Gelsenkirchen. Gelsenkirchen muss viele Ukraine-Flüchtlinge versorgen. Trotzdem bricht eine bewährte Stelle weg. So wird die Flüchtlingshilfe nun organisiert.
„Unheimlich schade“, findet es Jürgen Hansen, dass er nach sieben Jahren und mehreren Tausend Fällen, in denen er und sein Team ausländischen Mitbürgern helfen konnten, nun doch die Pforten seines bewährten „Help-Ladens" schließen muss: Drei Wochen, nachdem der 65-jährige SPD-Politiker in der WAZ die Alarmglocken läutete, ist nun klar: Die Hilfsadresse in der City, die dem chronisch überlasteten Ausländeramt zig Anliegen von Flüchtlingen und Migranten abgenommen hat, muss tatsächlich aufgeben. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Flüchtlingszahlen aufgrund des Ukraine-Kriegs wieder gestiegen sind. Die Stadt aber sieht sich – obwohl jetzt eine wichtige Stelle wegbricht – in der Flüchtlingshilfe gut aufgestellt.
Ende für Ausländer-Hilfsstelle in Gelsenkirchen: „Man muss den Realitäten ins Auge blicken“
Im „Help-Laden“, einer Einrichtung der „Task Force Flüchtlingshilfe“, die Hansen 2015 im Zuge der großen Flüchtlingsbewegungen ins Leben rief, kümmerten sich einst drei Vollzeitkräfte um Anliegen von Ausländern – Hilfe bei Dokumenten und Anträgen, bei Arztterminen oder bei Uneinigkeiten mit Vermietern. Doch die Finanzierung der Stellen über das Jobcenter ist ausgelaufen und – das musste Hansen nun im Austausch mit der Stadt feststellen – eine alternative Förderung ist aktuell nicht auf dem Markt und eine Finanzierung über die Kommune ist ebenfalls nicht geplant. „Das ist bitter, aber man muss den Realitäten ins Auge blicken“, sagt Hansen, der aktuell weiterhin humanitäre Hilfe in der Ukraine leistet.
Sozialdezernentin Andrea Henze bestätigt auf Nachfrage, dass der „Help-Laden“ nicht weiter finanziert werden kann. Bis der Mietvertrag zum 30. September ausläuft, wolle man aber versuchen, in Austausch mit den Wohlfahrtsverbänden in Gelsenkirchen, jene Fälle aus der dem „Help-Laden“ zu übernehmen, die noch weiterer Betreuung bedürfen. Hansen und sein Team hätten „tolle Arbeit“ geleistet, jedoch könne die Stadt die Herausforderungen bei der Betreuung und Integration von Geflüchteten, trotz der Zusatzaufgaben mit Blick auf die Ukraine, mit ihren aktuellen Strukturen gut leisten.
„Flüchtlingshilfe im Quartier“ nennt sich jene Struktur, die Henze meint. Doch was leistet diese eigentlich? Und was zeichnet sie aus?
Flüchtlingshilfe im Quartier: So ist Gelsenkirchen bei der Integration aufgestellt
Beantworten kann dies am besten Michael Niehaus, Teamleiter der Flüchtlingshilfe bei der Gelsenkirchener Caritas und Sprecher für die Flüchtlingshilfe der Wohlfahrtsverbände in Gelsenkirchen. Was ihre Angebote angeht, haben das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Paritätische, die Arbeiterwohlfahrt (Awo), das Diakonie-Werk und die Caritas das Gelsenkirchener Stadtgebiet klar untereinander aufgeteilt.
Für Niehaus zeichnet das die Flüchtlingshilfe im Quartier aus. „Sie ist klar und verlässlich verteilt über das Stadtgebiet.“ Die Verantwortlichkeiten – etwa mit Blick auf eine neue Notunterkunft in einem Bezirk – seien sofort klar. „So eine feste Struktur, etwas Vergleichbares, haben wir in keiner der umliegenden Städte.“ So könne man die Kräfte der Verbände bestmöglich einsetzen und verhindere unnötige Doppelstrukturen. Die Verbände lägen nicht in Konkurrenz, sondern hätten einen „adressscharfen Austausch“. Ein Flüchtling, der in Erle untergebracht ist, könne sich sofort an die Diakonie wenden; jemand aus Rotthausen an die Awo.
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Dass der „Help-Laden“ der Taskforce wegbricht, bedauert zwar auch Niehaus. „Denn jede Unterstützung ist hilfreich und wichtig, dort wurde sehr gute Arbeit geleistet." Aber mit den vier von der Stadt refinanzierten Stellen für Sozialarbeiter und Übersetzern, die jeder Träger für die Flüchtlingshilfe im Quartier reserviert habe, könne man auch die Zusatzaufgaben durch den Zuzug aus der Ukraine meistern.
Die Aufgabe der Flüchtlingshilfe im Quartier ist es, ähnlich niederschwellige Arbeit zu leisten, wie sie auch im „Help-Laden“ geleistet wurde – Anträge, Probleme im Alltag, Ankommen in der Stadt. Für tiefergehende Integrationsaufgaben gibt es dann viele weitere Adressen in Gelsenkirchen: die regionalen Beratungsstellen für Fragen zum Asylverfahren etwa oder das vom Land geförderte Kommunale Integrationsmanagement, wo Zugewanderte eine Art „Coaching“ bekommen, um einen Weg in den Alltag zu finden.
Erfolgreiche Flüchtlingshilfe in Gelsenkirchen: Auswirkungen auf Sicherheit und Ordnung
Die Integrationsbedarfe seien in einer Stadt wie Gelsenkirchen natürlich sehr groß, sagt Michael Niehaus. Aber gemessen an der Geldknappheit in der Stadt laufe die Hilfe zusammengenommen sehr gut – sodass auch Auswirkungen auf die Sicherheit und Ordnung in der Stadt spürbar seien. „Durch die gut aufgestellte Flüchtlingshilfe sind die Flüchtlinge keine herausgehobene Gruppe, die in Gelsenkirchen besonders auffällig wird“, sagt Niehaus.
Ganz wegbrechen wird Jürgen Hansens „Task Force Flüchtlingshilfe“, die den „Help-Laden“ betrieben hat, in diesem Gebilde übrigens nicht: Hansen und sein Team leiten noch die Werkstatt „Sonnenblume“ an der Adenauerallee, ein Betreuungsangebot für die Kinder aus der dortigen Flüchtlingssiedlung. „Und diese“, das betont Sozialdezernentin Andrea Henze, „steht nicht zur Disposition.“