Gelsenkirchen. Noch ist unklar, wie viele Lehrerstellen im neuen Schuljahr unbesetzt bleiben. Was gegen den drastischen Mangel machbar ist und was versucht wird.

  • Wie viele Stellen wirklich im Schuljahr 22/23 unbesetzt sein werden, ist noch unklar
  • Mindestziel ist ein eigener Klassenlehrer/ eine Klassenlehrerin für jede Klasse
  • Listenverfahren statt schulscharfer Ausschreibungen könnte helfen

Wie viele Lehrer in Gelsenkirchen wirklich zum neuen Schuljahresstart fehlen, kann die Schulaufsicht aktuell noch nicht beziffern. Die Statistik listet – Stand 1. Juni – 224 offene Pädagogenstellen an Gelsenkirchens Schulen auf, davon 70 an Grundschulen. Im vergangenen Jahr fehlten hier zum 1. August 156 Grundschulpädagogen. Dass in diesem Jahr wirklich weniger Lehrkräfte fehlen als im Vorjahr, ist leider unrealistisch. In drei Förderschulen wurden den Eltern für das kommende Schuljahr bereits Kürzungen des Nachmittagsunterrichts angekündigt, wie Stadtelternsprecher Jan Klug erklärt. An Förderschulen gibt es normalerweise drei Mal je zwei Stunden Unterricht am Tag, dazwischen verschiedene Angebote inklusive Essen. Die Nachmittags-Unterrichtseinheit würde dabei zum Teil entfallen. Es droht also eine Unterrichtskürzung.

Wie viele Pädagogen wirklich fehlen zum Schulstart, ist noch unklar

Auch an einigen Grundschulen war bei Ferienbeginn die Möglichkeit von Unterrichtskürzungen angekündigt worden aufgrund notwendiger Abordnungen von Lehrkräften an andere Schulen, an denen die Personalnot noch größer ist. Fakt ist: Ganz genau kann die Bezirksregierung noch gar nicht beziffern, wie viele Lehrkräfte zum neuen Schuljahr wirklich fehlen. Zwar stehen die benötigten Basisstunden fest, wie groß der Bedarf an Ausgleichs- und Mehrstellen aber ist, wird noch ermittelt. Entsprechend ist bei den genannten Zahlen offener Stellen nur ein Teil der wirklich benötigten Stellen erfasst. Lesen Sie dazu auch: Lehrermangel: Gelsenkirchen erwägt drastische Maßnahmen

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Der Bedarf an Ausgleichsstellen hängt nämlich ab von verschiedensten Faktoren, unter anderem von der Zahl der Kinder mit Förderbedarf an Regelschulen, an notwendigen Integrationshilfen, dem Angebot von herkunftssprachlichem Unterricht, der Zahl von Kindern in schwierigen Ausgangslagen sowie Ganztagsförderung an Haupt- und Förderschulen der Sekundarstufe eins – bis zu 30 Prozent mehr Stellen kann eine Schule dadurch zugesprochen bekommen. Diese – gerade im Bereich Flüchtlinge und EU-Ost-Zuwanderer besonders schwierig zu ermittelnden – Zahlen liegen offenbar noch nicht komplett vor. Die Schulen können die Bedarfe noch melden. Auch Gelsenkirchens Schuldezernentin Anne Heselhaus hatte darauf hingewiesen, wie wenig kalkulierbar etwa die Zahl der ukrainischen Schulkinder im kommenden Schuljahr sei. Wie viele Familien sich entscheiden, die schulische Zukunft der Kinder hier zu planen und wie viele zum Schuljahresstart zurückkehren werden.

