Gelsenkirchen. Warum die Gelsenkirchener Linke den Rücktritt von SPD-Bezirksbürgermeister Joachim Gill fordert und sich über Unternehmer Ender Ulupinar ärgert.
An einem Bericht in der „Horster Post“ – einem monatlich erscheinenden Lokalblatt in Horst und Umgebung, für das auch der SPD-Bezirksbürgermeister Joachim Gill verantwortlich zeichnet – entzündet sich die Kritik der Gelsenkirchener Linken. Vor rund zwei Wochen hatte darin der Gelsenkirchener Unternehmer Ender Ulupinar seinen Unmut über die Entwicklung Gelsenkirchens und Horsts im Allgemeinen und die Integrationsbereitschaft einiger Hinzugezogener im Besonderen kundgetan.
Gelsenkirchener Unternehmer Ender Ulupinar: „Sie verhöhnen uns!“
Bezogen auf den städtischen Haushalt empört sich Ulupinar, dass ein Großteil der 1,2 Milliarden Euro Transferleistungen vorbehalten sind. „Meiner Ansicht nach leider auch für Menschen, die noch nie auch nur einen einzigen Cent in unsere Sozialsysteme eingezahlt haben, dafür aber unsere Stadtkasse massiv belasten. Ich meine die, die hier auf unserer aller Kosten leben, sich aber nicht integrieren, die nicht arbeiten wollen oder nicht arbeiten können, weil sie keine Ausbildung haben, unsere Sprache nicht sprechen, und das alles auch so belassen. Und als Krönung fehlt einigen unter ihnen sogar oft noch die Demut und Dankbarkeit, die meine Eltern für ihr ,neues Leben’ noch hatten, sie verhöhnen uns“, so Ulupinar, dessen Eltern einst im Zuge des Anwerberabkommens zwischen der Türkei und Deutschland nach Gelsenkirchen kamen. Lesen Sie dazu auch: Gelsenkirchens Bezirksbürgermeister: „Die Zukunft der Stadt ist in Gefahr“
Linke: „Darstellung von Migrantinnen und Migranten als finanzielle Parasiten“
„Die Ausführungen in der ,Horster Post’ zeichnen ein Bild von Migranten als arbeitsfaul, unordentlich und gar kriminell“, ärgert sich hingegen die Gelsenkirchener Linkspartei über die Veröffentlichung.
Bezirksvertreter Tomas Grohé und Ratsfraktionsvorsitzender Martin Gatzemeier echauffieren sich besonders über Joachim Gill: „In seiner Rolle als Bezirksbürgermeister, Politiker und öffentliche Person steht er eigentlich in einer besonderen Verantwortung, das Zusammenleben von Menschen aller Couleur in unserer Stadt zu schützen und zu fördern. Mit der Veröffentlichung dieses Artikels betreibt er das genaue Gegenteil.“
Dass Ender Ulupinar in seinem Meinungsbeitrag überdies die Stadtverwaltung zum Rechtsbruch aufruft, empört die beiden Lokalpolitiker der Linkspartei zusätzlich. Um die Armutszuwanderung nach Gelsenkirchen zu verhindern, fordert der Unternehmer, „keine Unterstützungsgelder“ mehr zu zahlen. „Dann kehren sie Gelsenkirchen ganz schnell wieder den Rücken. Über die Gesetze und Vorschriften der Europäischen Union, die immer wieder von den Verantwortlichen als Begründung für ihr Handeln angeführt werden, müssen wir uns mutig hinwegsetzen, auch wenn wir es juristisch nicht dürften.“ An erster Stelle müsse das Wohl der eigenen Stadt stehen, so Ulupinar.
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Gelsenkirchen und insbesondere Horst verdrecke zusehends, während die Zahl der Armutszuwanderung ebenso steige wie die Kriminalität, heißt es in dem Bericht der „Horster Post“, ohne objektiv überprüfbare Fakten dazu zu nennen. Stattdessen heißt es, viele Vorkommnisse würden der Polizei und dem Kommunalen Ordnungsdienst gar nicht mehr gemeldet. Ohne entsprechende Anzeigen werde, so Ender Ulupinar, Horst als „eine Oase des Friedens und der Ruhe angesehen“, das es nicht sei.
