenkirchen – und über Bastian Bielendorfer. © WAZ | Uli Kolmann

Gelsenkirchen leide natürlich auch aktuell unter der neuen „Vereinzelung“, dem Rückzug vieler Menschen aus der Gesellschaft durch Corona, unter der Inflation, der Preissteigerung und vielem mehr.

Gelsenkirchens OB Karin Welge: „Es ist nicht gut, so wie es ist, aber viele Menschen setzen sich stolz für diese Stadt ein“

Dennoch, unterstrich Welge, habe Gelsenkirchen im Vergleich doch schon viel geleistet und viel vor. „Es kann und wird nicht nur Leuchtturm-Projekte geben“, wehrte sie ab, „wir müssen Prioritäten setzen.“ Aber für eine Stadt, die über 150.000 Einwohner verloren habe und nicht in der eher prosperierenden Hellweg-Region liege, halte Gelsenkirchen sich gut. „Essen, Dortmund und Bochum haben nach dem Zechen-Aus ganz andere Kompensationsmöglichkeiten gehabt“, argumentierte sie.

Es ist nicht gut, so wie es ist“, schränkte Welge ein, „aber bei einem Bevölkerungsschwund von gut einem Drittel muss man auch merken, dass viele Menschen hiergeblieben sind und sich täglich stolz für diese Stadt einsetzen.“

„Die Stadt sind wir alle“, formulierte sie, „helfen Sie mit. Wir müssen hier schon ein bisschen lauter Musik machen, damit man uns weiter weg auch noch hören kann.“

Jahresprogramm 2022

Der Heimatverein Buer hat noch einige Punkte im Restprogramm des Jahres. Dominic Schneider, Bezirksbürgermeister im Norden, übernimmt die Denkmalexkursion rund um das Rathaus Buer am Samstag, 22. Oktober, die Uhrzeit wird noch bekannt gegeben.

Ein herbstlicher Spaziergang durch die Parkanlage von Schloss Berge soll am Sonntag, 9. Oktober, um 9.30 Uhr an der Brücke von Schloss Berge starten, Informationen liefert Dr. Rüdiger Stritzke.

„Geschichte und Geschichten über den dritten Friedhof von Buer“ heißt es am Dienstag, 1. November, um 11 Uhr, Treffpunkt ist auf dem alten Friedhof Buer, Mühlenstraße, mit dabei ist dann Gärtnermeister Konrad Herz.

Außerdem soll noch das Trainingsbergwerk Recklinghausen besucht werden, die Leitung hat Bernd Hagemann, Treffpunkt ist am Samstag, 5. November, um 10 Uhr vor Ort. https://www.heimatverein-buer.de/