Doppelte Klassenleitungen vermeiden

Schulamtsdirektorin Petra Bommert, für die untere Schulaufsicht für Grundschulen in Gelsenkirchen zuständig, versichert auf Nachfrage, dass von allen Beteiligten alles versucht werde, um eine gute Unterrichtsversorgung in Gelsenkirchen sicherstellen zu können, noch sei nichts entschieden. Man stimme sich eng mit den Schulen ab. Von der Bezirksregierung in Münster heißt es auf die Frage, ob es im August genug Grundschullehrer in Gelsenkirchen geben wird: „Jeder Klasse wird eine Klassenleitung zur Verfügung gestellt. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, doppelte Klassenleitungen zu vermeiden.“ Wobei „doppelte Klassenleitungen“ wohl nicht zwei Lehrer je Klasse, sondern einen Lehrer für zwei Klassen meint. Zum Thema:Akuter Lehrermangel: Sogar Mindestunterricht nun gefährdet

Zuteilung über Listen statt schulscharfer Ausschreibungen könnte helfen

Elternsprecher Jan Klug indes verweist auf die Möglichkeit, mehr Stellen über das Listenverfahren statt durch schulscharfe Ausschreibung zu besetzen. Dadurch wäre es möglich, nach Bedarf zu verteilen statt nach persönlichen Neigungen. „Die Behauptung, dass der Personalrat so ein Vorgehen grundsätzlich blockiert, ist nach meiner Information nicht richtig“, versichert Klug. Bei den Zuweisungen müsse es ja nicht darum gehen, Münsteraner nach Gelsenkirchen zu schicken. Aber die Anreise aus Nachbarstädten wie Recklinghausen sei durchaus zumutbar.

Abordnung ohne Zustimmung des Betroffenen möglich

Grundsätzlich ist eine Abordnung von Beamten für eine befristeten Zeitraum auch ohne deren Zustimmung möglich, wenn es um Sicherstellung der Unterrichtsversorgung anderswo geht, bestätigt ein Sprechers des Bildungsministeriums auf Anfrage – unter der Voraussetzung, dass die Personalvertretung zustimmt.

Referendare bleiben nicht selten dank guter Ausstattung

Ein weiteres Problem für eine ausreichende Lehrkräfteversorgung ist laut Klug, dass das Lehrerseminar in Gelsenkirchen relativ klein ist. Also relativ wenige Lehramtsanwärterinnen und -anwärter hier ausgebildet werden und von daher auch weniger „klebenbleiben“ können nach dem Examen. Genau das geschieht offenbar durchaus nicht selten, weil viele junge Pädagogen die gute Ausstattung hier besonders schätzen.

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Ein Thema, das die Elternvertreter neben der knappen Lehrerversorgung umtreibt, ist die jüngste Ankündigung, eventuell am Junkerweg eine Realschule statt einer Gesamtschule zu errichten. „Bei unseren Elternversammlungen hören wir von Elternvertretern aller Schulformen, gerade auch der Grundschulen, immer wieder, dass sie sich mehr Gesamtschulplätze wünschen“, so die stellvertretende Stadtelternsprecherin Alexandra Themann und Sprecher Jan Klug bestätigt das. : Kehrtwende beim Schulneubau]

„Eltern wünschen sich vor allem mehr Gesamtschulplätze“

Die Tatsache, dass es auch bei Realschulen – vor allem der Gertrud-Bäumer-Realschule – deutlich mehr Anmeldungen als Plätze gab, führen sie darauf zurück, dass es sich bei den Bewerbern um abgewiesene Gesamtschuleltern und -kinder handelt. Zahlen zur Erstwahl für die weiterführende Schule von Eltern nach der Grundschule konnte die Verwaltung in der letzten Sitzung vor den Sommerferien nicht nennen. Diese sollen aber nachgereicht werden.

Verwaltung schweigt zur Zahl der in diesem Jahr abgeschulten Kinder

„Mehr Gesamtschulplätze könnten auch das große Problem der Abschulungen lindern. Jedes Jahr müssen viel zu viele Sechst- und Siebtklässler in Gelsenkirchen ihr Gymnasium oder ihre Realschule verlassen. Das gibt es bei Gesamtschulen nicht, und die meisten Eltern möchten ihrem Kind die Möglichkeit offen halten, Abitur zu machen“, erläutert Alexandra Themann den Hintergrund der Forderungen. Wie viele Schülerinnen und Schüler zum neuen Schuljahr ab August ihre Schule verlassen mussten, war von der Verwaltung auf Nachfrage aktuell noch nicht zu erfahren. [Lesen Sie auch:Gelsenkirchen plant Studie, warum Gymnasien so oft abschulen]