Gelsenkirchen. Sechs eher „unbekannte“ Weltmarktführer und etliche Weltunternehmen zählt Gelsenkirchen. Wie daraus eine bessere Erfolgsgeschichte werden soll.
Sie sind Familienunternehmen mit langer Tradition, vergleichsweise junge Betriebe oder auch ein Konzern, der bundesweit im Geschäft mit Wasser, Energie und Dienstleistungen ist – und sie zählen unter den Firmen im Land alle zu den großen Unbekannten, den Hidden Champions: Eine Studie des Forschungszentrums Mittelstand (FZM) der Universität Trier im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums attestiert Gelsenwasser, Norres und Masterflex wie auch Oexmann, August Friedberg und Amevida, dass sie in ihren Branchen zu den Weltmarktführern zählen.
690 Unternehmen hat die Studie landesweit ausgemacht. Gelsenkirchen liegt im Ruhrgebiet im Ranking einmal nicht im Schlussfeld. Dortmund, Duisburg und Essen kommen auf jeweils neun, Gelsenkirchen auf sechs, Bochum auf fünf und Mülheim auf zwei entsprechende Firmen, Oberhausen hat keine. Ein ansprechendes Ergebnis für Wirtschaftsförderungsdezernent und Stadtrat Simon Nowack. „Ich finde in der Tat, dass wir uns sowohl mit der Gesamtzahl wie auch mit der Zahl der Hidden Champions pro 100.000 Einwohner im Ruhrgebiet durchaus sehen lassen können. Wer hätte gedacht, dass wir mehr haben als die vermeintlich so innovative Stadt Bochum.
Stärken des industriellen Mittelstandes in Gelsenkirchen
Nowack interpretiert das Ergebnis auch „ein Stück weit als Ausweis für Innovation und Technologie-Standards“, es zeige ebenfalls „die Stärken des industriellen Mittelstandes in Gelsenkirchen“. Der Stadtrat zeigt sich durchaus „stolz, solche Unternehmen am Standort zu haben“.
Doch wie lässt sich Kapital für den Wirtschaftsstandort aus dem Erfolg der Unternehmen schlagen? „Es gibt keine besseren Werbeträger für uns als erfolgreiche Unternehmen am Standort Gelsenkirchen“, glaubt Nowack. 2015 hatte Gelsenkirchen schon eine – bundesweit durchaus beachtete Kampagne – mit „starken Marken“ aus Gelsenkirchen gefahren. „Doch das ist irgendwann eingeschlafen. Eigentlich das Schlimmste, was Marketing passieren kann“, glaubt Nowack. Mit der angestrebten Neuaufstellung der Gelsenkirchener Wirtschaftsförderung müsse daher auch das Thema Standortmarketing unter neuer Leitung mehr Gewicht bekommen. „Da müssen wir Professionalisierung und Verstetigung hinbekommen. Das wird ein wesentlicher Faktor für die künftige Wirtschaftsförderung“, sagt Nowack.
Nowack: Gelsenkirchen war mal die Boomtown in Europa
Selbstverständlich ist Nowack auch froh über die großen Player am Markt, über Gelsenkirchener Firmen wie BP, Thyssen-Krupp Electrical Steel, Trimet und Uniper, die großen Hafenunternehmen wie Müllers Mühle oder Avangard Malz. Doch gehe technische Innovation und wirtschaftliche Kraft „zu 95 Prozent von den kleinen und mittelständischen Unternehmen der deutschen Wirtschaft“ aus. Entsprechend wichtig seien eben auch die Weltmarktführer in ihrer Branche wie der Verbindungsspezialist August Friedberg oder Masterflex SE, der Hersteller von Hightech-Schläuchen.
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„Die großen drückenden Probleme“, meint Nowack, würden in Gelsenkirchen immer besonders deutlich. „Weil unsere Fallhöhe immer noch größer ist als in anderen Städten. Gelsenkirchen war mal die Boomtown in Europa.“ Doch trotz bescheidener Sozialdaten und andauernden Image-Defiziten – Gelsenkirchen als einer der ärmsten Städte in der Republik und der hiesigen Wirtschaftsförderung will Nowack unbedingt eine größere Portion Selbstbewusstsein verpassen. „Wir sind eigentlich die Westfalen im Ruhrgebiet. Wir sind diejenigen, die am wenigsten auf den Putz hauen und unser Licht gerne unter den Scheffel stellen.“
Vor diesem Hintergrund geht es dem Dezernenten darum, „ein Aufstiegsnarrativ hinzubekommen“, ein Bild zu zeichnen von „Gelsenkirchen, der Aufsteigerstadt. Wir haben viele persönlichen Erfolgsgeschichten. Wir sind dabei, uns von den Fesseln zu lösen. Es wäre mein Wunsch, wenn wir das in den Köpfen verankern könnten.“