Gelsenkirchen. Das Gelsenkirchener Ausländeramt ist überlastet. Der „Help-Laden“ springt bei Fragen als Hilfsstelle für Ausländer ein. Aber: Ihm droht das Aus.
Das Gelsenkirchener Ausländeramt ist bekanntlich eine chronisch überbelastete Behörde. Doch der Andrang und die Wartezeit auf Termine wären vermutlich noch viel erschöpfender, wenn es den „Help-Laden“ für Flüchtlinge, fast gegenüber des Amtes an der Von-der-Recke-Straße 3, nicht geben würde.
Seit der großen Flüchtlingsbewegungen 2015 arbeiten die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tausende Anliegen von hilfesuchenden Ausländern ab. „Der Laden ist gelaufen wie eine Eins, er hat unglaublich viel geleistet“, sagt Leiter Jürgen Hansen – und schiebt bedrückt nach: „Aber jetzt sieht es ganz so aus, als wenn wir ihn schließen müssten.“
Hansen ist zugeschaltet aus der Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges leistet der 65-jährige SPD-Stadtverordnete dort humanitäre Hilfe. Doch das „Help-Laden“-Schicksal beschäftigt den Vorsitzenden der für den Laden verantwortlichen „Taskforce Flüchtlingshilfe“ auch inmitten des Kriegsgebiets. Schließlich ist die Zukunft des Ladens auch mit der Frage verbunden, wie gut die ukrainischen Kriegsflüchtlinge sowie andere Flüchtlinge und Migranten in die Gelsenkirchener Stadtgesellschaft integriert werden können.
„Help-Laden“ in Gelsenkirchen vor dem Ende: Das hat das Team vor Ort geleistet
Was man im „Help-Laden“ bis jetzt gemeistert hat, macht Hansen anhand von Zahlen deutlich: allein vom 1. Januar bis Ende April 2022 seien 1689 Hilfesuchende betreut worden, 135 Telefonberatungen seien mit zwei Mitarbeiterinnen durchgeführt worden. Doch seit dem 1. Mai arbeitet nur noch eine Angestellte im „Help-Laden“. Gemeinsam mit einem ehrenamtlich arbeitenden Dolmetscher, der vier Stunden die Woche im Einsatz sei, habe man geschafft, seit Mai immer noch rund 600 Menschen zu betreuen und rund 70 telefonische Beratungen zu bewältigen. „Aber jetzt droht auch die letzte Stelle wegzubrechen“, zeigt sich Hansen alarmiert.
Welche Hilfeleistungen konkret hinter den Zahlen stecken? Dass es in der Adresse in der City keine Rechtsberatung von ausgebildeten Juristen gibt, das steht schon fettgedruckt an der Tür. Wohl aber hilft das dortige Team Ausländern bei komplizierten Formularen oder geht mit den Menschen Mietverträge durch. „Wir haben aber auch schon Frauen bis an die Tür eines Gynäkologen gebracht oder Leute zur Sparkasse begleitet, wenn sie ein Girokonto brauchten“, erzählt Hansen. Auch Sprach- und Integrationskurse wurden vor Ort angeboten. „Das ist schon eine ordentliche Nummer, die wir da über die Bühne gebracht haben.“
Warum die Stellen im Gelsenkirchener „Help-Laden“ nicht mehr finanziert werden können
Aber ohne eine feste Stelle für den „Help-Laden“ kann Jürgen Hansen die Türen nicht offenhalten. „Die Miete wäre nicht das Problem, aber was bringt ein leerer Laden ohne Personal?“, fragt er. Bis zum 30. September muss der Ratsherr eine Lösung gefunden haben, bis dahin muss der Mietvertrag spätestens verlängert werden – oder eben nicht.
Die Stellen brechen deshalb weg, weil Hansen den inzwischen fälligen Eigenanteil bei der Förderung nicht mehr stemmen kann. Finanziert wurden die einst drei Mitarbeiterinnen mit der sogenannten „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ über das Jobcenter. Das Förderinstrument bietet einen Lohnkostenzuschuss von 70 bis 100 Prozent für Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose sozialversicherungspflichtig beschäftigen.
Die Förderhöhe ist nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gestaffelt. In den ersten beiden Jahren beträgt sie 100 Prozent. In jedem weiteren Jahr verringert sich der Zuschuss um zehn Prozent. Und den inzwischen 30-prozentigen Eigenanteil kann Hansen nach eigener Aussage nicht aufbringen. „Aus Spendengeldern darf ich das Geld ja nicht nehmen und Eigenkapital generieren wir hier mit unserer Arbeit auch nicht“, sagt er. „Es bräuchte einen neuen Fördertopf, über den ich mindestens eine Vollzeitstelle auch voll finanzieren kann.“ Nur: Diese Förderung ist aktuell nicht in Aussicht.
Jürgen Hansen: „Haben dem Gelsenkirchener Ausländeramt viel Arbeit abgenommen“
Eigentlich findet Hansen immer eine Lösung. Aber auch über andere Fragen hat sich der so gut vernetzte, aber nun ebenso verzweifelte Gelsenkirchener bereits den Kopf zerbrochen: Kann man die Arbeit im Laden vorübergehend komplett ehrenamtlich leisten? Wäre es möglich, Beschäftigte von der Projektwerkstatt in den Flüchtlingsunterkünften an der Adenauerallee abzuziehen, dort, wo Hansens „Taskforce Flüchtlingshilfe“ erste Integrationsarbeit mit neu angekommenen Familien leistet?
„Es helfen bereits so viele tolle ehrenamtliche Helfer, aber für die Arbeit braucht es eine Vollzeitstelle“, sagt Hansen. Und die Projektwerkstatt an der Adenauerallee sei eben ein ganz eigenes und eigenständiges Projekt.
Sollte Hansen also dieses Mal keine Lösung finden, dann ist das nicht nur eine schlechte Nachricht für die 65.000 ausländischen Menschen in Gelsenkirchen. Sondern zweifelsohne auch für das Ausländeramt. „Denn wir haben dem Amt schon eine Menge Arbeit abgenommen“, wiederholt er abermals.