Gelsenkirchen-Schalke-Nord. Müller’s Mühle hat für 14,5 Millionen Euro ein neues Werk gebaut. Hergestellt wird Mehl aus Erbsen und Bohnen für vegetarische Produkte.
Solch eine Phase erlebt man in seinem Arbeitsleben wohl nur einmal: Matthias Tögel war dabei als ein neues Werk geplant, hochgezogen und innerhalb von gut anderthalb Jahren vollendet wurde, wie Maschinen, Silos und Mühlentechnik eingebaut und eingefahren wurden. Und er ist maßgeblich beteiligt, wenn es nun darum geht, die Leistung hochzufahren. Müller’s Mühle hat im Gelsenkirchener Stadthafen rund 14,5 Millionen Euro investiert. Entstanden ist das Werk 2. Auf 19.000 Tonnen Jahreskapazität ist es ausgelegt. Und Tögel, 32 Jahre jung, ist als Obermüller vor Ort einer der Beschäftigten, die dafür sorgen, dass der Laden läuft. „Es ist ein Riesenvorteil, dass wir das Werk vom Grund auf selbst mitgestalten durften“, sagt Tögel.
„Wir sind im Budget und in der Zeit geblieben, trotz Corona-Pandemie. Darauf sind wir schon stolz“, sagt Uwe Walter, der mit Markus Prantl Geschäftsführer des Traditionsbetriebs im Hafen ist. Mit dem Werk 2 haben sich die Müller auch ein Stück weit neu erfunden.
Seit 2010 ist die Reismühle in Gelsenkirchen eine der modernsten in Europa
Am Kerngeschäft von Müller’s Mühle, seit 1989 eine Tochter der Good-Mills Deutschland GmbH (Lesen Sie auch:Die rasante Reise der Küchen-Klassiker bei Müller’s Mühle) , hat sich (eigentlich) nichts geändert: Reis und Hülsenfrüchte – darauf fußt der Mühlenbetrieb im Gelsenkirchener Stadthafen seit über einem Jahrhundert, ab 2010 wurde die Reismühle im Werk modernisiert und gilt seither als eine der modernsten in Europa – Kapazität: 80.000 Tonnen. Und doch erlebt das Unternehmen eine rasante Veränderung. Das Sortiment ist breiter geworden, trendiger, auch optisch frischer.
Bei Müller’s Mühle hat man längst auf den wachsenden Bedarf an vegetarischen und veganen Produkten regiert. Der Markt ist mittlerweile reif für Nudeln oder Chips aus Hülsenfrüchten, für eine wachsendes Angebot an Milch-, Fleisch, Joghurt- oder Käse-Alternativen, an Veggie-Snacks. Die Ernährungsindustrie erlebe in diesem Segment geradezu einen Boom“, stellt Prantl fest. „Da passen wir mit unseren Produkten ideal rein.“
Basisprodukte für Fleisch- oder Fischalternativen kommen aus Gelsenkirchen
Müller’s Mühle ist angetreten, die Basisprodukte für Fleisch- oder Fischalternativen, auch für Tierfutter zu liefern: eben stärke- oder proteinkonzentrierte Mehle für die Lebensmittelproduktion oder – veredelt – für den Endverbraucher.
