Gelsenkirchen. Eigentlich nicht schlecht: Der Leerstand an der Bahnhofstraße liegt bei fünf Prozent. Was ist mit der Weberstraße? Diese Vision haben Experten.

Ist sie ein Sorgenkind oder ist sie es nicht? Die Gelsenkirchener City wandelt sich, und das seit Jahren, eigentlich Jahrzehnten. Wie steht es um die Bahnhofstraße, die einstige Flaniermeile der Stadt, und wie steht es beispielsweise um eine der am meisten frequentierten Nebenstraßen, der Weberstraße?

Gelsenkirchen: Attraktive City – wie steht es um die Weberstraße?

Ortstermin an der Kreuzung Weberstraße/Elisabethstraße: Hier ist sie noch Nebenzentrum, wie der Fachmann erklärt. Bernd Gebert, Leiter der Abteilung Strukturentwicklung und Einzelhandel bei der Wirtschaftsförderung der Stadt, ist an diesem Nachmittag gekommen, und mit ihm Roman Schmitz, Vorsitzender der City Initiative Gelsenkirchen. „Die Weberstraße hat als Zubringerstraße eine wichtige Funktion“, weiß Roman Schmitz. Und das auch: „Aber es ist wie in allen Städten: Die Nebenstraßen haben es schwerer.“

Schandfleck oder gewohntes Bild? Die ehemalige Ladenfläche des Küchen- und Einrichtungsmarktes Schrader an der Gelsenkirchener Weberstraße steht schon lange leer.
Schandfleck oder gewohntes Bild? Die ehemalige Ladenfläche des Küchen- und Einrichtungsmarktes Schrader an der Gelsenkirchener Weberstraße steht schon lange leer. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Das sieht man auch an den Leerständen, die noch nicht so ausgeprägt, aber dennoch zu bemerken sind. Einer der prominentesten: Die ehemalige Ladenfläche des Küchen- und Einrichtungsmarkts Schrader. „Die Fläche stand mehrfach bei der Wirtschaftsförderung im Fokus“, berichtet auch Bernd Gebert. Doch das Problem sei, dass der Eigentümer nicht kooperiere.

Es ist ein Punkt, auf den Gebert und Schmitz gleichermaßen verweisen: Innenstadtentwicklung steht und fällt mit den Eigentümern der einzelnen Immobilien, „sie sind der Schlüssel zum Glück“, weiß Roman Schmitz. „Die Eigentümer sind manchmal die Lösung, manchmal auch das Problem“, bestätigt Bernd Gebert.

Problem deshalb: Es gibt Fälle, bei denen aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Immobilie funktioniert, der Eigentümer aber auf der anderen Seite häufig nicht das Interesse hat, das Stadtbild zu pushen oder zu verschönern. Ein Beispiel von der Bahnhofstraße: Die Ein-Euro-Läden, die LeckerLecker-Filialen, andere Händler, die ihre Waren im niedrigpreisigen Bereich anbieten. Davon hat die Handels-Hauptstraße der Stadt einige im Angebot.

Gelsenkirchen: Leerstandsquote an der Bahnhofstraße liegt bei fünf Prozent

Aktuell liege die Leerstandsquote an der Bahnhofstraße bei fünf Prozent, so Bernd Gebert. Mit den Randlagen beträgt der Leerstand insgesamt 18 Prozent. Laut dem „Bericht über die Innenstadtentwicklungen in den Hauptzentren Gelsenkirchen-City und Gelsenkirchen-Buer im Jahr 2021“ lag die Leerstandsquote im vergangenen Jahr entlang der Bahnhofstraße bei sieben Prozent. Mit rund 22.900 Quadratmetern Verkaufsfläche gab es eine deutliche Angebots-Konzentration im Bekleidungsbereich.

Die Weberstraße mit Blick zu einem von Gelsenkirchens Szenelokalen, der „Rosi“: Hier gibt es wenig Leerstand zu verzeichnen.
Die Weberstraße mit Blick zu einem von Gelsenkirchens Szenelokalen, der „Rosi“: Hier gibt es wenig Leerstand zu verzeichnen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Zurück zur Weberstraße gleich nebenan: Hier gibt es Eigentümer, die die Bereitschaft haben, etwas zu verändern. Und doch: Es gebe viele, die vor Baumaßnahmen absolut zurückschrecken, so Schmitz und Gebert. „Die Kosten sind im Moment unkalkulierbar, es ist derzeit eine schwierige Gemengelage“, berichtet Roman Schmitz.

Gelsenkirchen: Handel im Zentrum – Dienstleistungen in den Nebenstraßen

„Der Handel hat sich immer mehr ins Zentrum verlagert, in den Nebenstraßen finden die Kunden nun schon etwas länger vermehrt Dienstleistungen“, erläutert Wirtschaftsförderer Gebert. Es ist eine Entwicklung, ein Trend der vergangenen zehn Jahre. Den Handel zieht es weg von der sogenannten B- und C-Lage, dafür kommt „Ersatz“. An der Weberstraße ist das deutlich zu sehen, drüben hat sich ein großer Pflegedienst niedergelassen, zu finden sind hier aber auch Arztpraxen, eine Apotheke, alteingesessene Geschäfte wie das Reformhaus Sommerfeld oder das Sanitätshaus Grossmann. Und auch das gehört zum Bild: Leihhäuser, die um ihre Kunden werben.