Linke fordern Rücktritt von Bezirksbürgermeister Joachim Gill (SPD)
„So werden Buhmänner geschaffen und neue Feindbilder aufgebaut! Und so was ist nicht vereinbar mit dem solidarischen, demokratischen und interkulturellen Zusammenleben in unserer Stadt“, empören sich indes Grohé und Gatzemeier. „Das Herstellen eines Zusammenhangs von infrastrukturellen Lücken und Investitionsstaus mit einer Darstellung von Migrantinnen und Migranten als finanzielle Parasiten sowie das Herstellen eines vermeintlichen Zusammenhangs zwischen ,Armutszuwanderung’ und Kriminalität sind unrichtig und auf das Schärfste zu verurteilen.“ Ihrer Meinung nach grenzten Ulupinars Äußerungen „hart an den Straftatbestand der Volksverhetzung“.
Zur Person Ender Ulupinar
Ender Ulupinar war Fußballer bei Schalke 04, ist Immobilienkaufmann, Projektmanager, betreibt den Schalker Fan-Friedhof und engagiert sich in der Horster Gärtnergemeinschaft (HGG) zusammen mit seiner Frau mit eigenen Grabfeldern dafür, Friedhöfe ansprechend zu gestalten.
„In Gelsenkirchen leben zigtausend Menschen, die ihre Wurzeln in anderen Ländern haben. Sie bringen sich seit Jahrzehnten ein, arbeiten und haben sich ihre eigene Existenz aufgebaut. Ich bin einer von ihnen und mir ist das Schicksal meiner Heimatstadt nicht egal“, erklärt Ulupinar, warum er sich abermals öffentlich zu Integrationsfragen zu Wort gemeldet hat.
Und weil Joachim Gill die Veröffentlichung zu verantworten habe, solle er Konsequenzen daraus ziehen, fordert der Linken-Fraktionschef: „Es darf nicht akzeptiert und zugelassen werden, dass eine maßgebliche politische Person – das ist Herr Gill als Bezirksbürgermeister – rechte Sprüche und die Aufforderung, geltendes Recht zu brechen, in einer Zeitschrift verbreitet. Daher kann es nur heißen: ,Herr Gill, treten Sie von Ihrem Amt zurück!’”, so Gatzemeier.
Was SPD-Bezirksbürgermeister Joachim Gill zu der Rücktrittsforderung sagt
Der Angesprochene kann die Kritik hingegen nicht verstehen und erklärt auf WAZ-Nachfrage, dass die „Horster Post“ „allen Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform für ihre Meinung“ biete. „Wenn sich jetzt der engagierte Horster Mitbürger, frühere Vorsitzende des Präventionsrates Horst, der frühere 2. Vorsitzende der Werbegemeinschaft Horst und das Mitglied des Handwerksmeistervereins Horst in einer gerade für Gelsenkirchen und den Stadtteil Horst brisanten und wichtigen Angelegenheit zu Wort meldet, spricht absolut nichts dagegen, diese Äußerungen zu veröffentlichen“, sagt Gill und meint damit die zahlreichen Ämter, die Ender Ulupinar bereits übernommen hat.
Im Übrigen hätte die „Horster Post“ auch eine Stellungnahme der Linken veröffentlicht, versichert Gill, „aber die Partei hat sich den von mir betreuten Horster Medien in den zurückliegenden 33 Jahren noch niemals bedient“.
Die Veröffentlichung in der „Horster Post“ habe überdies mit seinem Amt als Bezirksbürgermeister „nicht das Geringste zu tun – zumal es sich in dem Beitrag ausschließlich um die Meinung und um die Vorschläge von Ender Ulupinar handelt“. Gill bittet stattdessen die Wortführer der Linken, „im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, den Worten in Bezug auf die derzeit zweifelsohne vorhandene Problematik auch Taten folgen zu lassen, die die Situation in Gelsenkirchen zu verbessern helfen“.