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Rote Linsen oder Kircherbsen-Mehl, Hirse oder Quinoa zählen bereits seit 2015 zum Sortiment, Couscous in diversen Spielarten zählt seit 2021 dazu. Andere Produkte bedeuten neue Herausforderungen. Auch an den Mühlenbetrieb. Dafür wurde letztlich das Werk 2 errichtet. „Im nächsten Jahr wollen wir in die Vollauslastung kommen. Das wird gelingen, weil der Markt stetig weiter wächst.“
Fremdkörper oder winzige Steine werden im rasenden Tempo aussortiert
Über vier Etagen läuft der Mahlprozess. Am Anfang sind die vier Großsilos mit je 50 Tonnen Kapazität. Die Schwerkraft erledigt dabei einen Teil der Transportarbeit zwischen Silos, Reinigung und Mahlwerk. In rasendem Tempo durchlaufen Kichererbsen und Faba-Bohnen, rote Linsen oder gelbe Erbsen die Mühle. Fremdkörper oder winzige Steine werden im rasenden Tempo aussortiert und per Luftdruck ausgeschossen. Spelzenteile und Kerne werden getrennt. Von der Steuerwarte aus werden Windabscheider und Mahlscheiben gesteuert. „Pro Stunde haben wir einen Durchlauf von rund drei Tonnen“, sagt Tögel. Abgefüllt in der Abpackstation werden die Mehle für Großabnehmer. Kleinste Einheit: der 15 Kilo-Sack. Größtes Gebinde: das Bigpack mit 700 Kilogramm. Zwischen Silo und Lager-Ausgang liegen im Idealfall nur wenige Stunden.
Müller’s Mühle kooperiert mit Genossenschaften und Agrarhändlern
Auch Müller’s „Willy“ hat sich verändert
Das Unternehmen wurde 1893 als Handelsagentur für Reis und Hülsenfrüchte gegründet. Bereits 1913 wurde der Mühlenstandort im Stadthafen gebaut und in den 1920er Jahren schließlich die Marke Müller’s Mühle entwickelt. Die Marke gehört wie auch Aurora oder Diamant zur Goodmills-Gruppe in Deutschland. 135 Personen arbeiten am Standort. Wenn Werk 2 voll läuft, werden es zehn Beschäftigte mehr sein.
Die Marke wurde in den vergangenen Jahren optisch verjüngt, der Genuss steht mehr im Mittelpunkt. Verpackungen tragen ein Rezeptbild, die Kochanleitung wird gleich mitgeliefert, der Packungsinhalt ist durch ein Sichtfenster zu sehen. Und auch Willy, Symbolfigur für Müller’s Mühle seit den 1920er Jahren, hat sich gewandelt: Er ist jüngst noch einmal dynamischer und schlanker geworden.
In der Anlaufphase ist das Lager aktuell zu 50 Prozent gefüllt. Neben der Abnehmerseite verhandelt Müller’s Mühle auch intensiv mit den Produzenten, um sich bei den Erzeugern längerfristig Rohstoffe zu sichern. Angestrebt werden laut Prantl „Kooperationen mit Genossenschaften und Agrarhändlern, außerdem versuchen wir Landwirte zu motivieren, stärker in die Produktion von Hülsenfrüchten einzusteigen.“ Ziel sei es, Bauern über Vertragsanbau Abnahmesicherheit zu bieten, wenn das Werk 2 vollständig hochgefahren ist. Walter: „Da ist viel im Entstehen.“
Gelsenkirchener Mühle arbeitet mit Partnern an über 50 Produkt-Projekten
Bei der Entwicklung von Minuten-Reis im Kochbeutel, Convenience-Produkten wie Pfannen- und Milchreisgerichten oder Snacks hat Müller’s Mühle langjährig Erfahrung. Schon 2005 gab es Fertiggergerichte wie „Risoriz“ oder auch fettarme Reis-Cracker. Die Entwicklung geht stetig weiter, auch mit neuen Fruchtsorten. „Wir haben aktuell weit über 50 Projekte mit Partnern laufen, wo wir an neuen Rezepturen arbeiten“, sagt Geschäftsführer Uwe Walter. „Da sind wir sehr innovativ unterwegs und arbeiten mit verschiedenen Forschungseinrichtungen zusammen.“
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Ein weiteres „wichtiges Thema“ für Müller’s Mühle sei die Nachhaltigkeit. Naheliegend, denn: „Unsere gesamten Rohstoffe kommen aus der Natur , so Walters Geschäftsführer-Kollege Markus Prantl. Müller’s Mühle macht entsprechend auch mit bei der Initiative „Klimahafen Gelsenkirchen und verfolgt das Ziel, „so schnell wie möglich klimaneutral zu werden“.
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