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Weiter gen Gelsenkirchen Hauptbahnhof wird es lebhafter auf der Straße, der Verkehr nimmt zu, wir sind am großen Parkplatz am Weka Karree. Hier haben Schmitz und Gebert gleichermaßen eine Vision: „Was wir hier bräuchten, ist ein Vollsortimenter“, sagt Bernd Gebert und meint damit Edeka, Kaufland – eine neue Nutzung der „Potenzialfläche“. Gut passen würd’s ja: Einen solchen Vollsortimenter gibt es in der City nicht, die bekannten Discounter sitzen mit Netto an der Bahnhofstraße, mit Penny im Bahnhofcenter und dann noch mit Aldi an der Kirchstraße. Doch noch sei das alles Zukunftsmusik, sagen die beiden.

Bernd Gebert (links) von der Wirtschaftsförderung der Stadt und Roman Schmitz von der City-Initiative Gelsenkirchen an der Weberstraße: „Wir müssen citynahes, wertiges Wohnen in den Randlagen entwickeln“.
Bernd Gebert (links) von der Wirtschaftsförderung der Stadt und Roman Schmitz von der City-Initiative Gelsenkirchen an der Weberstraße: „Wir müssen citynahes, wertiges Wohnen in den Randlagen entwickeln“. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Doch wie ist nun die nahe Zukunft der Weberstraße, die ja auch Gelsenkirchen City ausmacht? Roman Schmitz und Bernd Gebert sehen eine Durchmischung sämtlicher urbanen Bereiche als einen Vorschlag, eine Idee. „Wir müssen citynahes, wertiges Wohnen in den Randlagen entwickeln“, sagt Roman Schmitz. Bernd Gebert ergänzt: „Wir brauchen Wohnraum für die hochwertigen Arbeitsplätze, die hier mit den Jahren entstehen.“ Schmitz sieht als „Schlüssel“ zum Innenstadt-Erfolg: Arbeitsplätze anzusiedeln, für ein gutes Wohnumfeld zu sorgen – im fortlaufenden Prozess entsteht so ein gesunder Mix, der die Kaufkraft (wieder) anhebt.

Denn auch das gehört zur Wahrheit dazu: Dort, wo die Kaufkraft gering ist, siedeln sich eher Händler aus dem Niedrigpreis-Sektor an. Doch es gibt auch die Gegenbeispiele, wo es genau anders herum läuft: Einst als Outlet eröffnet, hat sich Snipes an der Bahnhofstraße zu einem echten Store gewandelt. An diesem sonnigen Nachmittag in der City ist der Laden – wie häufiger – gerade von der jungen Klientel gut besucht.

Handel ist Hauptgrund, um Innenstadt zu besuchen

Aus dem IHK-Handelsreport Ruhr 2022 geht hervor, dass es NRW-weit zu Verschiebungen der genutzten Quadratmeterzahl im Einzelhandel gekommen ist. Insgesamt kam es zu einem Verlust von 27.000 Quadratmetern, die Innenstädte haben 39.000 Quadratmeter verloren. Ein Plus verzeichnen die Neben- und Nahversorgungszentren mit 43.000 Quadratmetern und die Fachmarktzentren mit 34.000 Quadratmetern. Allerdings werden beim Handelsreport nur die Geschäfte gezählt, die über eine Fläche von 650 Quadratmetern und darüber verfügen.

Das Fazit der Experten der IHK: Fazit: Der Rückzug des Handels aus der Innenstadt und der Bedeutungsverlust für die Innenstadt sei belegbar. Trotzdem sei der Handel noch immer der Hauptgrund, um die Innenstadt zu besuchen.

Stichwort Sorgenkind: Wenn auch nur eine Momentaufnahme, sind die ausgegebenen Werte der aktuellen Passantenfrequenzzählung der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen trotzdem interessant. Die Bahnhofstraße erzielt gute Werte im Vergleich zu den anderen Städten in der Kategorie „Mittelzentren über 100.000 Einwohner“. Gezählt wurde am Donnerstag, 5. Mai 2022 und am Samstag, 7. Mai 2022. Am 5. Mai lag die Passantenfrequenz bei 2328, die Bahnhofstraße liegt damit an Platz 1 vor der Bottroper Hochstraße. Allerdings gibt es keine Veränderung gegenüber den vorangegangenen Erhebungen im Jahr 2018 und 2020. Die Zahlen für den 7. Mai jedoch zeigen: Die Frequenz hat im Vergleich zu 2020 zugenommen. Wenn auch die Bahnhofstraße hinter der Hochstraße in Buer und der Hochstraße in Bottrop (Platz eins) liegt.