Gelsenkirchen. Der WAZ-Bericht zur Ausländerbehörde schlägt Wellen in der Politik. Warum sich die Wartezeiten dort aktuell wieder verschlechtert haben.
- Nach dem WAZ-Bericht über die Zustände im Ausländeramt hat die Stadt im Ordnungsausschuss einen Sachstandsbericht geliefert und räumt ein: Die Lage ist weiterhin prekär.
- Die Wartezeiten haben sich zuletzt wieder verschlechtert, auch die telefonische Erreichbarkeit ist laut Stadt weiter schlecht. Viele Überstunden gebe es jedoch nicht.
- Nun will man die letzten Verbesserungen wie die Aufstockung des Personals, die nach einer Organisationsuntersuchung umgesetzt worden sind, erneut überprüfen.
Nachdem sich Beschäftigte des Gelsenkirchener Ausländeramtes Anfang April in der WAZ über die „katastrophalen Zustände“ und hohe Belastung in der Behörde geäußert hatten, haben AfD und AUF im Ordnungsausschuss einen aktuellen Sachstandsbericht zu den dortigen Zuständen gefordert. In ihren Schilderungen versuchte die Stadt einerseits die öffentlichen Klagen aus dem Team zu entschärfen, räumte anderseits aber auch ein, dass es im Amt weiterhin große Probleme gibt. „Wir sind weit davon entfernt, zu sagen, die Verhältnisse im Ausländeramt seien gut und kundenorientiert“, gab Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats Sicherheit und Ordnung, im Ausschuss zu.
Deutlich wurde durch den Sachstandsbericht: Obwohl das Amt zuletzt Verstärkung von sieben zusätzlichen Mitarbeitern bekommen hat, kommt man – vor allem bedingt durch verschärfte Corona-Regeln Ende vergangenen Jahres und den jetzigen Zuzug ukrainischer Flüchtlinge - seit geraumer Zeit wieder schlechter mit der Arbeit hinterher als noch im November 2021.
Telefonische Erreichbarkeit des Gelsenkirchener Ausländeramtes: „Prekäre“ Lage
Um überhaupt einen Termin für die Bearbeitung von Anliegen, bei denen eine persönliche Vorsprache nötig ist, zu erhalten, müssen die 62.000 Klienten des Ausländeramtes nun nicht mehr drei Wochen, sondern zehn Wochen warten. Die abschließende Bearbeitung liegt dann durchschnittlich weiterhin bei sechs Monaten.
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Sehr schwierig, das räumte Abteilungsleiter Waldemar Kinzel ein, sei zudem weiterhin die telefonische Erreichbarkeit des Amtes, obwohl eine Vollzeitstelle dafür abgestellt sei Anrufe entgegenzunehmen. „Ich kann nicht genau sagen, wie oft man anrufen muss, um tatsächlich durchzukommen“, beantworte Kinzel Fragen von Ali-Riza Akyol (WIN) nach Wartezeiten und Erreichbarkeit. Die Lage sei „halt prekär.“
Freiwillige Samstagsarbeit in der Ausländerbehörde Gelsenkirchen
Gegenüber der WAZ berichteten Beschäftigte von „unbezahlten Überstunden bis spätabends“ und Krankheitsfällen aufgrund der hohen Belastung. Im Ordnungsausschuss hielt Kinzel dem nun entgegen, die Arbeitszeitkonten seien – Führungskräfte ausgeklammert – alle im Soll-Bereich. Wünsche nach Abbau von Gleitzeitguthaben oder Freizeitausgleich könne man in der Regel gestatten. Um mehr Flexibilität zu ermöglichen, sei zudem der „Wunsch nach freiwilliger Samstagsarbeit“ aufgenommen worden.
Fragen der WIN nach dem durchschnittlichen Krankenstand im Team beantwortete Kinzel nicht, allerdings machte er darauf aufmerksam, dass die Zahl der Langzeiterkrankungen mit einem Ausfall von über vier Monaten mit vier Fällen seit 2020 "relativ niedrig“ sei.
Chef des Sicherheitsreferats: Mitarbeiter des Ausländeramtes kommen an ihre Grenzen
Warum Beschäftigte dennoch so verzweifelt und frustrieret seien, als letzten Weg den Gang zur Presse zu wählen, statt Probleme intern zu besprechen, wollte Enxhi Seli-Zacharias von der AfD-Fraktion wissen. „Ich will nicht verkennen, dass die Arbeit im Ausländeramt herausfordernd ist. Wir wissen, dass jeder Mitarbeiter sein Bestes gibt und teilweise an seine Grenzen kommt“, antwortete Ordnungsreferatsleiter Hans-Joachim Olbering. Man versuche, dem, so gut es geht, Rechnung zu tragen – durch gute Führung und Organisation, die man stetig versuche zu optimieren.
Dass sich dennoch einzelne Mitarbeiter an die Öffentlichkeit wenden, sei unter anderem dadurch zu erklären, dass „nicht alle Menschen in ihrer Frustrationstoleranz gleich gestrickt" seien, so Olbering. „Wert lege ich aber darauf, dass die Mitarbeiter eingebunden und beteiligt werden.“ Fragen an die Vorgesetzten und Ideen zur Optimierung hätte man jederzeit einbringen können.
Ausländeramt Gelsenkirchen: „Operation am offenen Herzen“
Nur, das betonte Olbering zudem, sei eine „Operation am offenen Herzen“ eben schwer. Was damit gemeint ist: Im Ausländeramt lief zuletzt eine interne Organisationsuntersuchung, nach der unter anderem ein höherer Personalbedarf von sieben mehr Stellen diagnostiziert und die Aufgaben im Team neu verteilt wurden. Eine solche Umstellung und gleichzeitige Einarbeitung neuer Mitarbeiter sei im laufenden Betrieb jedoch herausfordernd. Was man infolge der Organisationsuntersuchung umgesetzt habe, wolle man nun erneut evaluieren und so erneut prüfen, ob die jetzt 60,75 Stellen ausreichend sind.
Während WIN und AfD ihren Fragenkatalog abarbeiteten, meldete sich aus der SPD lediglich Manfred Peters, ordnungspolitischer Sprecher der Fraktion, zu Wort, um zu betonen, dass sich im Amt bereits „nennenswerte Verbesserungen“ eingestellt hätten und er den Ausführungen der Verwaltung „eher folgen werde und möchte als denen in den Medien“. Die CDU meldete sich lediglich zu Wort, um die Debatte zum Ausländeramt nach 40 Minuten zu beenden. Wortmeldungen von anderen Fraktionen gab es keine.
AfD zeigt sich empört
Unmittelbar nach dem Ordnungsausschuss meldete sich die antragstellende AfD-Ratsfraktion entsetzt via Pressemitteilung zu Wort, um ihre Irritation „über das Schweigen seitens der Fraktionen SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen“ zum Ausländeramt mitzuteilen. Die GroKo habe sich dem Diskurs völlig entzogen, der Debatte sei mit „Desinteresse und politischem Abstoßreflex“ begegnet worden, so die ordnungspolitische Sprecherin der Fraktion, Enxhi Seli-Zacharias.
Zuletzt war das Thema im November 2021 Gegenstand im Ordnungsausschuss. Damals hatte die Verwaltung detailliert dargestellt, zu welchen Ergebnissen die interne Organisationsuntersuchung geführt hat.